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künstliche Intelligenz für die Glasbranche

So hilft AI den Glasverarbeitern beim Zählen

Dr. Michael A. Kraus und Dr. Michael Drass von der M&M Network-Ing UG beschäftigten sich seit längerem mit „Artifical Intelligence“ und wie sich diese in der Glasverarbeitung, im konstruktiven Glasbau sowie für den Fassadenbau einsetzen lässt. Eines der Projekte ist ein eigens entwickeltes Tool zur Vorhersage des sogenannten Pummel-Wertes für VSG-Scheiben. Nachfolgend finden Sie dazu erste Ergebnisse. Das Projekt soll zudem die Branche für das Thema KI und Glas sensibilisieren, um künftig gemeinsame Entwicklungen in diesem Bereich voranzutreiben.

01: Klassische Vorgehensweise zur Bestimmung des Pummel-Wertes

Bild: M&M Network-Ing

01: Klassische Vorgehensweise zur Bestimmung des Pummel-Wertes

Warum ein AI Pummel-Tool?

Im konstruktiven Glasbau kommen häufig Verbundglas bzw. VSG zum Einsatz, um aus statischer Sicht eine ausreichende Tragfähigkeit und ferner eine Resttragfähigkeit aufzuweisen. Um den Haftgrad der Polymerfolie zum Glas zu bestimmen, wird bei der Herstellung von Verbundglas / Verbundsicherheitsglas im Rahmen der werkseigenen Produktioskontrolle sogenannte Pummel-Tests durchgeführt.

Bei diesen Tests wird ein Verbundglas, bestehend aus zwei Floatglasscheiben mit einer maximalen Dicke von 2 × 4 mm, auf einem schrägen, metallischen Untergrund platziert und mit einem Hammer bearbeitet (to pummel = hämmern).

Das zerstörte Glas wird dann visuell auf Basis von individuellen Erfahrungswerten beurteilt. Der Adhäsionsgrad wird in Pummel-Werte von 0 bis 10 pro freiliegender Folienoberfläche bzw. anhaftenden Glassplittern eingeteilt, wobei höhere Werte ein besseres Adhäsionsverhalten beschreiben (Bild 01).

Da die Auswertung des Pummel-Wertes stets durch Menschen erfolgt, liegt hier kein objektives Kriterium zur Bewertung des Haftgrads vor. Ferner werden durch die visuelle Begutachtung der gepummelten Glasscheiben menschliche Ressourcen verschwendet, was ein erhebliches wirtschaftliches Optimierungspotenzial birgt.

Final ist festzuhalten, dass die tagtägliche Durchführung des Pummel-Tests, inklusive der Begutachtung, zwar von großer Wichtigkeit ist, aber sehr monoton und wenig motivierend für die Mitarbeiter ist. Hier sind wir der Auffassung, dass ein automatisierter Pummel-Test mit automatischer Auswertung der Bruchbilder über KI Abhilfe schafft und so innerhalb der Betriebe mehr Zeit für andere Tätigkeiten ermöglicht.

Ein Beispiel für verschiedene Pummel-Werte zeigt Bild 02. Hier wurde auf die sogenannte Pummel-Skala von Kuraray Europe zugegriffen, in der für jeden Pummel-Wert ein charakteristisches Bild dargestellt wird.

Diese Pummel-Skala dient ursprünglich dazu, die Verarbeiter bei der Klassifizierung der gepummelten Scheiben zu unterstützen. In unserem Fall wurde jedoch die Pummel-Skala als Datengrundlage verwendet, um ein AI-Tool zu entwickeln, das Prognosen zum Pummel-Wert abgibt. Die eigentliche Arbeit in der werkseigenen Produktionskontrolle liegt also darin, die Pummelbilder in die einzelnen Klassen einzuordnen.

02: Gepummelte Glasscheiben und Angabe des entsprechenden Pummel-Wertes

Bild: Kuraray Europe GmbH

02: Gepummelte Glasscheiben und Angabe des entsprechenden Pummel-Wertes

Das leistet das KI Tool

Im KI-Kontext ist die Kontrolle der Pummelbilder ein „simples“ Klassifizierungsproblem. Jedes Klassifizierungsproblem hat einen Input, der gleichzeitig gelabeled ist. Das heißt, beim Training des KI Tools muss jedes Bild einer gepummelten Scheibe bereits einer bestimmten Pummel-Klasse (Label) zu­geordnet werden (Bild 02). Bei dem KI Tool handelt es sich um ein neuronales ­
Netz (NN). Mit Hilfe des trainierten NN’s ist es dann möglich, ein beliebiges Pummel-Bild einzulesen und die Pummel-Klasse inklusive einer Unsicherheitsquantifizierung zu prognostizieren. Dies entspricht der Methodik des supervised learning, da man die KI bewusst nur auf die Pummel-Skala als Labels bzw. Outputs einschränkt.

Erste Ergebnisse zeigen eine Prognosewahrscheinlichkeit der richtigen Klassifizierung des Pummel-Wertes von über 80 %. Da jedoch nur wenige Daten zum Training des neuronalen Netzes zur Verfügung standen, kann man von einem deutlichen Performance-Gewinn ausgehen, wenn mehr Daten zur Verfügung stehen.

Das AI Tool ist in der Lage, bisher unbekannte Bilder in die richtigen Pummel-Klassen einzuordnen. Die Genauigkeit des Klassifizierungsalgorithmus lässt sich anschaulich über eine sogenannte Confusion-Matrix darstellen (Bild 03). Jede Zeile der Matrix repräsentiert hier die über KI vorhergesagten Pummel-Werte, während jede Spalte den tatsächlichen, vom Hersteller definierten Pummel-Wert angibt.

Die Matrix zeigt, dass das trainierte Tool die Pummel-Werte richtig klassifizieren kann. Beim Pummelwert 1, 3, 5, 7, 9 liegt die Genauigkeit der Vorhersage bei über 92 %. Das schlechteste Resultat ergibt sich für den Pummel-Wert von 6, bei dem eine Genauigkeit von 63 % festgestellt wurde.

Je größer die Datenmenge ist, auf die das AI Tools zugreifen kann, desto besser wird seine Performance und die Robustheit des Algorithmus.

Weitere Anwendungen von KI in der Glasveredlung liegen z. B. in der Prädiktion der Kantenfestigkeit von Glas auf Basis der Schneid-Prozessparameter wie Schneidgeschwindigkeit, Schneiddruck, etc. Über KI-Regressionsmodelle ist es mit hoher Genauigkeit möglich, die Festigkeit zu prognostizieren ohne einen destruktiven Test durchzuführen. Aktuell entwickelt das Start-up M&M Network-Ing gemeinsam mit Kuraray Europe KI-basierte Software für spezifische Anwendungen im konstruktiven Glasbau.

03: Darstellung der „Confusion“-Matrix für die KI-basierte Vorhersage des Pummelwerte

Bild: M&M Network-Ing

03: Darstellung der „Confusion“-Matrix für die KI-basierte Vorhersage des Pummelwerte

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