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Ein Reisebericht aus den USA

Mit Amerika gegen den Umsatzrückgang

Im Oktober habe ich mich für fast drei Wochen auf eine Reise durch die USA begeben. Eigentlich war der Trip als privater Urlaub definiert. Aber immer mit dabei ist ja der typische Blick des Fensterbauers, jeder aus der Branche kennt es: Egal wo man ist, man kann der genaueren Inspektion der Fenster und Türen, denen man auf dem Weg begegnet, einfach nicht widerstehen. Ob das schon zwanghafte Züge sind, ich weiß es nicht, aber wie dem auch sei: Auf meinem Roadtrip kam es oft zufällig zu sehr interessanten Gesprächen mit Menschen aus der Fensterbranche. Meine Tour durch das „Land of the free“ hatte folgende Stationen: New York – Washington D. C. – Nashville – New Orleans.

Die Strecke war bewusst so gewählt, um viele verschiedene Eindrücke mitzunehmen und beinhaltete mehrere Ausflüge in die Umgebung dieser Metropolen. Übernachtet habe ich in voll ausgestatteten Ferienwohnungen, um ein nachvollziehbareres USA-Feeling zu erhalten. Es folgt nun ein kleiner, jedoch etwas anderer Reisebericht – nämlich mit Fokus auf „Fenster“.

Einfachverglasung ist Standard

Da es nicht mein erster Besuch in den Staaten war, kannte ich die Grund­voraussetzungen bereits. Der überwältigende Teil der bewohnten Häuser ist aus Holz in Holzständerbauweise gebaut. Die Fenster sind fast ausschließlich Holz-Schiebefenster mit 1-fach (!) oder max. 2-fach Glasscheiben. Wärmedämmung ist ein Fremdwort und gekühlt sowie geheizt wird in der Regel per Klimaanlage oder Gasöfen. Ermöglicht wird dies durch die nach wie vor im Vergleich niedrigen Energiekosten und ein schlicht fehlendes Verständnis für diese (wie ich im Verlauf meiner Reise noch feststellen werde) doch sehr deutsche Umweltschutz- und Energiespar-Denkweise.

Der amerikanische Fenstermarkt ist stark fragmentiert mit vielen kleineren Unternehmen und einer Handvoll größerer Hersteller. Es gibt vereinzelt spezialisierte Betriebe, die regelmäßig Fenster aus dem europäischen Raum importieren. Die Gesamtbevölkerung von derzeit ca. 340 Millionen ist stets am wachsen und die Nachfrage nach Wohnraum ist ungebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt ca. 27 Billionen US-Dollar.

Offene Fenster sind normal – wenn ­einem zu kalt oder zu warm ist, wird einfach die Gebäudetechnik bemüht.

Foto: Markus Brunner

Offene Fenster sind normal – wenn ­einem zu kalt oder zu warm ist, wird einfach die Gebäudetechnik bemüht.

Die Klimaanlage wird’s schon richten

In meinem ersten Apartment in New York fällt mir sofort auf, dass die Alu-Schiebefenster (2-fach-Glas) sowohl in meiner Wohnung, als auch im gesamten Wohnblock halb geöffnet sind. Selbst als es zu regnen anfing, habe ich niemanden von den Nachbarn die Fenster schließen sehen. Die Tagestemperaturen schwankten zwischen 10° und 20° Celsius.

Unter einem Fenster im Raum befindet sich eine mobile Klimaanlage. Von oben wird sie durch das Schiebefenster eingeklemmt. Seitlich ist hier nur eine provisorische Blende aus Kunststoff eingeschoben. Dicht bzw. isoliert ist definitiv etwas anderes. Ich spreche den Eigentümer darauf an. Er fragt mich daraufhin zweimal panisch, ob die Klimaanlage defekt sei und versteht ganz offensichtlich mein Problem überhaupt nicht.

Deutsche Fenster kaufen? Aber bitte nur mit Montage!

