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Glasdickenbemessung nach der neuen DIN 18008

Was ändert sich?

Mit der neuen Normenreihe DIN 18008 [1, 2, 3, 4] werden in naher Zukunft die Technischen Regeln für die statische Berechnung von Verglasungen [5, 6, 7] abgelöst. Zur Vereinheitlichung des Nachweiskonzeptes mit den anderen Baustoffen, die im Zuge der europäischen Harmonisierung zum großen Teil seit dem 01.07.2012 in den meisten Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt sind, mussten vielfältige Weiterentwicklungen bei den komplexen Bemessungskonzepten berücksichtigt werden.

Im Gegensatz zu dem bei anderen Baustoffen vielfach stark kritisierten, angestiegenen Normenumfang bleibt die Norm im Glasbau sehr übersichtlich. Allerdings sind nun bei der statischen Bemessung vertiefte Kenntnisse zur Beurteilung der Ergebnisse notwendig. Das liegt vorwiegend am ge­-wählten Bemessungskonzept mit Teilsicherheitsbeiwerten, wonach die verschiedenen Einwirkungen mit dazugehörigen Lasten sowohl die Beanspruchung (Ed) des Glases, als auch dessen Materialfestigkeit (Rd) beeinflussen.

Der einfache Nachweis nach Gl. (1), dass die Beanspruchung kleiner oder gleich der Beanspruchbarkeit (hier Bemessungsfestigkeit) sein muss, ist nun aufgrund der umfangreichen Kombinationsmöglichkeiten aus verschiedenen Einwirkungen, wie Wind-, Schnee-, Klima- und Nutzlast, auch mit langjähriger Erfahrung nicht offensichtlich. Deshalb lassen sich wirtschaftlich optimierte Ergebnisse für die Verglasungen nur noch mit Softwareunterstützung errechnen. Nachfolgend die Formel für den Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) [8]:


Ed = Bemessungswerte der Beanspruchung aus verschiedenen „Einwirkungsdauern“: ständig, kurz, mittel (z.B. Zugspannungen)

kc = Beiwert zur Berücksichtigung der Konstruktion (meist gilt kc = 1,0; bei Verglasungen ohne thermische Vorspannung gilt kc = 1,8)

kmod Modifikationsbeiwert der kürzesten Einwirkungsdauer, (z.B. „Wind“)

f1 Abminderungsfaktor von fk (z.B. bei Emaillierung f1 = 0,6)

f2 Erhöhung von fk (bei Verbundglas f2 = 1,1)

f3 Abminderungsfaktor von fk, wenn freier Rand vorhanden (f3 = 0,8)

fk charakteristischer Wert der Biegezugfestigkeit des Glases

γM Materialsicherheitsbeiwert γM = 1,5 (ESG, TVG); γM = 1,8 (Float)

Der Bemessungswiderstand des Glases (Rd) nach Gl. (2) hängt von einigen Faktoren ab, die jedoch in ähnlicher Form aus den geltenden Technischen Richtlinien schon bekannt sind. Bei Floatglas wird in der DIN 18008 nun die abnehmende Festigkeit bei wachsender Lasteinwirkungsdauer durch einen Modifikationsbeiwert (kmod) direkt berücksichtigt. Somit ist jedoch jeder Einwirkungskombination eine individuelle Glasfestigkeit zuzuordnen.

Nach dem Schaubild sind die Einwirkungen eine Funktion der Zeit (Dauer der Lasteinwirkung). Die Lasten sind hingegen als eine Funktion definiert, welche Angriffsort und Betrag beinhalten. Flächen-, Linien- und Punktlasten sind nun den Einwirkungen zuzuordnen, weil hierin die Sicherheits-, Kombinations- und Modifikationsbeiwerte (Υ, Ψ, kmod) verankert sind.

Das neue Nachweiskonzept der DIN 18008 bringt nunmehr für die praktische Anwendung einige Besonderheiten mit sich. Die Einwirkungen (Ed) sind nun als Bemessungswerte mit den dazugehörigen Teilsicherheits- und Kombinationsbeiwerten zur Verfügung zu stellen.

