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Im Gespräch mit Thomas Schuster von Saint-Gobain Glass

Vielfalt “just in time“

GLASWELT: Sehr geehrter Herr Schuster, Sie sind bei Saint-Gobain Glass (SGG) als Leiter Produktion und Technik für die fünf deutschen Werke verantwortlich. Wie kam es dazu?

Thomas Schuster: Meine Karriere begann im Glaswerk Torgau, wo ich auch meine Diplom­arbeit über Glasbeschichtungen geschrieben habe. Das war mein Türöffner in die Floatglasproduktion. 1990, kurz nach dem Mauerfall, ging ich ins SGG-Werk Herzogenrath. Als Assistent der Geschäftsleitung wurde ich gleich mit sehr anspruchsvollen Projekten betraut und bald übernahm ich die Produktionsleitung. Darauf folgten ein halbes Jahr bei der technischen Direktion in Paris und fast zwei Jahre in Belgien, in Auvelais. Nach meiner Zeit in Belgien bin ich wieder zurück nach Herzogenrath und wurde Werksleiter. Bis dahin hatte ich mich fast nur mit der Produktion von Autoglas beschäftigt. Hier in Köln, wo ich heute arbeite, haben wir eine der größten Floatglasanlagen der Welt und produzieren eine enorme Produktvielfalt. Mit dieser Anlage für Bauglas spielt man in einer ganz anderen Liga, auch weil man im direkten Kundenkontakt steht.

GLASWELT: Wieso muss man die Produktion der SGG-Werke in Deutschland koordinieren?

Schuster: Wir sind Vollsortimenter und jeder Standort hat seine Spezialitäten. Unser oberstes Ziel ist es, die Produkte der größeren Werke wie Torgau oder Köln-Porz, möglichst schnell an unsere Kunden zu bringen. Die Koordination sorgt dafür, dass die Produkte dorthin kommen, wo sie tatsächlich gebraucht werden – und das möglichst zeitnah. Es muss nicht unbedingt so sein, dass alle Produkte an jedem Standort vorhanden sind, das wäre eine zu starke Diversifizierung. Aber das Optimum liegt irgendwo dazwischen – zumal wir ja auch die Kundenmärkte den Werken entsprechend zugeordnet haben. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Koordination innerhalb Deutschlands bezüglich Investition und Innovation: Neue Entwicklungen müssen sehr schnell in die anderen Werke übertragen werden. Dazu kommt auch noch die europäische Koordination. Ich habe sehr engen Kontakt zu meinen Kollegen in Frankreich und auch da geht es darum, Investition und Innovation aus internationaler Sicht in die Werke nach Deutschland zu bringen und abzustimmen.

GLASWELT: Worauf konzentrieren sich Ihre Aufgaben? Welche forcieren Sie besonders?

Schuster: Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt sicher darauf, die Produktionsprozesse als solche zu optimieren, um qualitativ hochwertige Produkte zu realisieren, die dann bei den Kunden fristgerecht ankommen. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist dabei die Effizienz der Abläufe. Letztlich geht es darum, möglichst kos­tengünstig zu produzieren bei gleichbleibend hoher Qualität. Wir reden von Liefertreue, von hoher Qualität, von perfektem Kosten-Nutzen-Verhältnis, aber eben auch von effizienten Abläufen. Und das muss man im Gesamtkontext sehen, deutschlandweit. Jeder Standort hat seine Spezialitäten, jeder Standort „tickt“ ein bisschen anders, und das bedarf einer gewissen Abstimmung hinsichtlich der Aspekte Technik, Neuentwicklungen und Investitionen.

GLASWELT: Die Logistik, um die Werke untereinander zu versorgen, spielt eine entscheidende Rolle. Wo liegen die Knackpunkte?

