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Im Interview mit Florian Kneer, Andreas hartleif und Helmut Hilzinger

„Generell gibt es noch viel Luft in Sachen Digitalisierung in unserer Branche“

Glaswelt – Meine Herren, wie hat die Pandemie den Markt aus Ihrer Sicht verändert?

Florian Kneer – Die Geschäftsentwicklung der Kneer-Südfenster-Gruppe ist aktuell unbeeindruckt von der Corona-Pandemie. Die Auftragslage ist gut und erfreulich stabil. Intern haben wir viele Maßnahmen (Schichtmodelle, Homeoffice, verschärfte Hygieneregeln etc.) getroffen, um unsere Mitarbeiter so gut wie möglich zu schützen. So werden wir hoffentlich weiter produzieren und liefern können. Der weitere Jahresverlauf hängt sicherlich davon ab, wie sich die Dinge entwickeln. Da wir sowohl auf Kunden- als auch auf Lieferantenseite sehr stark mit regionalen, sprich deutschen und mitteleuropäischen Partnern zusammenarbeiten, hoffen wir darauf, dass uns die Lieferkette nicht abreißt. Am stärksten leidet aktuell der Industriebau der stark betroffenen Branchen.

Andreas Hartleif – In Deutschland ist die gesamte Branche ja mit guter Auslastung und ­vollen Auftragsbüchern in die Krise gegangen. Produktions- und lieferfähig zu bleiben bzw. schnell wieder zu werden und die benötigten Ressourcen dafür zu mobilisieren, ist entscheidend. So hat die Sicherheit der Lieferketten durch die Krise sicher enorm an Bedeutung gewonnen. Insbesondere Verzögerungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr haben ein Umdenken angestoßen. Es wird wieder verstärkt darüber nachgedacht, Lieferanten im nahen Umfeld zu suchen und für kritische Produktbestandteile sogar lokale Fertigungskapazitäten aufzubauen.

Zudem hat uns die Krise die Vorteile der Digitalisierung aufgezeigt, zum Beispiel im Bereich der Kommunikation wie etwa bei Videokonferenzen, die in viel stärkerem Maße eingesetzt werden. Dieses wird sicher auch in der Nach-Corona-Zeit ein bleibender Nutzen sein, wobei das persönliche Gespräch durch nichts zu ersetzen ist.

Helmut ­Hilzinger – Das Handwerk und somit auch wir in der Fensterbaubranche konnten glücklicherweise nahezu uneingeschränkt weiterarbeiten. Hier gab es lediglich einzelne Verschiebungen im Bereich der Montage im bewohnten Altbau. Man merkt aber schon, dass eine gewisse Zurückhaltung, vor allem im Privatsegment, zu spüren ist. Leider ist davon auszugehen, dass uns die Krise mit Verzögerung auch noch tangieren wird. In unsicheren Zeiten spart man sich eine Investition eher auf. Das Kaufverhalten ändert sich zudem. Man muss dennoch abwarten, wie sich die Situation in Zukunft entwickeln wird. Die schweren wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht final abzusehen. Trotz allem bin ich der Überzeugung, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Es wird mit großer Sicherheit weiterhin so sein, dass man in sein Eigenheim investieren wird. Mit unserer differenten Vertriebsstruktur in den Segmenten Fachhandel und Objektgeschäft sind wir breit aufgestellt. Darüber hinaus wird sich auch in unserer Branche das Online-Geschäft zunehmend etablieren und auch die Digitalisierung wird voranschreiten.

Aufgrund der eingeschränkten Reise­tätigkeit ­beschäftigen sich ­Eigenheimbesitzer mit der ­Renovierung ihres Zuhauses.

Florian Kneer, Geschäftsführer Kneer-Südfenster

Foto: Kneer GmbH

Glaswelt – Was kurbelt die Wirtschaft aus Ihrer Sicht jetzt wieder an?

Kneer – Am wichtigsten sind die schnelle Öffnung der Grenzen und die Rückkehr zur neuen Normalität. Die aktuellen Zuschüsse für Unternehmen und die Umsatzsteuersenkung sind nur kurzfristige Maßnahmen. Langfristig würde die Wirtschaft stark von Steuer- und Abgabensenkungen und der damit gestärkten Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem europäischen Ausland profitieren.

Speziell auf unsere Branche bezogen sehe ich aber auch positive Aspekte. Aufgrund der sehr eingeschränkten Reisetätigkeit beschäftigen sich viele Eigenheimbesitzer mit der Renovierung und Erneuerung ihres Zuhauses. Parallel entdecken Stadtbewohner und Wohnungsbesitzer die Vorteile eines Hauses mit Garten auf dem Land. Diese Effekte können zu einer weiterhin hohen Nachfrage nach Fenstern und Bauelementen führen.

Es kommt jetzt darauf an, ­wieder ­Optimismus und ­Vertrauen in ­Wirtschaft und Zukunft zu ­erlangen.

