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Im Gespräch mit Jochen Grönegräs

„Ich bin zuversichtlich, was die Zukunft der heimischen Glasbranche angeht“

Glaswelt – Wie schätzen Sie die aktuelle Lage am Glasmarkt für 2023 ein?

Jochen Grönegräs – Die Unternehmen der Glasbranche haben mit 2022 ein Jahr hinter sich, das von ungekannten Kostensteigerungen bei der Energie geprägt war. Diese mussten weitergegeben werden und in der Folge wird Flachglas heute in der Tagespresse mit an erster Stelle genannt, wenn es um (prozentuale) Kostensteigerungen am Bau geht. Bei denen macht Glas zwar einen kleinen Anteil aus, aber in Summe ist das Bauen spürbar teurer geworden. Die Entwicklung beim Neubau beobachten wir sehr aufmerksam.

Glaswelt – Und wie sind die Aussichten für 2024 und darüber hinaus?

Grönegräs – Alle sind sich einig, dass die energetische Sanierung nun endlich einen Schub bekommen muss – der Leidensdruck ist gestiegen und die Rahmenbedingungen durch das GEG und die Förderkulisse werden angepasst. Die Frage wird sein, ob der Anstieg bei der Sanierung schnell genug und vor allem in ausreichendem Ausmaß kommt, um den Rückgang beim Neubau zu kompensieren.

Glaswelt – Werden die Basisglas-Preise aufgrund hoher Energiekosten weiter steigen; sehen Sie hier ein Problem für die Branche aufgrund zu hoher Preise der nachgelagerten Glas-Produkte?

Grönegräs – Eher nicht, da der Anteil an der Wertschöpfung des fertigen Produkts so gering ist. Bezogen auf ein eingebautes Fenster machen die Glaskosten einen einstelligen Prozentanteil aus. Die Energiepreise entwickeln sich im Übrigen ja extrem volatil.

Glaswelt – Wo drückt für die heimische Glasindustrie der Schuh?

Grönegräs – Mit Beginn der Energiekrise stand ja zuerst die Versorgungssicherheit im Vordergrund, und man musste sicherstellen, dass unter anderem die Lieferung von Gas an die Float-Anlagen weiterlaufen würde. In der Folge waren dann wesentlich die Kostensteigerungen das Thema. Große Herausforderungen kommen bei dem umfassenden Themenfeld der Nachhaltigkeit auf die Industrie zu – das umfasst das Recycling sowie die Diskussion um „Re-Use“ (d. h. Wiederverwendung älterer Gläser) ebenso, wie die Umstellung auf nicht-fossile Energien.

Glaswelt – Und wo sehen Sie Marktchancen für die Glas-Unternehmen?

Grönegräs – Genau in den letztgenannten Themen liegen auch die größten Chancen zur Weiterentwicklung der Glasbranche. Mit nachhaltiger Produktion wird man sich vom Wettbewerb differenzieren können. Der Druck auf die globalen Lieferketten bietet neue Chancen für regionaleres Wirtschaften, auch für die heimischen Glasbetriebe. Und für die Energiewende im Gebäudesektor sind unsere Produkte gefragter denn je. Und darin liegt letztlich auch die Chance, dass Glas den Wert zugemessen bekommt, den es verdient.

Glaswelt – Man hört immer wieder mit Standard-Gläsern und Standard-Isolierglas lasse sich kein Geld verdienen, stimmt das so?

Grönegräs – Es ist nicht mein Job als Verbandsgeschäftsführer, Geschäftsmodelle zu bewerten. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es in unserer Branche Unternehmen, die mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Ansätzen erfolgreich sind: Das reicht von der Belieferung von Fensterfabriken mit großen Stückzahlen bis zur Spezialisierung auf Nischen und exklusive Produkte.

Glaswelt –Wo sehen Sie Wachstumsbereiche für die unterschiedlichen Glasanwendungen?

Grönegräs – Differenzierung über mehr Nachhaltigkeit ist ganz bestimmt ein wichtiges Zukunftsthema. Erweiterte Funktionalitäten wie schaltbares Glas bleiben spannend; auch von neuartigen Beschichtungen werden wir in den nächsten Jahren sicher einiges hören.

Glaswelt – Glauben Sie, dass Vakuumgläser mittelfristig im Segment Isolierglas ihre Nische verlassen und größere Marktanteile gewinnen?

