GW – Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage in der R+S Branche?
Lisa Többen – Die Branche kämpft weiterhin mit Nachfragerückgang, steigendem Preisdruck und höheren Lohn- sowie Materialkosten. Der erwartete „Bau-Turbo“ greift noch nicht, da Bürokratie und lange Verfahren Investitionen bremsen, besonders im Neubau. Zwar zeigt sich eine leichte Stimmungsaufhellung und ein moderater Anstieg der Baugenehmigungen, doch wird diese Erholung erst zeitverzögert in den Betrieben ankommen. Insgesamt bleibt die Lage herausfordernd, auch wenn klar ist, dass der Bedarf langfristig vorhanden ist.
GW – Wie unterscheiden Sie sich im Wettbewerbsumfeld im Bereich Sonnenschutz?
Többen – Als mittelständischer Vollsortimenter setzt unser Unternehmen auf hohe Produktqualität, starken Service und Kundennähe. Neben der Fertigung übernehmen wir auch spezielle Montageleistungen, besonders wichtig angesichts zunehmend komplexer baulicher Anforderungen und Schnittstellen. Individuelle Sonderlösungen, oft für Projekte, die andere nicht realisieren können, gehören zum Kern unserer Strategie. Hohe Fertigungstiefe, Eigenkonstruktion und schnelle Lieferzeiten stärken unseren Wettbewerbsvorteil gegenüber größeren Marktakteuren.
GW – Welche Rolle hat Nachhaltigkeit in Ihrer Produkt- und Firmenentwicklung?
Többen – Nachhaltigkeit ist wirtschaftlich und strategisch zentral. Eine große PV-Anlage deckt einen Großteil des Strombedarfs, ein Batteriespeicher ist geplant. Kurze Lieferwege zwischen beiden Standorten reduzieren Emissionen. Zuschnittoptimierte, papierlose Prozesse sowie sortenreines Recycling erhöhen unsere Effizienz. Die eigene PVC-Extrusion minimiert den Ausschuss. Nachhaltigkeit senkt so die Kosten, und steigert Effizienz. Dies ist ein klarer Erfolgsfaktor für uns.
GW – Wie sieht Ihre Strategie zur Steigerung der Energieeffizienz bei Gebäuden aus?
Többen – Produkte wie der wärmegedämmte PUR-Aufsatzkasten „Köhler XT“ und zunehmend ZIP-Screens und Raffstoren leisten einen wichtigen Beitrag zur Regulierung des Wärmehaushalts. In Verbindung mit intelligenter Steuerungssystematik wird Sonnenschutz zu einem entscheidenden Baustein der Energieeffizienz, weit über die klassische Verdunkelung hinaus. Unsere Aufgabe besteht darin, Bauherren dieses Potenzial deutlich stärker bewusst zu machen.
GW – Wie integrieren Sie Smart-Home-Technologien in Ihre Sonnenschutzlösungen?
Többen – Unser Unternehmen arbeitet mit führenden Herstellern zusammen, übernimmt Inbetriebnahmen und bietet Schulungen an. Wichtig für uns, da viele Kunden beim Thema Smart Home noch unsicher sind. Das eigene Firmengebäude ist komplett sensorgesteuert, um Überhitzung zu vermeiden und Energie einzusparen, was die praktische Wirksamkeit solcher Systeme zeigt.
GW – Welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf Ihre Produktion und Montageprozesse?
Többen – Trotz Marktunsicherheit wird stark in Automatisierungstechnologien investiert, um Prozesse effizienter zu gestalten. Flexibilität und individuelle Fertigung bleiben jedoch zentral. Gleichzeitig setzt unser Unternehmen stark auf Mitarbeiterbindung und eine attraktive Arbeitsumgebung. Die Ausbildung von R+S-Mechatronikern ist wichtig, gestaltet sich in der Region jedoch schwierig, da die zuständige Berufsschule leider weit entfernt liegt.
GW – Was sind Ihre Zukunftsziele für das Unternehmen in den nächsten Jahren?
Többen – Als familiengeführtes Unternehmen in vierter Generation setzen wir auf flache Strukturen, schnelle Entscheidungen und unmittelbares Kundenfeedback. Der Fokus liegt nicht auf kurzfristiger Gewinnmaximierung, sondern auf langfristiger Stabilität und Attraktivität für kommende Generationen. Verantwortungsvolles Handeln soll dabei den Kunden, Mitarbeitern und der Region zugutekommen.
GW – Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen in der R+S-Branche heute?
Többen – Früher begegnete mir häufig Skepsis, vor allem bei technischen Themen. Aussagen wie „Können Sie mir mal einen Techniker geben?“ waren üblich. Durch eigene technische Entwicklung, etwa beim Aufsatzkasten Köhler XT, habe ich meine Expertise etabliert. Auf Baustellen wird zwar oft noch ein Mann erwartet, doch das kann man inzwischen gut einordnen. Mit Familie und Betrieb sind wir jedoch ein starkes Team. Positiv ist, dass zunehmend mehr Frauen in Verbänden und Gremien sichtbar werden, wie jüngste Wahlen im ITRS/IVRSA zeigen.
Das Interview führte der Ressortleiter Sonnenschutz Olaf Vögele