Das ändert sich bei der Bemessung von Isolierglas

Beispielsweise ist bei Isolierverglasungen die „Klimalast“ in deren Bestandteile zerlegt worden (Schaubild). Unübersichtlich wird die Betrachtung dadurch, dass der Anteil aus Temperaturänderung und Änderung des meteorologischen Luftdrucks als veränderliche Einwirkung mit einem Sicherheitsbeiwert von ΥG =1,5 und der nach Norm festgelegte Höhenunterschied mit ΥG =1,35 zu belegen sind. Selbst bei Kenntnis des Produktions- und Einbauortes soll eine 35%ige Sicherheit angesetzt werden. Da es aber bei einem Höhenunterschied keine Streuungen gibt, die es abzusichern gilt, ist aus praktischer Sicht auch ein Sicherheitsbeiwert von ΥG = 1,0 denkbar.

Weiterhin existieren mit dieser Normenreihe für die Einwirkungen Klimalast Sommer (KLS) und Klimalast Winter (KLW) zwei ständige Anteile, die laut Norm jeweils ständig wirken sollen. Somit müssen bei der Bemessung ­intern zwei Berechungen für eine Verglasungseinheit durchgeführt ­werden, denn KLS und KLW müssen sich gegenseitig ausschließen. Nimmt man noch die Nachweise bei Isolierglas mit Verbundglas unter vollem Verbund hinzu, ergeben sich schon vier Nachweissysteme für eine Isolierglaseinheit.

In der Norm sollte eine Vereinfachung zur Klimalast folgen, wonach diese als veränderliche Einwirkung mit einheitlichen Beiwerten etwa wie „Temperaturbelastung“ zu betrachten ist.

Für Vorverformungen, die nach Norm den ständigen Einwirkungen (siehe Tabelle) zuzuordnen sind, sollte der Sicherheitsbeiwert auch ΥG = 1,0 statt 1,35 betragen. Für Vorverformungen gelten einzuhaltende Maßtoleranzen, die nicht mit einer zusätzlichen Sicherheit belegt werden müssen, zumal dann eine 35 %ige Sicherheit sehr fraglich erscheint.

Die Kombinationsbeiwerte berücksichtigen die Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Auftretens von mehreren veränderlichen Einwirkungen. Beispielsweise werden im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) bei gleichzeitiger Wirkung von Wind- und Schneelasten jeweils nur 60 bzw. 50 Prozent für die zweite veränderliche Einwirkung angesetzt. Die bekannten Formeln „w + s/2“ bzw. „s + w/2“ sind somit weiterhin im verfeinerten Nachweiskonzept enthalten.

Für den Verformungsnachweis im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) müssen im Glasbau die Kombinationsbeiwerte Ψ0 (seltene Bemessungssituation) benutzt werden, weil der im Massivbau übliche Beiwert Ψ2 (quasi-ständige Bemessungssituation) bei Windlast zu keiner Verformung führen würde.

Ausblick

Mit der Überführung des Nachweiskonzeptes mit globalem Sicherheitsfaktor zu dem differenzierten Teilsicherheitskonzept besteht nun die Möglichkeit, das vielschichtige Zusammenspiel zwischen den Einwirkungen und den Widerständen besser einzuschätzen. Dadurch lassen sich die stochastischen Charaktere von Einwirkungen sowie Materialeigenschaften getrennt erfassen. Mit der Differenzierung zwischen günstiger und ungünstiger Auswirkung werden zu hohe Sicherheitsabstände aber auch Sicherheitsdefizite bei der Anwendung bisheriger globaler Sicherheiten vermeidbar.

Allerdings steigt damit der Aufwand für statische Nachweise erheblich an, welcher nur mithilfe von Computerprogrammen in wirtschaftlichen Grenzen bleibt. Eine „Handrechnung“ ist in angemessener Zeit somit nur noch für vergleichsweise einfache Glaskonstruktionen für ausgewählte Bemessungssituationen durchführbar. —

Tipp der Redaktion: Die Literaturangaben zum Beitrag finden Sie auf https://www.glaswelt.de/. Dort im Suchfeld rechts oben einfach den Webcode 1137 eingeben.

Dr.-Ing. Frank Purtak, Trag Werk Ingenieure

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