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Im Gespräch mit Werner Jager

„Eine Fassade fertigzustellen, muss noch lange nicht der Schlussstrich sein“

Glaswelt – Was sind die großen Themen im Fassadenbau in den kommenden Jahren?

Werner Jager – Die Gebäudehülle muss zunehmend autark werden und Energie erzeugen sowie über den Nutzungszeitraum die Chance haben, Energie- und CO2-neutral zu werden. Das wird für die gesamte Fassadenbranche relevant werden.

Glaswelt – Wird das nicht zu steigenden Preisen führen?

Jager – Nun, solche Entwicklungen sind auch ökonomisch interessant. Nachhaltige Fassaden lassen sich als Teil eines nachhaltigen Gebäude­konzepts ökonomisch besser darstellen und auch besser vermarkten.
Öko bedeutet Haus und Ökonomie passt zu Ökologie: Werden weniger Baumaterialien, also auch weniger Rohstoffe verbaut, senkt das auch Kosten und ist gleichzeitig ökologischer, schon aufgrund der eingesparten Ressourcen. Allerdings sind die Kosten nicht das Thema, sondern die sorgfältige Planung. Eine unzureichende Planung führt fast zwangsweise zu erhöhten Kosten, die oft weit über das ursprünglich gesteckte (finanzielle) Ziel hinausgehen. Das ist zwar schon heute so der Fall, mit der steigenden Komplexität der Gebäudehülle werden sich die Kosten für Planungsfehler jedoch vervielfachen.

Glaswelt – Wo sehen Sie gravierende Veränderungen für die Fassadenbauer?

Jager – Die Gebäude der Zukunft werden komplexer. Vor diesem Hintergrund müssen sich alle Baubeteiligten, und damit auch Fassadenbauer und -planer, insgesamt mehr Gedanken bei ihren Bauprojekten machen. Die Gewerke müssen früher und vor allem mehr miteinander sprechen. Als Folge der steigenden Komplexität der Bauleistungen wird sich weiter die bestehende Abtrennung nach Gewerken anpassen (müssen) und durchlässiger werden.

Glaswelt – Ein großer Knackpunkt bei der Weiterentwicklung nachhaltiger Gebäude ist doch, dass Investoren billig bauen möchten, was den Interessen der Nutzer häufig entgegensteht, etwa bei teureren Details und Bauprodukten, die jedoch die Betriebskosten senken.

Jager – Gerade bei internationalen Investoren stellt sich häufig die Frage, wie (wenig) man investieren kann, um maximalen Gewinn zu erreichen. Und da haben sie Recht, diese Investoren interessieren sich nicht für die künftigen Betriebskosten, ganz im Gegensatz zu den Nutzern. Insbesondere internationale Investoren sind hier konservativ.

Glaswelt – Wo sehen Sie dann Alternativen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Jager – Es gibt doch auch regionale und lokale Investoren, und da sieht es häufig ganz anders aus. Diese Investoren können und müssen sich vom Wettbewerb absetzen, um sich in ihrem Umfeld zu positionieren. Solche regionalen Investoren wollen eine gute Reputation und haben deshalb häufiger die Motivation, neue, technisch hochwertige Gebäude und Fassadenkonzepte sowie Innovationen umzusetzen. Dazu kommt, dass gute Gebäude eine positive Strahlwirkung in der Region haben. Und das wiederum fördert die Vermarktung solcher Bauwerke.

Im Gespräch: Matthias Rehberger und Wicona Geschäftsführer Werner Jager (r.)

Foto: Matthias Rehberger/GLASWELT

Im Gespräch: Matthias Rehberger und Wicona Geschäftsführer Werner Jager (r.)

Glaswelt – Wo sehen Sie Veränderungen und Chancen für den Fassadenbauer?

Jager – Der Fassadenbauer der Zukunft ist vielleicht oder sogar sehr wahrscheinlich weit mehr als nur Hersteller und Monteur, deshalb sollte er sich Gedanken machen, welchen zusätzlichen Mehrwert er nach der Montage noch generieren kann, etwa im Service. Denn eine Fassade fertigzustellen, muss noch lange nicht der Schlussstrich sein.

Glaswelt – Geben Sie ein Beispiel?

Jager – Ein Riesenfeld an neuen Chancen bietet für den Fassadenbauer die zunehmende Elektronik in der Fassade. Das betrifft die Bauelemente selbst sowie zunehmend auch die Sicherheit. So kann der Fassadenbauer auch die Nachrüstung mit Sicherheitstechnik (Elektronik, Mechatronik) anbieten.
Über die Nutzungsdauer der Fassade müssen dann automatisierte, elektronische Bauteile gewartet werden und bei den Steuerungen sowie bei der angesprochenen Sicherheitstechnik sind Updates notwendig. Diese Felder müssen belegt werden.

Glaswelt – Wo sehen Sie weitere Felder, bei denen sich der Fassadenbauer einbringen kann?

Jager – Das reicht von der Wartung der Fenster und Türen über die allgemeine Instandhaltung bis hin zur Fassadenreinigung etc. Durch solche Serviceleistungen lässt sich mittels Wartungsverträgen über Jahre Geld verdienen. Und als Errichter kennt der Fassadenbauer seine Fassade am besten. Zudem ist er nahe am Planer und am Bauherrn dran. Wenn seine originären Arbeiten fertiggestellt sind, ist es ein guter Zeitpunkt, gleich ein Aftersales-Geschäft mit anzubieten. Diese Chancen gilt es zu nutzen.

Glaswelt – Machen das dann der Fensterbauer bzw. sein Team selbst? Eigentlich haben diese ja andere Kernkompetenzen?

