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Im Interview mit Frank Lange

Welche Weichen kann die Politik stellen?

Glaswelt – Herr Lange, Sie sind via Politik-­Dialog mit Mitgliedern des Bundestages ins Gespräch gekommen. Ist die große Bedeutung der Branche für den Klimaschutz bei politischen Mandatsträgern angekommen?

Frank Lange – Daran gibt es keinen Zweifel. Alle Szenarien aus Politik und Wissenschaft haben die große Bedeutung des Gebäudebereiches und damit auch der Gebäudehülle für den Klimaschutz erkannt: 30 Prozent des gesamten Energiebedarfs fallen auf den Gebäudesektor. Der CO2-Ausstoß in diesem Bereich muss bis 2030 von aktuell 118 auf 67 Mio. Tonnen reduziert werden. Ziel ist die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045. Alle Referate in den Ministerien und auch alle Institutionen richten ihr Handeln darauf aus. Das BMWI arbeitet in dem „Roadmap 2050“-Prozess an Lösungsansätzen für die Klimaneutralität. Im Blick auf den Gebäudesektor laufen alle Studien und Vorschläge darauf hinaus, mit einer höheren Sanierungsrate von 2 Prozent und darauf abgestimmten Rahmenbedingungen in der Förderung für den Bereich der Gebäudehülle dieses Effizienzpotenzial zu nutzen. In der Bevölkerung ist dieses Verständnis allerdings noch nicht ausreichend angekommen. Deshalb bedarf es weiterer Informationen auch seitens der Politik. Welche Bedeutung gerade auch sanierte Fenster und Fassaden für das Erreichen der Klimaschutzziele haben, zeigt unsere neue Studie „Mehr Energiesparen mit neuen Fenstern“, die wir gemeinsam mit dem BF erhoben haben. Demnach liegt das Potenzial in der energetischen Fenster-Sanierung bei circa 12,3 Mio. Tonnen CO2. Und dabei ist die Wirtschaftlichkeit dieser Investitionen ­gewährt.

Glaswelt – Die Sanierungsquote liegt aktuell laut Ihren Berechnungen bei 1,4 %. Um auf das klimapolitisch geforderte 2 %-Ziel zu kommen, müsste die Branche ihre Kapazitäten auch personell erheblich ausweiten. Wo aber sollen dafür die Montagekapazitäten herkommen? 

Lange – Wie die nötige 2 %-Sanierungsquote in unserer Branche hinzubekommen ist, hat die von uns beauftragte Studie „Lösungsansätze zur Deckung des Kapazitätsbedarf bei Erhöhung der Sanierungsrate“ untersucht. Sie zeigt, dass das eine durchaus lösbare Herausforderung darstellt: Zum einen gibt es noch Kapazitätsreserven. Zum anderen müssen im Schnitt 2000 zusätzliche Fachkräfte vor allem in der Montage pro Jahr gewonnen sowie Kapazitäten durch innovative Produkte und innovative Montagetechniken geschaffen werden.

Ich möchte dies noch durch drei konkrete Ansätze ergänzen, wie wir Arbeitskräfte in der Montage gewinnen: Wir brauchen eine Gründungsoffensive im Handwerk auch durch Förderung und Zuschüsse seitens der Politik für Existenzgründer und Branchenwechsler. Wir brauchen einen Anreiz, wie z. B. einen steuerlichen Freibetrag für gewerblich Tätige, die in der energetischen Sanierung arbeiten. Und wir brauchen Erleichterungen bzw. Anpassungen in den arbeitsrechtlichen Gesetzen für die bei uns tätigen Ausländer – auch im Blick auf die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte.

Glaswelt – Die Studie sagt aus, dass es keine Engpässe bei der Produktion von Fenstern gäbe. Ist denn aktuell nicht das Gegenteil der Fall, dass alle Beteiligten innerhalb der Wertschöpfungskette mit erheblichen Materialverknappungen und Preiserhöhungen zurechtkommen müssen? Gehen Sie also davon aus, dass das Thema zügig von der Tagesordnung verschwinden wird?

Lange – Unsere Kapazitätsstudie zeigt tatsächlich, dass in den Fertigungskapazitäten keine Engpässe vorhanden sind. Unsere Betriebe sind hoch effizient und modern ausgestattet. Sie sind durchaus in der Lage, höhere Produktionen von Fenstereinheiten auch über eine Sanierungsquote von 2 Prozent sicherzustellen. Was derzeit fehlt, sind Vormaterialien. Es fehlt an den Profilmaterialien, an Glas, an Dichtungsmaterial und mehr. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich diese Verknappung spätestens im vierten Quartal 2021 wieder ausgleichen wird.

Glaswelt – Welche Erwartungen haben Sie an die Politik – gerade auch mit Blick auf eine sich neu formierende Bundesregierung im Herbst. Welche Weichen kann die Politik stellen, damit die Branche ihren Beitrag leisten kann für den Klimaschutz mit neuen Fenstern?

Lange – Für die nächste Legislaturperiode erwarten wir von jeder Regierung ein klares Bekenntnis zu dem Prinzip „Effiziency First“. Denn die Energiebedarfsreduzierung ist der beste Beitrag zum Klimaschutz. Wir erwarten außerdem in der für das nächste Jahr anstehenden Überarbeitung des GEG, dass endlich die solaren Gewinne der transparenten Bauteile berücksichtigt werden. Denn diese sind höchst effizient und wirtschaftlich. Außerdem brauchen wir im GEG auch angepasste Fc-Werte, um auch die Wirkung des Sonnenschutzes richtig zu berücksichtigen.

Um dem Investor zukünftig Planungssicherheit zu gewährleisten, brauchen wir eine klare Formulierung, was heute „Klimaneutral Ready“ ist, also im Blick auf die angestrebte Klimaneutralität jetzt schon genügt. Derjenige, der heute investiert, muss wissen, ob seine Investitionen in Richtung klimaneutralen Gebäudebestand passen. Die Förderung unterschiedlicher Energieeffizienzhaus-Standards führt hier nicht zum Ziel. Wir sollten definieren, was an Investitionen in die Gebäudehülle und Anlagentechnik jetzt ausreichend ist und was nicht. Und darauf soll die Förderung ausgerichtet werden. Wir erwarten, dass die Förderbeträge in die Gebäudehülle mit anderen Förderhöhen in die Anlagentechnik gleichgestellt werden. Denn: Zum Erreichen der Klimaschutzziele sind beide Bereiche gleichermaßen sinnvoll. Daher sollten diese auch gleichgestellt werden. Und schließlich erwarten wir von der Politik klare Vorgaben, ob und wann und in welchem Maße neben der Förderung auch ordnungsrechtliche Maßnahmen im Gebäudebestand angedacht sind.

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.