Andreas Hartleif

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Hartleif – Die Entschlossenheit der Re­gier­ung(en), mit kurzfristigen Liquiditätshilfen und Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld Unternehmen und Mitarbeiter zu stützen, sind gut und hilfreich, sofern sie schnell da ankommen, wo sie gebraucht werden. Auch das angekündigte Konjunkturpaket wird seine Wirkung nicht verfehlen. Die allgemeine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer hingegen halte ich nicht für sinnvoll. Hier wären gezielte Mehrwertsteuersenkungen z. B. für das Hotel- und Gaststättengewerbe oder auch für den kulturellen Bereich wesentlich effektiver gewesen.

Es kommt jetzt darauf an, wieder Optimismus und Vertrauen in Wirtschaft und Zukunft zu erlangen. Ein Programm wie die „Initiative Wasserstoff“ kann da vielleicht viel Gutes bewirken, denn es weist einen möglichen Weg Richtung innovativer Technologien mit Wachstumsperspektiven. Für die Bau- und Bauzuliefererindustrie glaube ich nach wie vor an eine nachhaltig gute Perspektive, da bezahlbarer Wohnraum dringend benötigt wird und die Umsetzung vieler Baugenehmigungen noch aussteht.

Hilzinger – Das ist branchenbezogen unterschiedlich zu bewerten. Der Einzelhandel und die
Gastronomie oder Hotellerie, um nur einzelne Beispiele zu nennen, werden sicherlich lange Zeit brauchen, um die Defizite aufzuarbeiten. Es brauche aber auch in Zukunft Modelle und Programme, die den Steuerzahler in irgendeiner Form entlasten. Mit der Senkung der Mehrwertsteuer ist beispielsweise ein Grundstein gelegt. Auch für unsere Branche ist die seit dem 01.01.2020 laufende steuerliche Förderung für Fenster und Türen im Rahmen des Klimaschutzpaketes für den Sanierer sehr attraktiv, bei der es bei gewissen Voraussetzungen 20 Prozent der Summe zurückgibt.

Die flexible Arbeit über Homeoffice ist in vielen ­Betrieben angekommen!

Helmut Hilzinger

Foto: Hilzinger

Glaswelt – Welche positive Erkenntnis nehmen Sie aus der Krise mit?

Kneer – Die Auftragsabwicklung kann deutlich harmonischer und mit weniger Rückfragen vonstatten gehen. Diese Erfahrung haben wir in den vergangenen Monaten gemacht. Außerdem muss nicht jeder Kunden- oder Lieferantentermin vor Ort stattfinden, sondern kann auch sehr zeitsparend und effektiv per Videokonferenz durchgeführt werden. Ebenso wie die Kommunikation mit Mitarbeitern, die nicht jeden Tag am Standort sind, beispielsweise mit dem Außendienst. Generell gibt es noch viel Luft in Sachen Digitalisierung in unserer Branche. Das hat sich jetzt während der Krise besonders gezeigt. Viele Projekte bei uns wurden lange aufgeschoben und jetzt schnell umgesetzt.

Hartleif – Zum einen hat uns die Corona-Krise gezeigt, dass wir in Deutschland eine stabile politische Führung und gesellschaftliche Kultur haben, die sich unter anderem auch durch eine offene und transparente Informationslage für alle auszeichnet. Die Orientierungs- und Handlungsvorgaben haben gegriffen, Solidarität und Rücksichtsmaßnahmen zahlen sich aus. Auch bei Veka konnten wir uns auf ein hohes Maß an Solidarität verlassen. Regelmäßig wurde die gesamte Belegschaft über den aktuellen Stand des Unternehmens informiert. Alle Mitarbeiter haben gut mitgezogen, die getroffenen Regeln eingehalten und Rücksicht aufeinander genommen. So haben wir es bislang gemeinsam gut gemeistert, die Herausforderungen dieser schwierigen Zeit zu bewältigen.

Hilzinger – Die eingeschränkte Reisetätigkeit hat uns natürlich alle vor entsprechende Herausforderungen gestellt. Mit unserer dezentralen Struktur und den 20 Standorten waren Besuche und der persönliche Austausch innerhalb der Werke nicht möglich. Auch Treffen mit Kunden und Lieferanten blieben weitestgehend aus. Telefon- und Videokonferenzen gehen sicherlich als Gewinner aus der Pandemie hervor. Da haben auch wir im Unternehmen positive Erfahrungen gemacht. Meetings konnten problemlos durchgeführt werden. Auch wenn der persönliche Kontakt sicherlich noch an oberster Stelle steht, wird man sich in Zukunft schon fragen, ob die eine oder andere Auto-, Flug- oder Bahnreise denn wirklich sein muss, oder ob dieses Treffen nicht auch digital durchführbar wäre. Die stark zunehmende Homeoffice-Tätigkeit ist sicherlich ebenfalls positiv zu bewerten. Ich denke, dass die flexible Arbeit über Homeoffice auch jetzt in vielen Betrieben angekommen ist.

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

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