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Klassifizierung von ESG-Vorspannöfen

Vorspannen hat viele Namen, doch was steckt dahinter?

_ Um die unterschiedlichen Vorspannsysteme besser zu verstehen, vorab ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung des Glasvorspannens, das bereits im Jahre 1875 durch Francoise Royer de la Bastie seinen Anfang nahm und von einer modernen Vorspannanlage des Jahres 2014 meilenweit entfernt war.

In den 1960er Jahren bis Anfang der 1980er Jahre dominierten die vertikalen Vorspannanlagen (auch Zangenöfen genannt). Das Glas wurde vertikal mittels Zangen aufgehängt und dann erst in dem Ofen erhitzt und dann in den ebenfalls vertikalen Quench (Vorspannstation) zum Vorspannen eingefahren (Bild 01).

Zur besseren Luftverteilung wurden hier die Blaswände je nach Bauart vertikal oder horizontal während des Vorspannvorganges bewegt, um die Anisotropien zu verringern. Bild 01 zeigt einen typischen Aufbau einer vertikalen Vorspannanlage für Flachglas (ESG-Anlage).

Die optische Qualität des Glases war hervorragend, weil das Glas berührungsfrei durch die Anlage gefahren wurde. Jedoch prägten sich die Aufhängepunkte der Zangen im Ofen in das weiche Glas ein und hinterließen die oft geschmähten „Zangenabdrücke“ im Glas.

Ende der 1970er Jahr begannen bereits die horizontalen Vorspannanlagen eine echte Konkurrenz zu den vertikalen Anlagen zu werden. Diese Vertikalanlagen waren schneller und einfacher zu bedienen, man hatte keinerlei Zangenabdrücke und andere Verformungen, die durch die Schwerkraft in den vertikalen Anlagen erzeugt wurden.

Bei diesen Anlagen oszillierte das Glas auf Keramikrollen im Heizofen so lange hin und her, bis die nötige Temperatur zum Vorspannen erreicht wurde, um dann in der Quench (Vorspannstation) vorgespannt und abgekühlt zu werden. Bild 02 zeigt den typischen Aufbau einer horizontalen ESG Anlage

Wenn Wärmestrahlung das Glas erhitzt

Bei den horizontalen wie auch bei den vertikalen ESG Anlagen wurde das Glas mittels Wärmestrahlung, erzeugt durch elektrische Widerstandsheizungen, aufgeheizt.

Während bei den vertikalen Anlagen die Aufheizung des Glases gleichmäßig von beiden Seiten erfolgte, wurde bei den horizontalen Anlagen das Glas durch den Kontakt mit den Rollen schneller von unten aufgeheizt als von oben, wo es nur durch die Strahlung aufgeheizt wurde. Bild 03 zeigt das Glas im Ofen, das von unten her schneller aufgeheizt wird.

Dieses Schüsseln des Glases erzeugte allerdings Rollenabdrücke im Glas, die nach dem Vorspannen im Glas sichtbar blieben. Reine Strahlungsöfen stießen hier schon sehr schnell an physikalische Grenzen, um das schnellere Aufheizen durch Kontakt zu kompensieren, wurde schon bald die „Heating Balance“ (Wärmeausgleich) eingeführt.

Schnelleres Aufheizen mittels externer Lufteinblasung

Hier wird etwas Druckluft über ein Rohrsystem in den Oberofen eingeblasen, um somit das Glas über die Konvektion von oben genauso schnell aufzuheizen wie von unten durch den Kontakt mit den Ofenrollen. Bild 04 zeigt, wie die Druckluft bei der „Heating Balance“ in den Oberofen eingeblasen wird.

Diese Art von ESG Öfen verdrängte letztendlich die vertikalen Anlagen vom Markt, da die neue Ofentechnik einfach schneller, flexibler und auch leichter zu bedienen (beschicken) war.

Mit Zunahme der Beschichtungen auf den Gläsern, stieß auch diese Art der einfachen Konvektion schnell an ihre Grenzen. Um den neuen Schichten gerecht zu werden, wurde mehr und mehr Luft in den Ofen eingeblasen und zwar nicht nur oben, sondern auch unten. Die ehemalige „Heating Balance“ (Wärmeausgleich) wurde zur „Konvektionsheizung“ hochstilisiert mit mehr Konvektionsrohren im Ofen und verschiedenen Anordnungen, wie quer oder auch längs zur Produktionsrichtung.

Konvektionsöfen erobern den Markt

Mitte der 1990er Jahre kamen die ersten „Vollkonvektionsanlagen“ auf den Markt und das Chaos war perfekt.

Da inzwischen die Konvektion in aller Munde war und auch als das Allheilmittel in der ESG Herstellung angesehen wurde, sprangen die verschiedenen Ofen-Hersteller so schnell wie möglich auf diesen Zug auf und beanspruchten für ihre Anlagen auch das Attribut „Voll- oder Hochkonvektion“, unabhängig von der Methode der Heizung und der Konvektionsführung. Im Wesentlichen gibt es nur zwei Grundarten, wie man Glas im Ofen aufheizt:

  • durch Strahlungsheizung,
  • durch Konvektionsheizung.

In beiden Fällen dienen elektrische Widerstandsheizungen dazu, entweder die Infrarotstrahlung zu erzeugen oder die Konvektionsluft aufzuheizen.

Leider gehen doch die Aussagen der einzelnen Hersteller auseinander, wenn es um die Einordnung der Anlagen geht. Aktuell lassen sich die thermischen Vorspann-Anlagen in vier Typen einordnen.

  • Strahlungsofen
  • Strahlungsofen mit externer Konvektionsunterstützung
  • Vollkonvektionsofen
  • Hybridofen, oben mit Vollkonvektion und unten mit Strahlung, eventuell unten mit externer Konvektion.