Grönegräs – Man wird Vakuumglas wohl noch länger als ein Nischenprodukt bezeichnen müssen, aber die Nische wächst. Das Thema der optischen Beeinträchtigung durch die Spacer wird inzwischen von vielen nicht mehr als so kritisch wahrgenommen. Und wird Vakuumglas mit einer Gegenscheibe zu einem konventionellen Isolierglas verarbeitet, erhält man ein Produkt, das interessant für den Austausch von Verglasungen in vorhandenen Fensterrahmen sein kann. So lassen sich nicht nur denkmalgeschützte Gebäude ertüchtigen. Für bestimmte Segmente ist dieser Glastausch heute sicher immer noch oder wieder interessant. Zu diesem Thema gab es ja vor Jahren die Branchenaktion „Energiesparen mit Glas“. Für die ganz breite Anwendung von Vakuumglas stellt sich aber nach wie vor die Frage, wie viel der Markt für die Vorteile des Produkts zu zahlen bereit ist.

Glaswelt – Wir haben ja in Kürze den GLASKONGRESS 2023 in Münster, was erwartet die Besucher dort?

Grönegräs – Wir stellen die diesjährige Veranstaltung unter das Motto „Zukunft mit Glas – Wir bringen Menschen zusammen“. Dazu haben wir uns einiges einfallen lassen, um die Teilnehmer beim Vernetzen zu unterstützen. Die Zukunftsthemen werden dort von tollen Referenten beleuchtet. Und ganz wichtig: Wir werden unseren Mitgliedern Rechenschaft über unsere Arbeit ablegen und sie dabei mitnehmen, mit welchen Themen wir den Verband weiter entwickeln wollen. Zwei sehr schöne Locations für die beiden Abendveranstaltungen haben wir auch im Programm. Und unsere RAL-Gütegemeinschaft Flachglas wird auf ihr nun schon 40-jähriges Bestehen zurückblicken.

Glaswelt – Und was versteht man unter Speed-Dating am zweiten Kongress-Tag?

Grönegräs – Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie wir die verschiedenen Teilnehmerkreise noch besser zusammenbringen können und haben auch unsere Mitglieder und Fördermitglieder nach ihren Wünschen und Anregungen dazu gefragt. Die spannendsten Punkte versuchen wir umzusetzen, darunter diese Idee. Ich bin selbst gespannt und freue mich drauf!

Glaswelt – Wie hat sich die Verbandsarbeit entwickelt und was sind die anstehenden Aufgaben, die Sie angehen wollen?

Grönegräs – Die Corona-Zeit hat uns ja allen die Online-Meetings beigebracht. Die Schlagzahl in unseren technischen Arbeitskreisen ist dadurch interessanterweise sogar ziemlich gestiegen. Mit neuem Personal möchten wir die Wahrnehmbarkeit weiter steigern – seit einiger Zeit schon mit Lucia Windhausen, die zum Beispiel mit den „Orten des Glases“ die Kommunikation auf Social Media und anderen Kanälen deutlich ausgebaut hat. Und seit Anfang des Jahres mit Steffen Schäfer, der als unser neuer Mann für Technik und Normung unsere Mitglieder sicher noch stärker konkret am Produkt unterstützen kann.

Bei der verbandsinternen Arbeit ist die stärkere Einbeziehung der Nachwuchsführungskräfte beim Thema Personalgewinnung zu nennen und die vielen neuen Verbandsveranstaltungen, die wir in diesem Jahr als Webinare oder Symposien anbieten. Die politische Vertretung in Berlin durch unsere gemeinsame Repräsentanz „Transparente Gebäudehülle“ konnte durch neue Gesellschafter weiter gestärkt werden. Und an der Ausrichtung auf die inhaltlichen Zukunftsthemen wie die im Themenbereich Nachhaltigkeit, arbeiten wir im BF (G www.bundesverband-flachglas.de) im entsprechenden Arbeitskreis sowie auch in einigen neuen Formaten wie Workshops mit externen Partnern.

Glaswelt – Sind Sie zuversichtlich für die Glasbranche, was die Zukunft angeht?

Grönegräs – Unbedingt! Wir haben mit Glas einen tollen Werkstoff, der noch viele neue Anwendungen erleben wird. Unsere Aufgabe als Verband ist es, die Rahmenbedingungen so mitzugestalten, dass die Unternehmen der Branche auch morgen noch ihre Gläser verkaufen können – und dafür sehe ich mittelfristig ein sehr positives Umfeld.

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

Auf nach Münster

In diesem Jahr ­findet der Glaskongress 2023 des Bundes­verband Flachglas und der Gütegemeinschaft Flachglas am 26. und 27. April 2023 in Münster im ­Factory Hotel statt. Dort wird unter anderem auch das 40-jährige Bestehen der Gütegemeinschaft Flachglas gefeiert.