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Interview mit Christiane Nelles

„Wir brauchen eine starke Glasindustrie!“

GW – Frau Nelles, wie schätzen Sie allgemein die Entwicklung von Glas im Bauwesen ein? Weisen die neuesten Zahlen auf eine Verbesserung hin?

Christiane Nelles – Wir sehen bei der Herstellung von Flachglas durchaus eine positive Entwicklung. Im Bereich Floatglas haben wir bei der Menge einen Zuwachs von 5,1 Prozent und auch die Umsatzentwicklung ist mit 1,4 Prozent ansteigend. Und das betrifft direkt auch den Bausektor: Die Anzahl der Baugenehmigungen im Neubau ist im ersten Halbjahr 2025 um 5,3 Prozent angestiegen. Diese Entwicklung geht vor allen Dingen auf den Wohnbau zurück: Im Hochbau sehen wir einen Auftragseingang von 8,6 Prozent, im Wohnungsbau von 11,7 Prozent und beim gewerblichen Hochbau von 6,1 Prozent. Alles in allem eine positive Entwicklung, die sich hoffentlich im nächsten Jahr fortsetzen wird. Bei der Verarbeitung sehen wir diese Tendenz leider noch nicht: Produktion und Umsatz sind hier noch rückläufig.

GW – Recycling und Wiederverwertung zählen im Bauwesen aktuell zu den großen Themen. Wo sehen Sie Entwicklungen, um die Recycling-Quote bei Flachglas weiter zu steigern?

Nelles – Die Recyclingfähigkeit von Glas ist eine herausragende Eigenschaft. Im Behälterglasbereich gibt es bereits einen funktionierenden Recyclingkreislauf, und auch im Flachglas gibt es zunehmend Ansätze, das Glas zurückzugewinnen und wieder einzusetzen.

Hierzu sind wir (www.bvglas.de) mit anderen Verbänden in engem Austausch und beteiligen uns aktuell auch an der BDI-Studie „Zirkulärer Industriestandort Deutschland“. Ziel der Studie ist, die Chancen und Möglichkeiten einer zirkulären Wertschöpfung sowie die Stärkung der Resilienz der heimischen Wirtschaft zu untersuchen. In der Praxis sind die Flachglashersteller bereits heute, teils mit Partnern, aktiv, Flachglas aus dem Bestand zurückzugewinnen.

Wir können heute noch gar nicht absehen, was in Zukunft mit Glas noch möglich sein wird. Glas ist der Baustoff der Zukunft!

GW – Die Glasbranche ist energieintensiv. Welche konkreten Entwicklungen sehen Sie, um die Glasproduktion und Verarbeitung umweltfreundlicher zu gestalten, wo gibt es bisher Hindernisse?

Nelles – Bei der Produktion von Glas entstehen rund 80 Prozent der CO2-Emissionen in der Glasschmelze durch die Verbrennung von Erdgas. Langfristig muss es das Ziel sein, Erdgas durch klimafreundliche Alternativen, wie zum Beispiel grünen Wasserstoff, zu ersetzen. Im Flachglasbereich läge die Zukunft in Hybridwannen, die teils mit klimafreundlichen Gasen und teilelektrifiziert arbeiten. Wir haben dazu bereits eine Roadmap entwickelt, die konkrete Pfade zum Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 aufzeigt.

Allerdings müssen die politischen Rahmenbedingungen gegeben sein: Wir werden in Zukunft wesentlich mehr Grünstrom benötigen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Hierzu brauchen wir langfristig einen Industriestrompreis, der den Herstellern die Sicherheit gibt, am Standort Deutschland wirtschaftlich produzieren zu können. Dafür setzen wir uns als Verband ein. Wir haben hierzulande einen hochentwickelten Glassektor. Damit das so bleibt, brauchen wir dafür von Seiten des Bundes und der EU die passenden Rahmenbedingungen.

GW – Wo sollte bzw. müsste die Politik – Bund, Land und EU –die Glasindustrie in Deutschland unterstützen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, auch gegenüber Standorten im Ausland?

Nelles – Wir brauchen eine starke Glasindustrie, deshalb setzen wir uns für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland als wichtigen industriellen Standort ein. Und gerade die Glasbranche ist in Deutschland schon lange ansässig und bietet eine Vielzahl und Vielfalt an hochwertigen Produkten an, die auch weltweit exportiert werden.

Glas wird überwiegend aus heimischen Rohstoffen hergestellt, das macht uns auch stark und autark von Unterbrechungen von internationalen Wertschöpfungsketten. Zudem haben wir über die Herstellung hinaus auch eine Vielzahl von Unternehmen zur Verarbeitung und Veredlung im eigenen Land, die es zu stärken gilt. Wir fordern von der Regierung ein, dass sie sich für die heimische Glasindustrie stark macht.

GW – Warum ist Glas für Sie der Baustoff der Zukunft?

Nelles – Glas ist vielseitig und durch seine Transparenz gerade im Bausektor ein Werkstoff, der für Komfort, Leichtigkeit und Offenheit steht. Durch seine Vielzahl an Funktionen, wie Sonnenschutz, Dämmung, Schallschutz und Selbstreinigung, trägt er nicht nur erheblich zum Wohlbefinden bei, sondern ist auch ein wichtiger Faktor bei der Einsparung von CO2-Emissionen und Energie. Und weitere Entwicklungen, Stichwort Smartglass, werden diese Funktionen noch deutlich erweitern. Wir können heute noch gar nicht absehen, was in Zukunft noch mit Glas möglich sein wird. Glas ist der Baustoff der Zukunft!

Das Interview führte Matthias Rehberger

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