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Interview mit Michael Elstner

„Wir können es uns nicht mehr leisten, ­End-of-Life-Gläser auf Halden zu kippen“

GW – Wie kam die Idee zu eurem neuen Recycling-Service „AGC Recycle Glass“ zustande?

Michael Elstner – Im Rahmen des globalen Nachhaltigkeitsdiskurses gibt es zahlreiche politische und wirtschaftliche Anforderungen. Als energie- und emissionsintensiver Glashersteller sehen wir uns in der Verantwortung, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und unsere Prozesse konstant zu optimieren. Dazu kommt, um Low-Carbon-Glas herzustellen, benötigen wir mehr recyceltes Glas – also Scherben, die wir dem Floatprozess zuführen. Die Idee, systematisch Scherben zu sammeln, führte dann zur Gründung ­eines Teams innerhalb von AGC, das sich gezielt mit diesem Thema beschäftigt.

GW – Was bietet der neue AGC Service an?

Elstner – Mit ‚AGC Recycle Glass‘ haben wir einen neuen Service zur aktiven Sammlung und Rückführung von Flachglas ins Leben gerufen. Dabei geht es sowohl um Glasabschnitte aus Verarbeitungsbetrieben (Pre-Consumer Glass) als auch um sogenannte „End-of-Life-Isoliergläser“ aus Sanierungs- oder Abrissprojekten (Post-Consumer Glass). Unser Ziel ist es, dieses Altglas aufzubereiten und wieder in die Flachglasproduktion zurückzuführen.

GW – Wie läuft das konkret ab, wenn ein Gebäude abgerissen oder saniert wird?

Elstner – Idealerweise werden wir frühzeitig in das Projekt eingebunden und der Bauherr oder Architekt kommt auf uns zu, um das Glasrecycling zu planen. Gemeinsam mit Rückbauunternehmen oder Fensterbauern wird zunächst das Fenster- oder Fassadenelement ausgebaut und das Glas aus den Rahmen entfernt. Anschließend wird es in speziellen Containern gesammelt, die unsere Partner auf der Baustelle bereitstellen. Diese Container werden dann zu einem Flachglas-Recycler gebracht, der das Material reinigt und sortenreine Scherben in hoher Qualität aufbereitet. Diese Scherben gehen dann direkt zurück in unsere Produktion.

GW – Und welche Qualität müssen solche Scherben haben?

Elstner – Die Sortenreinheit ist extrem wichtig. Die Qualität der Sortierung der Scherben entscheidet letztendlich über ihre Wiederverwertbarkeit. Deshalb müssen solche Scherben sehr sauber getrennt und gereinigt werden, dazu kommt, dass keine verschiedenfarbigen Gläser vermischt werden dürfen. Wir bei AGC haben bereits ein sehr effizientes System etabliert.

Mit dem ­neuen Recycling-­Service ‚AGC Recycle Glass‘ sind wir jetzt europaweit aktiv

Michael Elstner

Foto: Matthias Rehberger / GW

GW – Warum ist das Schließen des Flachglas-Kreislaufs so wichtig?

Elstner – Jeder zusätzliche Anteil an Scherben im Schmelzprozess spart Energie und reduziert CO2-Emissionen. Bereits eine Erhöhung des Scherbenanteils um 10 % senkt den Energiebedarf um rund 2,5 %. Außerdem reduziert jede Tonne Scherben den CO2-Ausstoß um etwa 0,7 t und spart bis zu 1,2 t Primärrohstoffe. Der Flachglaskreislauf muss unter dem Motto „Flat-to-Flat“ geschlossen werden – und das muss ins Bewusstsein aller Baubeteiligten rücken. Dazu kommt, wenn das Flachglas aus Sanierungs- oder Abrissprojekten nicht recycelt wird, landet es letztendlich auf der Kippe und geht als Rohstoff verloren.

GW – Warum setzen nicht alle großen Hersteller gemeinsam auf ein zentrales System?

