„Am Anfang stand die Idee, die Rohstoffe von End-of-Life Isoliergläsern für eine Wiederverwendung oder eine Verwertung unbeschädigt zu erhalten“, so Hegla Geschäftsführer Bernhard Hötger. „Denn obwohl das Recycling von Behälterglas mit einer Quote von knapp 85 Prozent eine Erfolgsgeschichte ist, wird das wirtschaftliche Potential beim Isolierglas kaum genutzt“.
Bauglas wird am Ende des Produktlebenszyklus nur selten zu Flachglas recycelt. Die Gründe dafür liegen u.a. in den hohen Anforderungen an die Reinheit des einzuschmelzenden Glasgebindes. Gelangen mit dem Material Fremdstoffe wie Metalle oder Keramik in die Floatwanne, kann dies zu schwerwiegenden Verunreinigungen führen.
Ein Teil der Herausforderung ist dabei die übliche Praxis, ISO-Einheiten und Fenster in gemischten Containern zu entsorgen. Diese Form der Sammlung macht eine qualitative Wiederverwertung fast unmöglich.
Kontrolliertes Auftrennen von Isolierglas
Ist die ISO-Einheit erst einmal in ihre Bestandteile getrennt, entstehen verschiedene Möglichkeiten zur Wiederverwertung der Gläser und der weiteren Rohstoffe. Den schnellsten wirtschaftlichen Erfolg kann dabei die sortenreine Entsorgung der beschichteten und unbeschichteten Scheiben erzielen. Als Scherben werden sie über den Schmelzofen wieder dem Materialkreislauf zugefügt.
Der Vorteil ist dreifach: Der Ankaufspreis für sortiertes Glas ist im Vergleich zum Mischcontainer höher und trägt zum Return-of-Invest der Trenntechnik bei.
Die Umwelt profitiert vom nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen und die Glashütten haben einen unmittelbaren Nutzen: Bei jedem aus Altglas hergestellten Kilo Flachglas reduziert eine zehnprozentige Erhöhung des Scherbenanteils den Energieverbrauch um durchschnittlich 3%. Die CO2-Emmission verringert sich um 5% (laut Studie der European Container Glass Federation FEVE) .
Geschätzter Zukaufbedarf von 1,1 Mio. CO2-Zertifikaten
Der erreichte technische Fortschritt lässt kaum noch eine Effizienzsteigerung bei den Glashütten zu. Insofern bietet die erhöhte Verwendung von Altglas ein relevantes und vergleichsweise einfach umsetzbares Sparpotential für einen verringerten Energieverbrauch.
Dazu kommt ein weiterer Grund: bereits seit 2005 wird der CO2-Ausstoss durch den EU Emissionshandel mit CO2 -Zertifikaten begrenzt.
Für die Zukunft geht wiederum der Deutsche Emissionshandel (DEHSt) davon aus, dass in der Glasbranche ein Zukaufbedarf von 1.1 Mio. Emissionsberechtigungen bestehen wird. Absehbar wird der Preis auf 55 bis 65 Euro pro Tonne steigen.
Umso mehr ist das qualitative Recycling von End-of-Life Isolierglas eine gute Option, Rohstoffe zu erhalten und einen Beitrag zum Klimaschutz mit zugleich wirtschaftlichem Benefit zu leisten. Das Interesse an sauberen Scherben dürfte sich dabei ebenso wie deren Ankaufswert erhöhen.
Rohstoffquelle Fenster
Ausgediente Fenster und Isoliergläser sind eine beachtenswerte Rohstoffquelle. Das Marktforschungsunternehmen Conversio schätzt, dass in Deutschland durch das Recycling 394.000 t verwertbare Wertstoffe gewonnen werden könnten. Darin enthalten sind 251.000 t Glas, ca. 75.000 bis 85.000 t Metall sowie Alu und 44.000 t PVC. Sortenrein, sauber und mir nur wenigen Rückständen getrennt besteht ein Wertschöpfungspotential, das bisher nur gering genutzt wurde.
Automatische Trennung statt Handarbeit
Das Auftrennen von Isoliergläsern ist kein neuer Vorgang. „In der Vergangenheit wurde dieser Prozess jedoch von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter händisch gemacht und war von dessen Geschick und Erfahrung abhängig“, erläutert Dr. Heinrich Ostendarp, der bei Hegla für neue Entwicklung und Innovation zuständige Geschäftsführer. „Ziel unseres Anlagenkonzepts war es daher, den Prozess zu automatisieren, um einerseits einen wirtschaftlichen Takt zu erzielen. Andererseits kann nur durch die automatischen Abläufe ein konstantes Ergebnis erzielt werden, bei dem die einzelnen Bestandteile sauber getrennt und weitgehend frei von Versiegelungsmasse sind“.
Vorteile bringt die Anlage auch für die Arbeitssicherheit. „Zwar ist die Unfallgefahr äußerst gering, doch haben wir uns für einen höheren Schutz durch die horizontale Bearbeitung entschieden“, erklärt Dr. Heinrich Ostendarp.
Automatische Erfassung
IG2Pieces erfasst die Abmessungen, die Tiefe des Aufbaus und vorhandene Beschichtungen. Die Daten stehen dann ebenso für die Bearbeitung als auch für die Folgeprozesse zur Verfügung und können z. B. über eine optionale Lasermarkierung abgerufen werden. Anhand dieser Informationen wird das Isolierglas von der Anlage automatisiert separiert.
Dazu dringt ein Spezialmesser in den Zwischenraum zwischen Spacer sowie Glas und trennt die einzelnen Bestandteile unbeschädigt. Als einfachste Anwendung wird das Glas sortenrein getrennt und mit höherem Ankaufspreis dem qualitativen Recycling zugeführt.
Reparatur von Isoliergläsern in der Produktion
„Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Reparatur von Isoliergläsern“, so Dr. Heinrich Ostendarp. Bei frisch hergestellten Einheiten kann die Anlage genutzt werden, um Scheiben mit Kratzern oder Verunreinigungen abzutrennen und neu zu bearbeiten.
Vor allem bei großflächigen Einheiten verspricht dies Vorteile, unter anderem wenn hochwertige Scheiben kostensparend erhalten oder Lieferzeiten vermieden werden können.
Seltene Ornamentscheiben, Farbgebungen oder Überformate
„Ein dritter besonderer Anwendungsfall hat sich bei seltenen und nicht reproduzierbaren Scheiben herausgestellt“, berichtet der Geschäftsführer. „Die Gläser werden zunächst aus der alten Einheit getrennt und dann wiederverwendet“.
Ob altes Ornamentglas oder spezielle Farbgebung – bei Immobilien mit Denkmalschutz oder wenn die Optik erhalten werden soll, ist die originale Wiederverwendung von Interesse. Gerade bei hochpreisigen Überformaten bieten auch das Verwahren und der Neuzuschnitt in kleinere Größen wirtschaftliche Chancen.
International variieren Gesetze
Unabhängig von den drei Varianten Recycling, Repair und Re-Use entwickeln sich die gesetzlichen Regelungen weiter. In den Niederlanden soll zukünftig ein finanzieller Anreiz für das Recycling gesetzt und so die Verwertungsquote erhöht werden.
In verschiedenen Ländern gewinnt der ökologische Fußabdruck bei Ausschreibungen eine steigende Bedeutung. Ein Nachweis einer qualitativen Entsorgung mit positiver Auswirkung auf das Klima kann dabei von Vorteil sein. Die Anlage IG2Pieces wird in verschiedenen Ausbaustufen und Automationsvarianten angeboten.