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Exklusiv-Interview

Günter Weidemann: Schollglas ist gut gerüstet für die Zukunft

Mit 20 Handels- und Produktionsstandorten für alle Arten von Flachglasanwendungen ist die Schollglas Gruppe einer der größten Player in der europäischen Glasbranche.


GLASWELT: Sehr geehrter Herr Weidemann, in der deutschen Glasbranche zählt Schollglas heute zu den führenden Unternehmen. Sie haben es aus dem Nichts aufgebaut, verraten Sie unseren Lesern Ihr Erfolgsgeheimnis?

Günter Weidemann: Es ist natürlich nicht leicht, als 1 Mann Unternehmen aus dem Nichts etwas aufzubauen. Ich kannte aber die Branche und die eingefahrenen Wege. Zudem herrschte noch der sogenannte Dreiklang als Absatzweg: Industrie – Handel – Handwerk.
Man merkte nicht, dass andere Abnehmergruppen erheblich an Bedeutung gewannen, so z.B. die Fertigfensterhersteller, die Fertighausindustrie, Betonfenster für Stall und Scheunenverglasung wurden damals n0och hergestellt und auch der Gewächshausbau wurde immer bedeutender. So gab es noch eine ganze Reihe von Absatzmöglichkeiten.
Diese Nischen habe ich konsequent ausgenutzt und war nach relativ kurzer Zeit in diesen Bereichen auch Marktführer. Natürlich gehörte nicht nur Branchenkenntnis und Liebe zum Beruf dazu, sondern auch ein überdurchschnittlicher Einsatz von täglich etwa 14-16 Stunden.

Die “Harpa“ Konzerthalle in Reykjavík wurde mitten im alten Hafen der isländischen Hauptstadt errichtet und öffnet sich mit seiner Fassade dabei auch zum Meer hin. Die Gläser stammen von Scholl Glas. - Nic Lehoux - © Nic Lehoux
Die “Harpa“ Konzerthalle in Reykjavík wurde mitten im alten Hafen der isländischen Hauptstadt errichtet und öffnet sich mit seiner Fassade dabei auch zum Meer hin. Die Gläser stammen von Scholl Glas. - Nic Lehoux
GLASWELT: Was waren dabei Ihre größten Erfolge?
Weidemann: Da möchte ich keine besonders hervorheben. All das, was ich Ihnen soeben geschildert habe, waren Erfolge und so könnte ich mindestens noch 20-30 andere erfolgreiche Beispiele hinzufügen.

GLASWELT
: Und wo gab es Niederlagen?
Weidemann: Niederlagen kenne ich nur aus dem „Sport“. Aus Niederlagen möchte ich „Schicksale“ machen. Eines, was man nie ganz verarbeiten bzw. verdrängen kann, ist, dass ich 1996 meinen einzigen Sohn durch einen tragischen Verkehrsunfall verloren habe. 2010 verstarb dann noch meine Frau durch eine schwere Krankheit. Sie hat im Laufe der Jahre viel zum Erfolg der Unternehmensgruppe beigetragen.

GLASWELT: Sie haben im Jahr 2010 die Schollglas Stiftung gegründet, u.a. um Ihre Nachfolge zu regeln. Wer übernimmt das Ruder, wenn Sie sich einmal aus der aktiven Firmenleitung zurückziehen?
Weidemann: Noch vor dem Tod meiner Frau gründeten wir gemeinsam die „Schollglas Stiftung Brigitte und Günter Weidemann“ als Unternehmensnachfolge. Damit waren die Formalitäten erledigt bzw. der Grundstein für den Fortbestand der Gruppe gesetzt. Nun musste das Ganze noch mit Leben gefüllt werden. Heute sind die Strukturen geschaffen und die handelnden Personen an Bord.

GLASWELT: Und was bedeutet das im Detail ?
Weidemann: Es braucht natürlich weiterhin eine kompetente Geschäftsführung. Diese wird durch einen erfahrenen Beirat als Aufsichtsorgan ergänzt, der nach meinem Ausscheiden zum Vorstand der Stiftung werden wird. Der Beirat hat heute noch fakultativen Charakter und kommt bereits seit 2008 mindestens einmal im Quartal zusammen, um sich entsprechend einzuarbeiten. Unser Beirat soll gemeinsam mit der operativen Geschäftsführung maßvoll und gewissenhaft nach vorne marschieren. Die Nachfolgeregelung in Form einer Stiftung sorgt daher für Stabilität und Kontinuität.