Elstner – Scherben sind eine wichtige Ressource. Um möglichst brauchbare Scherben für die Flachglasherstellung zu erhalten, ist die Abstimmung aller Beteiligten und eine individuelle Projektbegleitung erforderlich. In diesem Konzept können wir unsere Kunden mit einer eigenen Lösung am besten unterstützen. Darüber hinaus werden im Bundesverband Flachglas bereits gemeinsame Gespräche zum Thema Glasrecycling firmenübergreifend geführt.

GW – Welche Rolle spielen industrielle Glasreste und Gläser aus Gebäuderückbauten?

Elstner – Beide sind essenziell. Post-Consumer-Scherben, also Glas aus alten Gebäuden, und Pre-Consumer-Scherben aus der glasverarbeitenden Industrie müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Leider werden die industriellen Abfälle in den Berechnungen bei den Recycling-Mengen oft vernachlässigt – dabei fallen dort große Mengen an. Wir brauchen beides für eine echte Kreislaufwirtschaft.

GW – Wie stellt AGC sicher, dass auf der Baustelle richtig gesammelt wird?

Elstner – In Vorabgesprächen mit unserem Kunden und ggf. auch vor stimmen wir die nötigen Schritte für das Sortieren und Recycling ab. Die Container müssen sauber sein, das Glas getrennt gesammelt werden. Unsere Partner – Abbruchunternehmen sowie Fassadenbauer und Fensterfirmen – erhalten konkrete Unterstützung von uns: Wo wird sortiert? Wie funktioniert die Logistik? Was muss vorab geplant werden? Das sind Fragen, bei denen wir beratend zur Seite stehen.

GW – Gibt es bereits technische Lösungen zur automatischen Sortierung?

Elstner – Es gibt Maschinen, die Materialien sortieren können. Allerdings sind diese sehr teuer und für viele Projekte aktuell nicht wirtschaftlich. Die Technik kann helfen, aber sie ersetzt nicht den Menschen. Maschinen laufen nicht von selbst – sie brauchen Bedienung und gezielte Planung.

Nach Abschluss eines Projekts ­erhält der Auftrag­geber ein ­Zertifikat, das die eingesparten Ressourcen und CO2-Mengen ­dokumentiert.

GW – Wo bietet AGC den Recycling-Service an?

Elstner – Wir sind europaweit aktiv – mit Schwerpunkten in Benelux, Frankreich, Deutschland, Österreich, UK, Tschechien und der Schweiz. Auf Anfrage kann der Service auch in anderen Ländern angeboten werden.

GW – Wie schätzen Sie die Entwicklung bei der Optimierung des Flachglas-Recyclings ein, sind Sie optimistisch, dass die Branche hier zulegt?

Elstner – Ja, absolut. Ich bin überzeugt davon, dass sich die Gesetzgebung künftig noch stärker in Richtung Recycling bewegen wird, und das bedeutet eine Verschärfung der Anforderungen. In der EU – und auch darüber hinaus – gibt es klare Klimaziele, etwa zur CO2-Reduktion. Materialkreisläufe wie unser Scherben-Kreislaufsystem, Stichwort Flat-to-Flat, sind ein entscheidender Hebel, um diese Ziele zu erreichen.

GW – Bekommen die Kunden, die Gläser über AGC recyceln, eine Bestätigung über ihren Beitrag zum Klimaschutz?

Elstner – Ja, das ist ein wichtiger Teil unseres Service. Nach Abschluss eines Projekts erhält der Auftraggeber ein Zertifikat, das die eingesparten Ressourcen und CO2-Mengen dokumentiert. So wird der Beitrag zur Nachhaltigkeit auch sichtbar und nachweisbar.

GW – Und Ihr Fazit zum Glasrecycling?

Elstner – Wir können es uns nicht mehr leisten, End-of-Life-Isoliergläser auf Halden zu kippen.—

Das Interview führte Matthias Rehberger

Ohne sortenreine Glastrennung auf der Baustelle wird es künftig nicht mehr gehen.

Foto: Matthias Rehberger / GW

Ohne sortenreine Glastrennung auf der Baustelle wird es künftig nicht mehr gehen.

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