Der Strahlungsofen: Beim Strahlungsofen wird das Glas mittels der Wärmestrahlung aufgeheizt.

Diese Ofenart ist inzwischen, bis auf einige ältere Anlagen, vom Markt verschwunden, weil sie nicht mehr in der Lage ist, die modernen Gläser mit ihren unterschiedlichen Beschichtungen in der notwendigen Qualität vorzuspannen. Bild 05 zeigt die Funktionsweise eines reinen Strahlungsofens.

Strahlungsofen mit externer Konvektionsunterstützung: Diese Ofenart ist im Wesentlichen ein Strahlungsofen wie oben beschrieben, jedoch wird hier zusätzlich externe Luft eingeblasen. Hierbei gibt es zwei verschiedene Arten, die Luft im Oberofen einzublasen:

  • quer zur Laufrichtung des Glases (Variante 01),
  • in Laufrichtung des Glases (Variante 02).

Beide Arten haben ihre Vor- und Nachteile, jedoch würde es den Rahmen dieses Beitrages sprengen, im Detail darauf einzugehen. Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass bei der Variante 01 die Luft von außen eingeblasen wird, meist wird hierbei Druckluft verwendet, manchmal auch ein eigenes Gebläse.

Alternativ wird die Luft erst über die Konvektionsführung erwärmt und dann auf das Glas geblasen. Bild 06 zeigt die Luftführung der oberen externen Konvektion. Meist wird hier die Konvektionsluft noch von oben eingeblasen, jedoch gibt es auch eine ganze Reihe von Ofentypen, bei denen zusätzlich noch von unten externe Luft eingeblasen wird (Bild 07).

Vollkonvektionsofen: Dies ist eine der jüngsten Entwicklungen. Die Bilder 08 und 09 zeigen unterschiedliche Modelle bzw. Aufbauschemata für Vollkonvektionsanlagen. Die wesentlichen Merkmale der Vollkonvektion sind wie folgt:

  • das Glas wird über Konvektion aufgeheizt, nicht über Strahlung,
  • die Luft wird im Ofen umgewälzt und nicht von außen zugeführt,
  • der Strahlungsanteil im Ofen ist sehr gering.

Im Vollkonvektionsofen lassen sich beschichtete Gläser (z. B. LowE), ebenso wie Standard-Floatglas ohne Probleme aufheizen.

Vorteile der Vollkonvektion: Die (Auf-)Heizzeiten der Gläser sind vor allem bei LowE-Schichten wesentlich kürzer als die im Strahlungsofen (selbst bei Anlagen mit Konvektionsunterstützung).

Weiter sind die Heizprofile hier nicht so entscheidend für die Glasgüte bzw.Qualität verantwortlich, wie bei einem Strahlungsofen.

Bei Vollkonvektion sind theoretisch Heizzeiten von unter 30 Sekunden/mm Glasdicke möglich. Zum Vergleich: Strahlungsöfen mit Konvektionsunterstützung liegen bei 40 bis 50 Sekunden/mm Glasdicke.

Die Heizzeiten von 30 Sekunden scheitern jedoch meist an der Glas- und Kantenqualität, sodass in der Praxis Heizzeiten von 34 bis 38 Sekunden/mm Glasdicke realistisch sind.

Hybridofenanlagen: Neben den genannten Öfen sind darüber hinaus heute auch noch Hybridanlagen erhältlich: Diese Öfen kombinieren Teile der Vollkonvektion mit Teilen der Strahlungsöfen. In Bild 10 wird das Schema eines Hybridofens gezeigt. Mögliche Verfahren sind:

  • oben Vollkonvektion und im Unterofen Strahlungsheizung,
  • oben Vollkonvektion, im Unterofen Strahlungsheizung plus externe Lufteinblasung.

Es gibt im Markt auch noch weitere Ofensystem, welche sich in der Art des Transportes des Glases im Ofen unterscheiden. Hier wird das Glas teilweise oder ganz auf Luftkissen transportiert, jedoch auch hier erfolgt das Aufheizen des Glases über Konvektion und/oder Strahlung.

Ausblick

Als Kunde sollte man sich vom Hersteller im Detail erklären lassen, welche Art der Konvektionsführung die Anlage hat. Und ob man einen Konvektionsofen wirklich braucht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier einige Fragen, die man unbedingt „abklopfen“ sollte:

  • Wie groß ist aktuell der Anteil an LowE-Schichten im Produktspektrum?
  • Wie groß wird der Anteil von LowE-Schichten in 3 bis 5 Jahren sein?
  • Was habe ich für eine durchschnittliche Glasdicke im Produktspektrum (je dünner diese ist, desto höher ist die Ausbringung eines Vollkonvektionsofens)?
  • Welches Budget habe ich für den Ofen und für seine Nebenkosten (Schallschutz)?

Im Zweifel sollte der interessierte Verarbeiter und potenzielle Ofenkäufer einen professionellen Berater hinzuziehen. Dabei lassen sich unter anderem mögliche verdeckte oder nicht ganz offensichtliche Kosten klären, die im Zuge einer Anschaffung auftreten. Das hilft bereits im Vorfeld unnötige Kosten und vor allem Ärger zu vermeiden. Denn steht der Ofen erst einmal in der Produktion, ist es zu spät solche Fehler zu korrigieren.—

Der Autor

Hermann Frey arbeitet als freier Berater in der Glasindustrie, besonders im Bereich ESG Öfen. Des Weiteren vertritt er die Firmen Landglass ESG-Anlagen, Ashton - Säumanlagen und Goldglass – automatische Sprühanlagen für keramische und organische Farben

http://www.hermann-frey-consulting.de

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