Die Glashaut des Harpa-Gebäudes in Island wurde an verschiedenen Stellen mit dichroitischem Glas mit Farbeffektbeschichtung und unterschiedlich ­reflektierenden Schichten ausgestattet. Dies zeigt sich u. a. im farbigen Schattenwurf. - Nic Lehoux - © Nic Lehoux
Die Glashaut des Harpa-Gebäudes in Island wurde an verschiedenen Stellen mit dichroitischem Glas mit Farbeffektbeschichtung und unterschiedlich ­reflektierenden Schichten ausgestattet. Dies zeigt sich u. a. im farbigen Schattenwurf. - Nic Lehoux
Die Stiftung ist Teil des Lebenswerkes von Brigitte und Günter Weidemann. Dieses zu erhalten und fortzuführen soll die Richtschnur des Handelns der Stiftung bei allen Entscheidungen sein, die für den Fortbestand der Unternehmen der Schollgruppe von Bedeutung sind. Mit anderen Worten: Der Erhalt des Unternehmens „Schollglas“ hat für die Stiftung oberste Priorität. Für die Geschäftsführung und für den Beirat bzw. später dann für den Stiftungsvorstand ist es unmissverständlich, dass das Unternehmensinteresse immer Vorrang vor den Einzelinteressen hat.

GLASWELT: Wie sieht das praktisch in der Praxis aus?
Weidemann: All das hat natürlich zur Folge, dass wir auch im personellen Bereich die Weichen für die Zukunft stellen müssen. Unser Führungs-Board als oberste Instanz ist sehr gut aufgestellt und wird sich hoffentlich gut ergänzen. Hier haben wir die richtige Mischung an langjähriger Erfahrung gepaart mit dynamischer und durchsetzungsstarker Vorgehensweise. Hinzu kommen die vielen guten und größtenteils langjährigen Geschäftsführer, Prokuristen und Leiter aus der Zentrale oder den Niederlassungen, die seit Jahren beweisen, dass Sie wissen, was zu tun ist. Wenn ich dann noch an die vielen guten und jungen Mitarbeiter denke, die wir größtenteils selbst ausgebildet haben, so kann ich Ihnen nur sagen: Wir sind gerüstet für die Zukunft! Natürlich sind viele weitere Dinge zu meiner Stiftung festgeschrieben, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen.

GLASWELT:
Noch einige Fragen zur Glasbranche allgemein, welche Veränderungen sehen Sie bei den Glasmärkten und woher kommen bzw. erwarten Sie neue Impulse?
Weidemann: „Glas“ ist ein so guter, vielfältiger und interessanter Werkstoff, der auch zukünftig noch in weiteren, anderen Bereichen Anwendung finden wird. Allerdings muss dafür die Industrie, der Handel und auch das Handwerk etwas tun und kreativ und erfinderisch sein. Ich warne davor, sich auf dem Erreichten auszuruhen, denn ich musste in meinem Berufsleben immer wieder feststellen, dass sich Märkte verändern. Viele Branchen und Bereiche, die in den ersten 10 Jahren Grundlage meines Geschäftes waren, gibt es heute nicht mehr und sind oftmals durch Marktveränderungen entfallen. In der Zwischenzeit sind aber andere Märkte und interessante Marktteilnehmer entstanden. So wird es auch in Zukunft sein. Denken Sie nur daran, wie ein gewaltiger Markt für die Branche durch Solar entstanden war und wie schnell dieser Markt wieder geschrumpft ist.

GLASWELT: Welcher Stellenwert kommt heute den veredelten Glasprodukten zu und welcher dem Service für Ihre Kunden und für Weiterverarbeiter? Sehen Sie aktuell Verlagerungen?

Weidemann: Veredelte Glasprodukte haben und bekommen auch weiterhin einen immer höheren Stellenwert. Hier schlummern für unsere Branche noch Reserven. Allerdings müssen wir das differenziert betrachten: Bei den Massen- bzw. Seriengeschäften wird China ein ernsthafter Wettbewerber bleiben. Es zeichnet sich jedoch auch ein immer stärkerer Trend in Richtung individueller Anwendung und hin zu hochwertig bearbeitenden Gläsern ab, der durch China sicherlich nicht zu befriedigen ist.

GLASWELT: Und wo wird beim Glas in Zukunft die Wertschöpfung erzeugt, welche Potenziale erkennen Sie hier für den kleinen und mittelständischen Glasveredler?
Weidemann: Wir müssen kreativ sein und die vielen guten Möglichkeiten, die unser Werkstoff Glas bietet, den Endabnehmern nahe bringen. Hier schlummern Reserven für die Branche. Viele Einfamilienhausbauer oder Besitzer von renovierungsbedürftigen Immobilien würden erwiesenermaßen wesentlich mehr Glas gerade im Innenausbau verwenden, wenn sie besser informiert, beraten und somit aufgeklärt wären. Daran muss die Branche gemeinsam weiter arbeiten.

