Die Novelle der EU-Bauproduktenverordnung verändert den Rechtsrahmen für Sonnenschutz, Fenster, Türen, Fassaden und Glasprodukte grundlegend. Zwei Vorträge des Symposiums von Prof. Dr.-Ing. Winfried Heusler (ift Rosenheim) und Dipl.-Ing. Martin Rücker (Ministerium Schleswig-Holstein) zeigen deutlich: Die neuen Anforderungen bringen Chancen, aber auch massive operative Herausforderungen für die Branche.
Digitaler Produktpass
Herzstück der Reform ist der Digitale Produktpass (DPP). Er soll künftig technische Leistungsmerkmale, Umweltwirkungen und relevante Stoffe jedes Bauprodukts digital abbilden. Bei einer starken Variantenvielfalt – etwa 712 Fenstertypen für ein Büroprojekt mit 6.606 Fenstern, wie Heusler anhand des Projekts QH Track Berlin zeigt – führt dies zu enormen Datenmengen und steigendem Aufwand für Hersteller .
Parallel dazu wird die Leistungs- und Konformitätserklärung (DoPC) stark erweitert. Neu eingeführt wird das Bewertungs- und Überprüfungssystem AVS 3+, das ökologische Nachhaltigkeit prüft. Die Berechnung der Umweltwirkung jedes einzelnen Produkts, die Validierung der Inputdaten durch notifizierte Stellen sowie der Wegfall eigenverantwortlicher Leistungsdeklarationen erhöhen Komplexität und Kosten. Laut Heusler wären europaweit rund 700 zusätzliche Vollzeit-Validierer nötig. Eine Größenordnung, die KMUs kaum bewältigen können .
Transparenz ist gefragt
Das Positionspapier der deutschen Fenster- und Türenbranche macht den Handlungsbedarf klar: Die Anforderungen sind ohne digitale Unterstützung kaum zu erfüllen. Die Branche fordert daher praxistaugliche Vorgaben, die Nutzung zertifizierter Software und eine Reduktion der zur Zeit ausufernden Anforderungen der Bürokratie.
Rücker legt den Fokus auf die notwendigen nationalen Anpassungen. Änderungen betreffen u. a. Musterbauordnung (MBO), MVV TB, MÜVDG und BauPG. Besonders relevant: eine klarere Definition der Verantwortlichkeiten, der Umgang mit Nichtserienfertigung sowie Übergangsregeln für EAD/ETA-Produkte.
Zudem müssen Bundesländer künftig prüfen, ob nationale Anforderungen mit delegierten EU-Rechtsakten kollidieren. Neue Bauwerksanforderungen sollen dabei transparent und leicht verständlich gestaltet werden, wie die Ampellogik in den Präsentationsfolien illustriert.
Zusammenarbeit ist wichtig
Hersteller und Systemhäuser müssen frühzeitig in digitale Prozesse, Datenqualität und Dokumentationsstrukturen investieren. Die neue BauPVO wird den Markt langfristig transparenter machen, doch der Weg dorthin verlangt ein Umdenken auf allen Ebenen. Deutlich wird: Während die BauPVO den digitalen und ökologischen Wandel stärken soll, droht vielen Unternehmen eine Überforderung. Deshalb empfehlen beide Vorträge, den gesamten Prozess von der Normung über die DoPC bis zum Digitalen Produktpass zunächst in einem Pilotsektor wie Fenster und Türen zu erproben. Zugleich wurde klar, dass ohne schrittweise Umsetzung und ausreichende Übergangsfristen Risiken für Lieferketten, Marktüberwachung und Planung entstehen. KMUs benötigen klare Leitfäden, gut strukturierte Anforderungen und zuverlässige digitale Werkzeuge, um Leistungsdaten, Nachhaltigkeitskennzahlen und Variantenvielfalt zu bewältigen.
Ebenso entscheidend ist eine enge Abstimmung zwischen Herstellern, Systemhäusern, Prüfinstituten und Behörden, um die Ziele der BauPVO wirksam und rechtssicher umzusetzen.