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Progetto Leonardo Volterra 2013

Hai capito?*

Mein Name ist Tabea Klose, ich bin 23 Jahre und komme aus Deizisau bei Stuttgart. Seit einem Jahr bin ich ausgebildete Glaser- und Fensterbauerin und arbeite in einem 3-Mann-Betrieb, was natürlich sehr zu meiner Selbstständigkeit beiträgt. Ich musste schon früh Probleme eigenständig meistern, oft auch auf meine ganz eigene Art und Weise. Mein Ziel: Mit meiner fachmännischen Arbeit die Kunden zufrieden und glücklich zu machen.

Da ich schon seit dem ersten Tag meiner Ausbildung bestrebt war, neues zu erfahren und zu erlernen, kam das Leonardo da Vinci Projekt genau richtig: Hierbei kooperiert die Handwerkskammer Stuttgart mit dem in der Toskana liegenden Städtchen Volterra. Dorthin werden jedes Jahr für 3 Monate engagierte Junggesellen und Junggesellinnen aus allen Handwerksberufen gesendet, um mit ortsansässigen Firmen zusammenzuarbeiten. Im Vordergrund steht dabei nicht nur die Weiterentwicklung im eigenen Beruf, sondern vor allem das Sammeln von Erfahrungen mit einer anderen Kultur, das Erlernen einer anderen Sprache sowie das Zusammenleben mit ­Gleichgesinnten.

Von Anfang an war klar: Das wird ein Abenteuer, da die sprachliche Barriere eine große Rolle spielte. Deshalb absolvierten die Programmteilnehmer vorab einen zweitägigen Italienischkurs, um auf erste Fragen gefasst zu sein, denn am 4. Januar 2013 ging es dann endlich los! Die neuen ­Leonardi – so werden wir in Italien liebevoll genannt – wurden von den Volterranern bereits mit Freude erwartet.

Im Naturfreundehaus Volterras wurde für uns Platz geschaffen, hier konnten wir schlafen und uns verpflegen. Das Projekt selbst wird von der EU unterstützt und gefördert – allerdings bekommt man für den Aufenthalt nur ein kleines Taschengeld. Aber der Verdienst darf dabei auch nicht im Vordergrund stehen. Der erste Monat gestaltete sich so: Vormittags wurde im Italienischkurs gelernt, nachmittags gab es ein interessantes Kulturprogramm. So lernten wir schnell die Sprache und die Umgebung kennen. Wir besuchten die Schätze der Baukunst im Ort und auch in der umliegenden Gegend. Wir besuchten umliegende Städte wie San Gimignano, Lucca, Siena, Colle val d`Elsa, Florenz, aber auch Carrara und vor allen Dingen das gigantische Rom. Nach vier Wochen voller Input durften wir endlich mit der Arbeit loslegen. Wir lernten unsere neuen Chefs und die Örtlichkeiten kennen, aber auch die Materialien, die sich oft komplett von unseren unterscheiden. Ganz klar ist, dass sich das italienische Verständnis zu sanieren und die Art zu arbeiten nicht mit den deutschen Auffassungen zu vergleichen sind – auch weil die Objekte aus einer Zeit stammen, von der in Deutschland kaum Gebäude vorhanden sind. Für uns war eigentlich alles komplett neu und einfach total anders.

Auch für mich ging es nun los: Ab in den Betrieb, eine kleine Schreinerei, geleitet von Massimo de Amicis und seinem Vater Dalmazio. Jetzt zählte nur noch das Wissen, das ich von Deutschland hatte und die paar italienischen Wörter, die ich während des Kurses gelernt hatte. Automatisch fängt man an, mit Händen und Füßen zu reden – so wie man es von den Italienern nun einmal kennt. Am Ende eines Arbeitstages brummte mir nicht nur von der Arbeit der Kopf, sondern auch von den vielen neuen Eindrücken und vor allem von dem ständigen Übersetzen und Nachfragen, weil einem mal wieder die Worte fehlten. Das Wörterbuch war jedenfalls immer mit in der Werkstatt dabei.

