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Im Interview mit Dr. Albert Rössler

Kann ein Lack überhaupt nachhaltig sein?

Glaswelt – Das Thema „nachhaltige Beschichtungen“ ist momentan in aller Munde. Inwiefern kann ein Lack eigentlich nachhaltig sein?

Dr. Rössler – Nachhaltigkeit ist ein ungemein facettenreiches Thema, das weit über den klassischen Umweltschutz hinausgeht. Nachhaltig ist letztendlich alles, was unseren Lebensraum nicht negativ beeinträchtigt, sich also nicht schädlich auf Umwelt, Gesundheit, auf das Klima und auf die verfügbaren Ressourcen auswirkt. Bei unseren Produkten bedeutet das: Ein hoher Anteil natürlicher und nachwachsender Rohstoffe ist ebenso nachhaltig wie der Verzicht auf giftige oder umweltschädliche Stoffe. Dazu kommen die Sicherheit in der Anwendung, eine gute Emissionsbilanz oder der Material- und Energieverbrauch. Der Umweltaspekt ist also wichtig, aber es gibt auch zahlreiche andere Aspekte, um einen Mehrwert im Sinne der Nachhaltigkeit zu schaffen.

Glaswelt – Seit wann kann man von nachhaltigen Lacken sprechen?

Dr. Rössler – Bei Adler haben wir bereits in den 1970er-Jahren begonnen, uns intensiv mit Wasserlacken zu beschäftigen – bis heute ist ein niedriger VOC-Gehalt ein zentraler Bestandteil jedes nachhaltigen Lacks. Außerdem haben wir schon früh umwelt- und gesundheitsschädliche Bestandteile aus den Rezepturen verbannt – also Schwermetalle, krebserregende oder toxische Stoffe. Heute sind die meisten unserer Lacke auch frei von synthetischen Nanomaterialien und Weichmachern. Der Blickwinkel wurde in den vergangenen 10, 15 Jahren zunehmend ganzheitlicher. Man betrachtet nicht das Produkt selbst, sondern den gesamten Kreislauf – von den Rohstoffen über die Herstellung und Verarbeitung bis zu den Abbauprodukten.

Glaswelt – Stichwort Kreislauf: Das Kreislaufwirtschafts-Zertifikat „Cradle to Cradle“ spielt eine wichtige Rolle für Adler. Warum?

Dr. Rössler – Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifikate gibt es, salopp gesagt, mittlerweile wie Sand am Meer, und die meisten haben sehr ähnliche Anforderungen an ein Produkt. „Cradle to Cradle“ geht noch einen Schritt weiter und prüft den gesamten Produkt-Zyklus. Der Anspruch von „Cradle to Cradle“ ist, dass das jeweilige Produkt nach dem Ende seines Lebenszyklus wieder in den Kreislauf zurückkehrt. Abfall ist kein Müll, sondern wertvolle Ressource – dieser Gedanke hat uns fasziniert.

Glaswelt – „Abfall als Ressource“ – wie kann man sich das vorstellen?

Dr. Rössler – Wenn ein Möbelstück oder Fenster mit einem hochwertigen Lack beschichtet ist, hat es eine lange Lebensdauer – auch das ist übrigens nachhaltig, denn je länger die Lebensdauer, desto weniger Ressourcen werden für Renovierung und Austausch verbraucht. Aber irgendwann ist jedes Möbelstück oder Bauteil am Ende seiner Lebensdauer angelangt und wir müssen uns fragen: Was passiert dann mit ihm? Landet es auf dem Müll, werden Ressourcen unwiederbringlich vernichtet. Deshalb muss der Anspruch sein, die Rohstoffe wieder in den Kreislauf zurückzuführen, indem man etwa alte Möbel zu Holzwerkstoffen oder Dämmmaterial wiederaufbereitet. Unser Ziel ist es, dass dabei auch dem Lack eine nützliche Funktion zukommt – etwa als Klebstoff oder zur Farbgebung.

Glaswelt – Immer mehr Produkte werden mit hohen Anteilen natürlicher Rohstoffe hergestellt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Dr. Rössler – Die Hauptbestandteile eines Lacks sind Binde- und Lösemittel. Unser Anliegen ist es, den Anteil fossiler Rohstoffe im Lack – vereinfacht gesagt also den Anteil von Erdöl – so gering wie nur möglich zu halten. Deshalb verwenden wird einerseits Wasser anstelle von erdölhaltigen Lösemitteln oder Arbeiten mit Lacken ohne Lösemittel. Und auch im Bereich der Bindemittel gibt es immer mehr Rohstoffe, die z. B. aus Biomasse statt Erdöl hergestellt werden. Dabei profitieren wir sehr von unserer langjährigen und guten Partnerschaft mit unseren Lieferanten. Einerseits gibt es im Rohstoffbereich spannende Innovationen, von denen wir profitieren, andererseits können wir auch gemeinsam mit Rohstoffherstellern maßgeschneiderte Lösungen entwickeln.

Glaswelt – Wie kann man sich den Entstehungsprozess eines neuen Lacks ­vorstellen?

