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Interview mit Sebastian Dengg

Sicherheitsgläser für maximalen Schutz gegen Naturgewalten

GW – Sehen Sie heute einen wachsenden Bedarf an Sicherheitsgläsern für Fenster und Fassaden gegenüber früher?

Sebastian Dengg –Tatsächlich entwickeln sich neue Bedrohungsszenarien, die auch mechanische Belastungen durch extreme Wetterereignisse umfassen. In Regionen, die häufig von Unwettern, starken Winden oder Hurrikans betroffen sind, gewinnen entsprechende Sicherheitsgläser zunehmend an Bedeutung. Hierbei sind nicht nur Widerstandsfähigkeit gegen Einbruch und Beschuss gefragt, sondern auch die Fähigkeit, den extremen Windkräften sowie Regen, Hagel und umherfliegenden Trümmern - man spricht hier auch von Windtreibgut - standzuhalten. Letzteres ist beispielsweise in Küstengebieten relevant. In den USA wird z.B. der ASTM E1886 Test angewendet, bei dem Sicherheitsgläser auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Windtreibgut und umherfliegenden Trümmern geprüft werden. Hier wird u.a. auch getestet, ob bei extremen Stürmen umherfliegende Gegenstände eine Scheibe durchschlagen können.

GW – Reicht es bei solchen Test aus, nur die Fenster- und Fassadengläser zu prüfen?

Dengg – Nein. Entscheidend ist, dass nicht nur die Glasfläche selbst, sondern das gesamte System aus Glas, Glasanbindung, Rahmen und Befestigungen berücksichtigt wird, um den geforderten Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden.

GW – Bitte erläutern Sie das etwas näher.

Dengg –  Es bedarf einer engen Verzahnung von Sicherheitsglas mit speziell verstärkten Rahmensystemen und Befestigungen sowie speziellen Wandanbindungen, um solchen Belastungen dauerhaft widerstehen zu können. In diesem Zusammenhang können auch Materialien wie Polycarbonat eine Rolle spielen, um die Energie von Aufprallen zu absorbieren und auf die Scheibenfläche zu verteilen.

GW – Welche Art von Sicherheitsgläsern sehen Sie im Aufwind, und Sie haben Polycarbonat angesprochen, können Sie das etwas detaillierter erklären?

Dengg – Bei den hier angesprochenen Sicherheitsgläsern, bleiben Verbundsicherheitsgläser (VSG), die aus mehreren Glasschichten bestehen, welche durch (Sicherheits-)Folien miteinander verbunden sind, weiterhin führend. Das gilt insbesondere, wenn größere Formate gefordert werden oder wenn das Glas erhöhte statische Belastungen aufnehmen muss.. Dann gibt es noch Hybrid-Scheiben, bei denen Polycarbonat-Schichten in den Scheibenaufbau integriert werden. Solche Lösungen sind ebenfalls von wachsender Bedeutung. Die Kombination aus Glas und Polycarbonat kann es ermöglichen, hohe Widerstandsklassen zu erreichen, während gleichzeitig das Gewicht des Glases reduziert wird – was bei der Resilienz gegenüber mechanischen Belastungen wie den Auswirkungen von Hurrikanen oder starken Windböen von Vorteil ist.

GW – Solche Polycarbonat-Gläser wurden doch bisher insbesondere für beschusshemmende Verglasungen verwendet, richtig?

Dengg – Ja. Doch darüber hinaus leistet Polycarbonat noch einiges mehr: Es bietet in Verbindung mit Glas nicht nur einen Schutz gegen Beschuss, sondern auch gegen die Auswirkungen von äußeren mechanischen Kräften, wie sie durch extreme Wetterereignisse verursacht werden können. Und diese neuen Anforderungen, mit ausgelöst durch den Klimawandel, betreffen nun auch Bestandsgebäude in Regionen, die frühen solchen Extremwettern kaum oder deutlich seltener ausgesetzt waren. Dort wird das Thema Nachrüstung interessant. Und bei der Nachrüstung können ­Polycarbonat-Verbundgläser eine wichtige Option darstellen, um gesteigerte Sicherheits­anforderungen zu erfüllen.

GW – Sind solche hybriden Polycarbonat-Gläser teurer als vergleichbare VSG-Lösungen?

Dengg – Das kommt darauf an, welche bzw. wie man die Kosten betrachtet: Auch wenn eine reine Glas-Lösung ohne Polycarbonat wirtschaftlicher sein kann, lohnt sich doch die Überlegung auf eine Hybrid-Lösung zu setzen. Wird ein Polycarbonat-Glas verwendet, muss das Rahmensystem insgesamt ein geringeres Gewicht tragen, das bedeutet es kann kompakter ausgeführt werden, ebenso die zugehörigen Bänder. Es ist auch möglich, dass Bestandsrahmen erhalten bleiben können und lediglich das Glas - mit einigen Erweiterungen - ausgetauscht werden muss. Vor diesem Hintergrund bieten Hybrid-Lösungen einige Vorteile, dazu kommt die ­gute Performance hinsichtlich der Schlagzähigkeit und Widerstands­fähigkeit bei extremen Wetterbedingungen. Obwohl eine reine Glaslösung in der Anschaffung möglicherweise günstiger ist, bietet die Hybrid-Lösung langfristig Vorteile in Bezug auf Widerstandsfähigkeit und geringere Wartungskosten, insbesondere in Regionen mit extremen Wetterbedingungen.

GW – Wenn Sicherheitsgläser mit Blick auf Klima­einflüsse verbaut werden, kommen dann noch weitere Faktoren hinzu?

Dengg – Neben den Klimafaktoren sehe ich generell steigende Sicherheitsanforderungen. Diese sind auf ein generell wachsendes Sicherheitsbewusstsein in der Gesellschaft zurückzuführen, um Gebäude vor verschiedenen Bedrohungen zu schützen. In urbanen Gebieten und bei öffentlichen Gebäuden wird deshalb verstärkt auf Sicherheitsverglasungen gesetzt, die auch gegen Einbruch und Beschuss schützen.

Das Interview führte Matthias Rehberger

Foto: Sebastian Dengg


Sebastian Dengg, Personen­zertifizierter Sach­verständiger für Sicherheits­technik DIN EN ISO/IEC 17024:2012

Über Sebastian Dengg

Sebastian Dengg ist Experte für Hochsicherheitsgläser und mechanische Sicherheitsglassysteme. Er besitzt über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und Entwicklung solcher Systeme.

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