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Denkmalschutz

Alte Fenster erhalten energieeffizientes Neubau-Niveau

Aus Sicht der Denkmalpflege gelten historische Gebäude in ihrer Gesamtheit als erhaltenswert. „Die alten Fenster und ihre Glasscheiben zählen dabei zu den essentiellen Bestandteilen und prägen das Erscheinungsbild der Fassaden“, so Prof. Dr. Ralf Kilian vom Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Benediktbeuern.

Gerade Glasscheiben, die mit historischen Techniken wie dem Zylinder­glas-Verfahren hergestellt wurden, haben ein besonders lebendiges Aussehen in An- und Durchblick. So war es eine logische Konsequenz, im Rahmen eines Forschungsvorhabens gezielt nach innovativen ­Lösungen für die Ertüchtigung von historischen Bestandsfenstern unter den Aspekten des Klimaschutzes zu suchen. Im Fokus des ­Projekts standen für die Forschenden daher vordergründig zwei Fragen:

  • In welchem Verhältnis steht eine ressourcenschonende ­Ertüchtigung von Bestandsfenstern im Vergleich zu deren Austausch?
  • Welche Optionen gibt es zu deren Erhaltung?
  • Ohne Eingriff in Wand und Fensterbrett nachträglich ­eingebautes Kastenfenster.

    Foto: Fraunhofer IBP

    Ohne Eingriff in Wand und Fensterbrett nachträglich ­eingebautes Kastenfenster.
    Historisches Kastenfenster in Wessling.

    Foto: Fraunhofer IBP / Ralf Kilian

    Historisches Kastenfenster in Wessling.

    Das waren die Schlüsselkriterien

    Für die Erarbeitung guter und effizienter Lösungen waren der Ressourcenverbrauch, der Aufwand an Primärenergie und die Recyclingrate, die bei der Ertüchtigung alter Fenster entsteht, von entscheidender Bedeutung. Letzterer gebührt besondere Aufmerksamkeit, denn aufgrund unterschiedlicher Herstellungsprozesse sowie Qualitäten der eingesetzten Rohstoffe weisen historische Glasscheiben eine in der Regel unbekannte Zusammensetzung, insbesondere im Hinblick auf Schwermetalle, auf. Eine Rückführung in moderne Produktionsketten ist daher nicht ohne Weiteres möglich. In der Folge entstehen große Mengen an Abfallglas.

    So sollte die Ertüchtigung von Bestandsfenstern am Beispiel adaptiv vorgesetzter Fenster getestet und messtechnisch beurteilt werden. Testfeld hierfür war die Alte Schäfflerei, ein historisches Gebäude aus der Zeit um 1760 am Kloster Benediktbeuern. Im Detail wurden Fensterkonstruktionen aus der Zeit vor 1960 unter dem Aspekt bearbeitet, dass sie heutigen energetischen und denkmalpflegerischen Kriterien genügen und weiterverwendet werden können. Zentrale Betätigungsfelder waren dabei die Entwicklung zeitgemäßer Konstruktionen und deren modellhafter Einbau sowie eine messtechnische Evaluierung in der Alten Schäfflerei.

    Vorteil dieser Ertüchtigungsvarianten ist die ressourcenschonende Erhaltung der Bestandsfenster. Dabei werden Wärmeverluste minimiert und der Wärmebedarf und CO2-Fußabdruck gesenkt. „Wir konnten zeigen, dass wir durch die Erweiterung mit Isolierglas und eine zusätzliche Fensterebene den Neubaustandard erreichen können, bei gleichzeitigem Erhalt und Weiternutzung des bestehenden alten Fensters“, erklärt Ralf Kilian.

    Um eine Nachhaltigkeitsbewertung analog zu modernen Gläsern durchführen zu können, standen nicht nur die Materialien selbst, sondern vor allem die historischen Herstellungsschritte im Fokus der Forschungsarbeiten – um schließlich die gebundenen Treibhausgas-Emissionen vergleichen zu können.

    „Für die historischen Glasherstellungsverfahren haben wir nicht nur die Produktionsstandorte und zugehörige Rohstoffquellen ermittelt, sondern auch die Prozessabläufe für die Ökobilanz“, erläutert Prof. Dr. Paul Bellendorf von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Dabei spielen zudem der Feuerungsmitteleinsatz und die Ofenkonstruktionen eine entscheidende Rolle.

    Sind die Ergebnisse auf andere Gebäude übertragbar?

    Die Forschungsergebnisse sind in einem Leitfaden zusammengefasst, der Mitte Juni 2021 auf der Tagung „Innovative Lösungen für die energetische Ertüchtigung historischer Gläser und Glasfenster“ vorgestellt wurde. In der Handreichung wurde ein Verfahren der Qualitätssicherung im Umgang mit dem Bestand aufgezeigt und Aspekte der Ressourcenschonung und der Umweltbilanz berücksichtigt. Dabei nimmt die Übertragbarkeit und Anwendbarkeit der Ergebnisse auf andere Gebäude eine Schlüsselrolle ein. Die Erkenntnisse werden abschließend im Fraunhofer Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege am Kloster Benediktbeuern didaktisch aufbereitet und für die Allgemeinheit visuell dargestellt.

    Tipp: Auf der Projektseite finden Interessierte die Forschungsergebnisse als Leitfaden zur energetischen Ertüchtigung von Bestandsfenstern in historischer Bausubstanz zum kostenlosen Download.

    Bestandsfenster in Holz mit Austausch der Einfachglasscheibe durch ein Isolierglas (links), Schnittzeichnung (rechts).

    Foto: Fraunhofer IBP

    Bestandsfenster in Holz mit Austausch der Einfachglasscheibe durch ein Isolierglas (links), Schnittzeichnung (rechts).
    Erweiterung eines Bestandsfensters mit Einfachglasscheibe zu einem Kastenfenster in Holz mit Futterkasten, Erweiterungen rot dargestellt.

    Foto: Fraunhofer IBP und RSP GmbH

    Erweiterung eines Bestandsfensters mit Einfachglasscheibe zu einem Kastenfenster in Holz mit Futterkasten, Erweiterungen rot dargestellt.

    Diese Fraunhofer Institutionen sind beteiligt

    Das Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Benediktbeuern gibt in der Alten Schäfflerei des Klosters Benediktbeuern durch Forschung, Demonstration, Wissenssammlung und Wissens­vermittlung Antworten auf Fragen zur nachhaltigen und dauerhaften Erhaltung identitätsstiftender Zeugnisse unserer Baukultur.

    Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP und das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB haben das denkmalgeschützte Gebäude der Alten Schäfflerei aus der Mitte des 18. Jahrhunderts als Anschauungsobjekt im Sinne einer „Gläsernen Baustelle“ denkmalgerecht und unter energetischen Gesichtspunkten instandgesetzt und einer neuen Nutzung zugeführt. Damit fördert das Zentrum aktiv den Wissenstransfer zwischen Denkmalpflege, Baupraxis, Forschung und Industrie. Im fachlichen Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit Baudenkmälern, schützenswerter Altbausubstanz und Bauphysik.

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