Dr. Rössler – Manchmal entwickeln wir eine bestehende Rezeptur in Richtung Nachhaltigkeit weiter, indem wir fossile Rohstoffe gegen nachwachsende Rohstoffe austauschen. Manchmal gibt es konkrete Anforderungen eines Kunden, die wir umsetzen wollen. Andere Produkte werden dagegen von Grund auf neu entwickelt. Da gilt es dann, aus einem großen Pool von Rohstoffen die passenden auszuwählen und die optimale Rezeptur zu entwickeln, die in jeder Hinsicht unseren Ansprüchen genügt – der Lack soll schließlich nicht „nur“ nachhaltig sein, sondern auch unsere hohen Standards in Verarbeitungsqualität, Widerstandsfähigkeit, Optik und Haptik erfüllen.

Innovative Produktionsmethoden erlauben eine deutlich energieeffizientere Lackherstellung.

Foto: Adler

Innovative Produktionsmethoden erlauben eine deutlich energieeffizientere Lackherstellung.

Glaswelt – Wie lange dauert ein solcher Entwicklungsprozess?

Dr. Rössler – Wenn ein neues Produkt auf bestehenden Technologien aufbaut, rechnen wir meistens mit einem Jahr bis zur Marktreife, bei kompletten Neuentwicklungen kann es aber auch drei Jahre und viele tausend Arbeitsstunden ­dauern.

Glaswelt – Neben den Rohstoffen spielt die Energiebilanz eine Rolle für nachhaltige Lacke, oder?

Dr. Rössler – Auch in Sachen Energie muss man den gesamten Produktzyklus betrachten. Bei Adler verwenden wir ausschließlich Strom aus nachhaltigen Quellen und optimieren laufend unsere Energieeffizienz – unser Ziel ist es, unseren Gesamtenergieverbrauch bis 2025 um 5 % zu senken, trotz steigender Produktionsmengen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Energieaufwand, der beim Kunden entsteht – beim Lackauftrag, bei der Trocknung oder beim Schleifen.

Glaswelt – Sind Vorbehalte, was die Qualität ökologischer Produkte betrifft, gerechtfertigt?

Dr. Rössler – Heute muss man bei der Verwendung nachhaltiger Produkte keinerlei Kompromisse in Sachen Qualität oder Verarbeitbarkeit eingehen, die Beschichtungen sind absolut gleichwertig zu konventionellen Produkten. Im Gegenteil, Verarbeiter haben oft sogar entscheidende Vorteile, weil nachhaltige Produkte hinsichtlich Abfall und Emissionen optimiert oder besonders effizient zu verarbeiten sind.

Glaswelt – Adler hat jetzt ein nachhaltiges Sortiment eingeführt. Was ist das Besondere daran?

Dr. Rössler – Wir können unseren Kunden nachhaltige Beschichtungslösungen für alle Anwendungsbereiche anbieten – vom Fenster- bis zum Möbellack. Dieses Produktsortiment haben wir in der green-Linie zusammengeführt. Dazu haben wir jedes einzelne Produkt einer aufwändigen internen Zertifizierung unterzogen, nach objektiven Kriterien, die absolut gleichwertig sind zu jenen der gängigen Umweltzeichen. Nur Produkte, die in den Kategorien Umwelt, Gesundheit & Sicherheit sowie Lebensdauer den höchsten Standard erreichen, schaffen es letztendlich ins green-Sortiment. Zu jedem green-Produkt gibt es ein eigenes Nachhaltigkeits-Datenblatt, in dem das Ergebnis dieser Zertifizierung transparent dokumentiert ist. Das heißt: unsere Kunden erhalten die geprüfte Qualität, die sie von Adler gewöhnt sind – auch in Umweltbelangen.

Glaswelt – Welche Entwicklungen erwarten Sie im Bereich nachhaltiger Beschichtungen?

Dr. Rössler – Ich rechne mit vielen spannenden Weiterentwicklungen im Rohstoffbereich, nicht nur was die Nachhaltigkeit betrifft – Stichwort nachwachsende Rohstoffe –, sondern auch hinsichtlich der Funktionalität. Ein zweites zentrales Thema ist der Energiebereich, auch hier sehe ich noch viel Potential. Immer wichtiger wird dabei werden, dass die einzelnen Branchen eng zusammenarbeiten. Viele wichtige Innovationen bei Adler gingen schon in der Vergangenheit aus gemeinsamen Projekten mit Kunden, mit Rohstoff- oder Anlagenherstellern und natürlich auch mit wissenschaftlichen Einrichtungen hervor. Solche Innovations-Werkstätten werden in Zukunft immer wichtiger werden.

Auch im Anwendungsprozess, etwa bei der Trocknung, liegen große Potenziale für nachhaltiges Beschichten.

Foto: Adler

Auch im Anwendungsprozess, etwa bei der Trocknung, liegen große Potenziale für nachhaltiges Beschichten.

So tickt Adler in Schwaz/Tirol

Mit 630 MitarbeiterInnen ist Österreichs führender Hersteller von Lacken, Farben und Holzschutzmitteln 1934 von Johann Berghofer gegründet worden. Jetzt wird das Unternehmen in der dritten Generation von Andrea Berghofer geführt. 21.000 Tonnen Lack verlassen jährlich das Werk und gehen an Kunden in über 30 Ländern weltweit. Einziger Produktionsstandort ist die Adler-Werk Lackfabrik in Schwaz. Seit 2018 produziert das Unternehmen zu 100 % klimaneutral. Unvermeidbare Restemissionen kompensiert Adler durch Klimaschutz-Zertifikate.
www.adler-lacke.com

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