Schuster: Das ist in der Tat ein komplizierter Prozess. Es funktioniert nur, wenn die Kommunikation stimmt. Das heißt, es gibt eine sehr enge Abstimmung zwischen den Kundenservice-Teams bzw. Produktionsplanern. Jedes Werk hat sein eigenes Team. Den Kundenanforderungen entsprechend gibt es dann Abstimmungen, wer was produziert – immer unter dem Aspekt, dass der Kunde rechtzeitig beliefert wird und die internen Prozesse optimal ablaufen. Es würde zum Beispiel keinen Sinn machen, alle drei Stunden die Glasdicke zu ändern, das kann die Anlage nicht. Auf Basis von Kundenbestellungen und Erfahrungswerten planen wir stattdessen Kampagnenprodukte und produzieren dann entsprechend vor. Wir kennen ja unseren Markt, sodass man dann die entsprechenden Sortimente im Lager vorrätig hat und der Kunde direkt bedient werden kann. Zudem haben wir ein Shuttleservice zwischen Köln und Torgau eingerichtet, bei dem eine vorher definierte Produktpalette so ausgetauscht wird, dass beide Werke kurzfris­tig reagieren können. Die Herausforderung besteht darin, Leerfahrten zu vermeiden. Das ist Aufgabe der Logistiker und die wird zentral koordiniert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir Mischladungen realisieren können. Das heißt, es sind bis zu acht verschiedene Produkte in einem Fahrzeug. Mit diesem Service können wir flexibel und schnell liefern. Die Kunden haben ja nicht so große Lagerkapazitäten, sondern wollen ihre Aufträge möglichst schnell bearbeiten. Das funktioniert aber nur dann, wenn wir als Glasproduzent den Kunden „just in time“ die unterschiedlichsten Produkte bereitstellen können.

GLASWELT: Welche Schwerpunkte setzen die einzelnen Werke bei den Glasprodukten?

Schuster: In Köln liegt der Schwerpunkt auf Weißglas und extraweißem Glas sowie auf der Herstellung beschichteter Produkte wie Wärmeschutz- und Sonnenschutzgläser. Dünnschichttechnologie und Photovoltaik spielen ebenfalls eine Rolle. Dazu kommen jetzt noch Produkte für den Innenausbau wie Satinovo. Das Werk in Herzogenrath ist eine klassische Autoglashütte. Dort wird Farbglas für die Autoindustrie in unterschiedlichen Nuancen hergestellt. Mannheim ist unser Gussglasstandort, dort werden Dekor- und Photovoltaikgläser wie Albarino und Masterglass produziert. Das Werk in Stolberg produziert auch Automobilglas. Allerdings ist man dort auf Dünnglas mit einer sehr hohen optischen Qualität spezialisiert. Ein weiterer Schwerpunkt dort ist die Spiegelherstellung, sowohl für den Interieurmarkt als auch für Solarspiegel. Torgau ist vergleichbar mit Köln-Porz. Man kann sagen, dass die beiden Werke fast wie Zwillinge sind.

GLASWELT: Was für Gläser werden gegenwärtig stark nachgefragt?

Schuster: Auf jeden Fall die hochwertigen Glasprodukte. Der Baumarkt hat sich mit der EnEV deutlich verändert. Isolier- und Sonnenschutzgläser sind ein Schwerpunkt, aber auch die Photovoltaikindustrie. Das Werk Köln nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Wir produzieren hier das Glas Diamant Solar, das eine sehr hohe Energietransmission hat. Damit beliefern wir den Solarmarkt mit Deckgläsern und Gläsern für Solarspiegelanwendungen.

GLASWELT: Welche aktuellen Entwicklungen und Produkte stehen bei SGGD im Fokus?

Schuster: Wir konzentrieren uns auf Spezialitäten. Das entspricht auch der Nachfrage des Marktes. Dort sind Produkte gefragt, die zur ­Energieeinsparung beitragen und für die Photovoltaikindustrie immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wir konzentrieren uns auf hochwertige Sonnenschutz- und Wärmedämmgläser. Weiter sind uns Interieurgläser wichtig. Ich denke da an unsere breite Designglaspalette, die wir anbieten. Besonders die Designgläser Planilaque und Satinove haben da einen hohen Stellenwert. Die Spezialisierung nimmt generell zu und das ist der Bereich, in dem sich ein Glasproduzent aufhalten muss. Der Markt der erneuerbaren Energien wird sich weiterentwickeln, darauf liegt auch einer unserer Schwerpunkte. Auch der Renovierungsmarkt wird weiter an Dynamik gewinnen, sodass hochwertige Produkte mit Sicherheit in Zukunft verstärkt nachgefragt werden. —

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