Jager – Solche Zusatzaufgaben müssen ja nicht zwangsläufig von den Fassadenspezialisten übernommen werden. Hier besteht die Möglichkeit, Schwester-Firmen zu gründen, die dann solche Arbeiten übernehmen können und für die dann die entsprechend qualifizierten Mitarbeiter eingestellt werden. So ist alles unter einem Dach. Diese Mitarbeiter kann der Fassadenbauer darüber hinaus auch speziell für die Wartung der Gebäudehülle schulen, sodass sie gegenüber generellen Anbietern solcher Arbeiten deutlich besser qualifiziert sind. Und wie schon gesagt, ist es dann vielleicht auch von Vorteil, wenn der Fassadenbauer dafür eine weitere Firma gründet, die sich dann genau auf solche Arbeiten fokussiert und damit auch wirbt.

Im Objekt-Geschäft werden gerade solche Fassaden immer wichtiger, die viele Punkte zu einer Gebäudezertifizierung beisteuern.

Foto: Wicona_PICARD MClaude

Im Objekt-Geschäft werden gerade solche Fassaden immer wichtiger, die viele Punkte zu einer Gebäudezertifizierung beisteuern.

Glaswelt – Noch eine Frage zu Bauelementen: Wo sehen Sie hier eine besondere Entwicklung?

Jager – Wir sehen, dass das Wachstum zunehmend in den Städten erfolgt. Zudem werden häufiger auch kleinere Wohnungen mit geringem Platzbedarf gesucht. Wir erwarten deshalb eine Zunahme an öffenbaren Tür- und Fensterelementen, die sich wegkippen und/oder verschieben lassen. Solche Systeme und Schiebeelemente beanspruchen im Raum einfach weniger Platz.

Glaswelt – Und noch eine Technikfrage: Wird sich die Haustechnik in die Fassade verlagern und ist das bei Wicona ein Thema?

Jager – Ja, es gibt einen Trend, die Haustechnik oder zumindest einen Teil davon in die Fassade zu verlegen. Bereits im Jahr 2004 hat Wicona mit Temotion 2004 ein solches System entwickelt. Diese Herangehensweise hat verschiedene Vorteile. So lässt sich die Technik von außen leicht warten und auch erneuern, ohne im Gebäude den Betrieb zu stören. Und ein ganz wichtiger Punkt ist der minimierte Platzbedarf für die Technik, wodurch auch höhere Räume ermöglicht werden, da abgehängte Decken entfallen. Die Verlagerung der Haustechnik in die Fassade macht bei Gebäuden Sinn, die maximal 18 bis 20 m in der Tiefe messen, da die Belüftung und natürliche Beleuchtung der Räume von der Gebäudehülle her mit 2 × 9 m ausgereizt sind.

Glaswelt – Warum gibt es bis dato kaum solche Systeme am Markt?

Jager – Hier gibt es rechtliche und organisatorische Fragen, die geklärt werden müssen. Bei einem Fassadenelement sind fast alle Gewerke vereint. Wer schreibt so eine Fassade aus und wer übernimmt wofür die Gewähr?

Glaswelt – Sie sind also zuversichtlich, was die Weiterentwicklung der Fassade angeht?

Jager – Auf alle Fälle. Die Gebäudehülle wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen und wir haben dies nicht nur im Fokus, sondern sind in vielen Bereichen federführend in der Weiterentwicklung der Fassade aktiv.

Das Interview führte Matthias Rehberger

Profile aus recyceltem Aluminium werden in naher Zukunft zum Standard werden. Wicona hat diese schon heute im Programm.

Foto: Matthias Rehberger/GLASWELT

Profile aus recyceltem Aluminium werden in naher Zukunft zum Standard werden. Wicona hat diese schon heute im Programm.

Alu-Recycling-Werk in Dormagen

Die Wicona Konzernmutter Hydro betreibt in Dormagen ein Recycling-Werk. Aus dem dort gesammelten Aluminium-Schrott wird das Basismaterial für hochwertige Wicona-Neuprofile gewonnen, denn Alu lässt sich zu 100 % recyceln. In Dormagen können jährlich bis zu 36 000 t Aluminium-Schrott aufbereitet werden.

Nach Auskunft von Wicona sei die Qualität des recycelten Aluminiums gleichwertig wie das aus reinem Primär-Aluminium. Vor diesem Hintergrund bestehen die neuen Aluminium-Profile von Wicona zu über 75 % aus recyceltem Basis-Material.

Die Herstellung der Recycling-Profile ist unabhängig zertifiziert und lässt sich komplett nachverfolgen. Die Zertifizierung wird jährlich erneuert.

Mit Hydro Circal Aluminium-Profilen will der Systemgeber den Planern und Investoren zusätzliche Vorteile bei der Gebäudezertifizierung sowie bei Cradle-to-Cradle bieten. Mit diesem Anteil von 75 % und mehr an recyceltem Aluminium seien die Circal-Profile in der CO2-Bilanz besser als ein PVC-Fenster.

Recycling-Profile sind nach Aussage von Wicona die Zukunft im Fassadenbau. Aufgrund begrenzter Ressourcen richte sich der Fokus bei der Beschaffung der Basismaterialien zunehmend auf Recycling und Urban Mining, also darauf den Gebäudenbestand als Materiallager für künftige Neubauten zu nutzen. Das Werk in Dormagen sei für den Konzern ein wichtiger Schritt in diese Zukunft.

Foto: Matthias Rehberger / GLASWELT

Wicona verfügt über ein eigenes Werk in Remagen (bei Köln), wo Altschrott aus Aluminium – wie Fenster und Fassaden – recycelt wird.

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