„Wenn Dir kalt ist, dann dreh einfach die Heizung auf“, entgegnet er nüchtern. Dass ich direkt aus dem Fenster heize stört ihn überhaupt nicht. „So kriegt die Wohnung zumindest keinen Schimmel“. Von der Straße hört man selbstverständlich den Lärm – klar, weil das Fenster ja auch offen ist. „Daran gewöhnst Du Dich in New York schnell. Ich nehme den Lärm schon gar nicht mehr wahr.“ Im weiteren Gesprächsverlauf erfahre ich, dass er insgesamt drei solcher Apartments hat. Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könnte, hochwertige deutsche Fenster in diesen Wohnungen einzusetzen. „Schwer vorstellbar, aber ich finde deutsche Produkte allgemein sehr gut. Wir haben Geräte von Miele zu Hause, die sind super. Ich würde es machen, wenn es mir ein Deutscher montieren würde“.

In Big Apple sind Festverglasungen normal

Im Fahrstuhl treffe ich Jill. Sie wohnt im gleichen Block und erklärt mir, dass die meisten Fenster in den Hochhäusern Festverglasungen sind. Sprich, sie werden grundsätzlich nie geöffnet. Viele wachsen damit auf und empfinden es als vollkommen normal, dass man Fenster gar nicht erst öffnen kann. „Frische Luft“ bekommt man über die Klimaanlage. Das wäre auch gesünder, da diese einen eingebauten Filter hat. Bei der New Yorker Stadtluft mag Sie gar nicht so unrecht haben.

Foto: Markus Brunner

Auftragslage bestens, Fachkräfte Mangelware

Ich reise weiter nach Washington D. C. Über einen Freund in die Wege geleitet, treffe ich hier den sehr bullig aussehendem Jeff*, der seit über 10 Jahren bei einem lokalen Fensterunternehmen im Großraum Washington als Projektleiter im Management arbeitet. Die Schiebefenster aus Holz stellen sie selbst her – solange sie dazu in der Lage sind. Bei Termindruck kaufen sie zähneknirschend bei einem größeren Konkurrenten zu. Die Auftragslage sei sehr gut und man wäre auf mehrere Monate ausgebucht. Eine Rezession sieht er nirgends. Der Betrieb ist mit 30 Angestellten überschaubar und die Montage wird größtenteils mit den gleichen Werkern aus der Produktion abgewickelt.

Ich befrage ihn zur Auftragslage, wie es mit Fachkräften aussieht und wie er die Zukunft sieht. Jeff ändert seinen Gesichtsausdruck und möchte im weiteren Verlauf in meinem Artikel anonym bleiben. Er sagt, dass man in Amerika aus jedem Mitarbeiter innerhalb von einer Woche mit „training on the job“ einen Facharbeiter formt. „In unserer Firma arbeitet niemand, der schon einmal Fenster eingebaut hat, geschweige denn weiß, wie man einen Hammer hält. Mein Kollege Schmitty da drüben hat vorher Burger gebraten. Ich war ­ursprünglich Lkw-Fahrer bei der Armee. Unsere Einbauqualität ist meistens Bullshit, es zählt nur, dass wir schnell fertig werden. Aber die Kunden merken das oft erst nach Jahren, wenn sie umziehen oder das Haus wieder verkauft wird. Dann kassieren wir doppelt ab für die Reparatur. An die großen Aluminiumaufträge traut sich unser Chef deswegen nicht mehr ran. Wir machen nur noch unsere Klapperdinger“.

Ich frage ihn, ob er Chancen für hochwertige Fenster aus Deutschland sieht. Es folgt ein klares „YES“ mit einem Hinweis, dass immer mehr Regierungsbeamte in Washington sowie ihre Entourage Unmengen an Geld bekämen und hochwertige Fenster fordern und bezahlen würden. „Ich liebe eure Dreh-Kipp-Spinnerei, aber in den USA brauchst du dafür einfach ein großes Haus mit entsprechend großem Geldbeutel“. Er prognostiziert, dass sich bei jedem 10. Kunden das sicher verkaufen würde.

Fenster: das älteste Bauteil am Haus

Meine nächste Station ist Nashville, Hauptstadt im Bundesstaat Tennessee. Ein Ort, in dem viele Trump-Anhänger zu Hause sind und vieles mental noch sehr ursprünglich gehalten ist. Das Wort „Energieeinsparung“ scheint hier wirklich niemand zu kennen. In meiner Unterkunft finde ich die typischen Holzschiebefenster vor. Was mich am meisten erstaunt, dass die Fenster aussehen, als wären sie Jahrzehnte alt, der Rest der Wohnung aber sehr modern gehalten ist.