Gemeinsam mit zwei Schreinern war unsere Aufgabe, Fenster, Zimmertüren und ein großes Tor anzufertigen.

Und schon in der ersten Arbeitswoche musste ich alles ablegen, was ich während meiner Ausbildung gelernt hatte: Alles war irgendwie anders und viele von uns benötigten lange, um die eben etwas andere Art zu arbeiten zu akzeptieren. So ging es auch den Stuckateuren, den Schreinern, dem Elektriker und den Malern.

Eine Gruppe von uns arbeitete in der Badia Camaldolese, die Camaldolenser Abtei aus dem 11. Jahrhundert, die andere Gruppe im historischen Rathaus, der „Comune“. Dort wurde ein gesamtes Stockwerk saniert – immer mit Rücksicht auf den Denkmalschutz, der in Italien sehr groß geschrieben wird. Bereits beim Entrümpeln in der Comune kamen die Probleme zum Vorschein: Der Estrich konnte nicht gegossen werden, da die Belastungsgrenze des Bodens nicht eingehalten werden konnte. Außerplanmäßige Arbeiten mussten also vorgezogen werden, bevor wir mit den eigentlichen Vorarbeiten beginnen konnten.

Auch in der Badia, also der historischen Abtei, mussten zunächst die zu sanierenden Kellerräume entrümpelt werden. Danach wurde der Putz von den Wänden entfernt und das Mauerwerk freigelegt und sichtbar gemacht. Auch der Boden wurde tonnenweise um Erde erleichtert – anpacken mussten alle. So lernte man die anderen Berufe und deren Tätigkeiten kennen.

Für mich selbst ging es direkt mit der Fenster- und Türenproduktion los. Die italienische Art, Fenster zu bauen unterscheidet sich komplett von der unseren. Das liegt daran, dass es hier nicht so viele Vorschriften, wie zum Beispiel in der Wärmedämmung oder beim konstruktiven Wetterschutz gibt – ganz klar sind hier auch die Wetterbedingungen anders.

Alles in allem war es eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und die, trotz mancher Verständigungsprobleme, auf jeden Fall nur positiv war. Der Aufenthalt hat mich in vielen Dingen weitergebracht und zum Nachdenken angeregt. Was die Arbeit betrifft, könnte ich mich an die dortigen Gewohnheiten gewöhnen – schon allein weil ich immer das Gefühl hatte, dass die Menschen dort glücklicher und zufriedener sind. Mir ist extrem aufgefallen, dass der Handwerker und das Handwerk dort noch einen Wert hat und der Kunde sich freut, einen zu sehen. Das vermisse ich hier in Deutschland ein wenig.

Auf jeden Fall habe ich durch dieses Projekt viele neue Freunde gefunden – seien es die anderen „Leonardi“, aber auch meine Chefs und die Naturfreunde. Irgendwie ist das alles für mich wie eine zweite Familie geworden, eine italienische eben. Der Kontakt nach Italien besteht noch bis heute, auch um die Sprache nicht zu vergessen. Nach dem dritten Monat wäre man eigentlich so weit gewesen, alles zu verstehen und sich auch äußern zu können, doch dann war der Aufenthalt leider schon vorbei.

Zurück in Deutschland ging der Alltag wieder los: Ich kehrte in meinen heimischen Betrieb zurück, um noch etwas Erfahrung zu sammeln für den im nächsten Jahr bevorstehenden Meisterkurs. Denn es soll in meinem Berufsleben weitergehen – ich will noch mehr sehen, lernen und ­erleben. —

* Hai Capito? heißt übersetzt „Hast du verstanden?“

Tabea Klose

Mehr Infos zum Projekt

Die TeilnehmerInnen des Leonardo-Projekts in ­Volterra präsentieren im Internet ihre Eindrücke, ­Erfahrungen und Berichte. Wer sich selbst für das 3-monatige Praktikum in Italien interessiert: bewerben kann man sich direkt bei der Handwerkskammer Stuttgart ( https://www.hwk-stuttgart.de/view?onr=67 ).

http://www.amici-del-leonardo.de