Mit einem rauschenden Fest feierte die Glasbranche den 80. Geburtstag von Günter Weidemann.
Mit einem rauschenden Fest feierte die Glasbranche den 80. Geburtstag von Günter Weidemann.
GLASWELT:
Bei Isolierglas ist seit Jahren Vakuum-ISO im Gespräch, sehen Sie das in absehbarer Zeit als markfähiges Produkt?
Weidemann:
Das ist ein Dauerbrenner. Mindestens seit 10 Jahren geistert das Thema Vakuumglas schon durch die Branche. Auch ich bin von der Idee an sich sehr angetan. Die Praxis hat mir jedoch gezeigt, dass es für unseren individuellen Isolierglasmarkt keine Lösung gibt. Die Glasindustrie und viele Wissenschaftler haben sich hier bereits versucht, aber niemanden ist es bisher gelungen, Maschinen zu entwickeln, um das Glas „serienmäßig“ trotz der notwendigen Individualanforderungen zu produzieren, wie es ja nun einmal der Markt auch fordert. Hinzu kommt, dass die erreichbaren, technischen Werte mindestens auf 3-fach-Glas-Niveau liegen müssten, die allgemeine Erwartungshaltung liegt sogar noch deutlich höher. Dann müsste man noch Aufklärungs- und Lobbyarbeit beim Endkunden – vor allem bei den Hausfrauen – betreiben, denn gerade diese haben sicherlich mit den sogenannten „Pillars“ so ihre Probleme, die aus näherer Betrachtung doch noch recht auffällig sind und die Durchsicht zwar nicht unbedingt beeinträchtigen, aber schon die „Optik“ stören.

GLASWELT:
Und wie steht es mit 4-fach-Isolierglas, wie schätzen Sie dessen Marktchancen ein? Welche Einsatzgebiete erachten Sie dabei als relevant?
Weidemann: Ich glaube nicht, dass sich das Glas durchsetzen wird. Sicherlich wird es auch hier spezielle Anwendungsgebiete geben – von einer Entwicklung, wie es bspw. das 3-fach-Glas genommen hat, kann hier aber bestimmt keine Rede sein. Dafür verantwortlich ist nicht nur das noch höhere Gewicht des Fertigproduktes/ Fensters, sondern vor allem auch die Tatsache, dass die erreichbaren technischen Werte gar nicht exorbitant besser sind, als die eines hochwertigen 3-fach-Glases.

GLASWELT: Vorgespannte Dünngläser sind aktuell in der Branche nicht nur für Isolierglas-Anwendungen im Gespräch, wie ist ihre Meinung dazu?

Weidemann: Hier wird es sicherlich Bereiche und ganze Anwendungsindustrien geben, für die das Produkt interessant ist. Ich denke vor allem an technische Anwendungen – nicht so sehr für den Baubereich bzw. Exterieur und Interieur.

GLASWELT: Welche Vision haben Sie für die Schollglas-Gruppe und für Ihre Mitarbeiter?
Weidemann: Diese Frage habe ich eigentlich schon beantwortet, als ich das Stiftungsmodell als Unternehmensnachfolge erläutert habe. Wie gesagt, wir sind gerüstet für die Zukunft und werden auch weiterhin der verlässliche und innovative Partner innerhalb der Flachglasbranche sein. Der erhalt der Gruppe als Fortsetzung des Lebenswerkes von meiner Frau und mir hat dabei oberste Priorität. Das ist die Vision unseres Managements und die unserer Mitarbeiter

GLASWELT:
Und was wünschen Sie der Glasbranche?

Weidemann: Glas ist ein wunderbarer Werkstoff. Ich wünsche mir, dass die Branche gemeinsam für noch mehr Aufklärungs- und Lobbyarbeit sorgt und die vielen Chancen und Möglichkeiten, die es zweifelsohne noch gibt, erkennt, nutzt und danach handelt. Qualität spielt dabei eine sehr wichtige Rolle – ich bin davon überzeugt, dass bei entsprechend guter Arbeit und Qualität auch weiterhin faire Preise am Markt erzielbar sind, was sicherlich auch wünschenswert ist für die gesamte Branche.

Die Fragen stellte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT.

Informationen zum Unternehmen unter www.schollglas.com

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