Am Abend esse ich stilecht in einem Steak-Restaurant mit zu lauter Countrymusik. Am Nebentisch lerne ich einen für das Lokal viel zu edel angezogenen Cowboyhutträger kennen. „Ich heiße Moe. Mein eigentlicher Name ist nicht so einfach auszusprechen und ich stamme aus dem Libanon. Aber mich nennen seit 20 Jahren, in denen ich in den USA lebe, alle nur noch so“. Moe ist Projektentwickler und Immobilieninvestor wie er sich selbst beschreibt. Er ist mit Grundstücksspekulationen und einem kleinen Netz von Tante-Emma-Läden rund um Nashville zu ordentlich Geld gekommen. „I am living the american dream“, sagte er nicht ohne Stolz. Er erzählt mir vom Häusermarkt in Nashville, welcher noch einer der wenigen ist, der nicht völlig überhitzt ist: „Hier können sich Normalverdiener noch ein ordentliches Haus für ihre Familie leisten. Deshalb wächst die Stadt auch weiter.“ Die Band legt eine Pause ein und ich bekomme die Möglichkeit, ihm meinen Job zu erklären.

Heizen und Kühlen in den USA: Die ­Klimaanlage ist ­allgegenwärtig.

Foto: Markus Brunner

Heizen und Kühlen in den USA: Die ­Klimaanlage ist ­allgegenwärtig.

Tilt and Turn kommt toll an

Danach zeige ich ihm ein Bild von den „Tilt and Turn“ (= Dreh-Kipp) Fenstern aus Deutschland. „Das sieht richtig toll aus! Die Fenster in Holz-Aluminium würde ich sofort bei einem Premiumprojekt nehmen. Made in Germany-Fenster, das lässt sich sicher super vermarkten!“. Er versprüht hierbei eine Begeisterung, die vermuten lässt, dass er die Fenster am liebsten gleich in seinem Pick-up Truck mitnehmen würde. „Aber du brauchst unbedingt einen Ansprechpartner hier vor Ort. Nur von Deutschland aus verschicken wird nicht funktionieren.“

LinkedIn ersetzt den Telefonkontakt

Ich schlage vor, dass wir in Kontakt bleiben und frage ihn nach seiner Nummer. Er schüttelt ironisch den Kopf: „Telefonnummern tauschen ist etwas aus dem letzten Jahrzehnt! In der modernen Welt bleibst du via LinkedIn in Kontakt“. Er gibt mir seinen Profillink per QR-Code und wir verabschieden uns. Bis heute hat er meine Anfrage jedoch nicht angenommen. Offene Arme und schnelle Begeisterung trifft auf eine nicht unübliche amerikanische Unverbindlichkeit.

Immer wieder Klimageräte

Die letzte Station in meiner kleinen Rundreise führt mich nach New Orleans. Das Klima hier ist deutlich wärmer mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit. Aufgrund des schwülen Wetters laufen hier die Klimaanlagen ohne Unterbrechung. Das Ferienhaus befindet sich in Arabi, einem Stadtteil, der als sicher eingestuft wird. Der Großteil der restlichen Stadt leidet unter einer überdurchschnittlich hohen Kriminalitätsrate. Fast alle Häuser sind hier identisch oder sehr ähnlich gebaut. Im Haus finde ich Kunststoffschiebefenster mit 1-fach Glas vor, die den Namen Fenster eigentlich kaum verdienen. Es hat gereicht, die Hand in die Nähe des Rahmens zu halten, um den Luftsog zu spüren. Wenn der Nachbar den Motor angelassen hat, war es, als würde das Auto mitten im Zimmer stehen.

Mit dem Montagetrupp zwischen die Fronten

Einer der Nachbarn outet sich im Gespräch als Angestellter einer Schreiner- bzw. / ​Montagefirma, die auch Fenster reparieren und tauschen. Pawel ist Sohn polnischer Einwanderer und aus Geldnot nach dem Studium in der Firma gelandet. Er schildert: „Der Job ist nicht ungefährlich. Viele meiner Kollegen sind nicht die Fittesten und für den Job körperlich ungeeignet. Die meisten erhalten nur den Mindestlohn plus Erfolgsprämien. Da kann man eben nicht viel erwarten. Es passieren immer wieder schwere Unfälle. Einige sicherlich mit Absicht. Die nehmen sich dann einen spezialisierten Anwalt und versuchen ein hohes Schmerzensgeld einzuklagen. Die gleichen damit wohl die niedrigere Bezahlung aus. Und dann sind da noch die Gang-Gegenden, wo auch geschossen wird und sich nicht mal mehr die Polizei reintraut. Und wir sollen da dann rein, um kaputte Fenster zu tauschen. Erst letzte Woche geriet ein Montagetrupp ungewollt zwischen die Fronten. Das ist total irre.“ Einige Firmen kooperieren sogar mit den Gangs: Wenn es zu wenig Arbeit gibt, wird das mutwillige Zerstören von Fenstern in Auftrag gegeben. Um Arbeit macht er sich folglich keine Sorgen.

Auch ihn frage ich zum Abschluss, wie er das mögliche Geschäft mit deutschen Fenstern sieht. Ich schildere, dass allein der höhere Sicherheitsstandard ein klarer Vorteil gegenüber den US-Fenstern darstellt. Er lacht lauthals und prustet: „Markus, was willst du mit einem einbruchsicheren Fenster in einer Wand, die du mit einem Schraubenzieher auseinandernehmen kannst“. Er erklärt mir jedoch, dass es viele Aufträge von der Stadt bzw. von staatlichen Behörden gab, wo er Fenster aus Österreich verbaut gesehen hat. „Wie die das aber gemacht haben, weiß ich nicht, eigentlich dürfen die aufgrund von der „America First“ Vorgabe der letzten Regierung ja keine Produkte aus dem Ausland nehmen.

Am Ende meiner Reise stelle ich erstaunt fest, wie optimistisch tatsächlich alle Gesprächspartner trotz teilweise deprimierender Gesprächsinhalte waren. Auch fanden alle „Made in Germany“ absolut toll. Chancen gibt es hier ohne Ende, aber man muss sie nutzen. Ich habe vor mittlerweile über 10 Jahren bei meinem damaligen Arbeitgeber Bachl Fenster in Tschechien ein erfolgreiches US-Exportgeschäft aufgebaut.

Nach meiner Reise und der bevorstehenden Lage auf dem deutschen Markt ist der US-Markt für mich wieder interessanter geworden. Dieser Artikel hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. zeigt in keinster Art und Weise ein Gesamtbild vom Potenzial der Fenster „Made in Germany“ in den USA. Mein Text soll im Idealfall inspirieren, um über den Tellerrand hinaus zu blicken und neue Chancen wahrzunehmen.

Ein typischer Straßenzug in New Orleans

Foto: Markus Brunner

Ein typischer Straßenzug in New Orleans
Hier das Fenster, das in solchen Häusern verbaut ist.

Foto: Markus Brunner

Hier das Fenster, das in solchen Häusern verbaut ist.
Die Fenster wirken teilweise älter als das Haus selbst.

Foto: Markus Brunner

Die Fenster wirken teilweise älter als das Haus selbst.

Tipps bzw. Infos für das Engagement in den USA

  • Je nach Bundesstaat sind teure Zertifikate für ­alle angebotenen Profilserien ­nötig (können bis zu 100 000 USD kosten).
  • Ansprechpartner vor Ort persönlich gut kennenlernen und an sich binden; sich nicht durch die nette, oberflächliche Art blenden lassen
  • Feste Standards definieren, sowohl für das Portfolio als auch die Abläufe und nicht davon abweichen.
  • Sich vor Ort ein Bild machen (sich nicht nur auf Aussagen von Agentur oder Agenten verlassen)
  • Export-Expertise aufbauen (seetaugliche Ver­packung sowie Verzollung berücksichtigen)
  • Absolute Liefertermintreue (fixe Container­buchungen)
  • Doppelte Endkontrolle (Reklamationen sind nicht nur teuer, sondern teilweise unmöglich abzu­wickeln)
  • Mittlere Summe an Startkapital fest einplanen
  • Wer ist der Autor Markus ­Brunner

    Markus Brunner ist seit 12 Jahren in der Fensterbranche tätig. Er ist Key-Account Manager bei der EGE GmbH und geschäfts­f. Gesellschafter der IPB-Profile GmbH, die unter anderem für die ­Montagezarge „Optizarge“ und dem Flügelschutz „Clipsi“ bekannt ist. www.ipb-profile.de

    Foto: Markus Brunner