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Im Interview mit Heinz-Georg Weber von Siegenia

Unterwegs für effiziente Fertigungsprozesse

GLASWELT – Welchen Umfang deckt das von Ihnen angebotene Schulungsangebot ab?

Heinz-Georg Weber – Das Beratungsangebot reicht von der technischen Beratung über einen Lean-Management-Support bis zur Bereitstellung von Datentechnik oder technischen Dokumenta­tionen. Auf Wunsch unterstützen wir unsere Kun­den darüber hinaus mit Musteranschlägen, An­schlag­videos, RC-Lizenzen und Elementprüfungen.

GLASWELT – Wird die Bedeutung der Prozess­optimierung innerhalb der Betriebe von Unternehmern und den Produktionsverantwortlichen unterschiedlich wahrgenommen?

Weber – Wenn die Produktions- und Fertigungs­leiter eines Unternehmens bei uns sind, sind ­diese regelmäßig begeistert. Sehr gut kommen auch unsere praktischen Beispiele an, die wir in unserem Prüfzentrum als Musterproduktion anschaulich simulieren. Die Schulungsteilnehmer können hier unter anderem eigenhändig Fenster anschlagen und Ideen finden, wie sie ihre Pro­zesse weiter optimieren. Die bei uns erworbenen Kenntnisse werden leider nicht immer im ­eigenen Unternehmen umgesetzt. Der Inhaber ­signalisiert zwar die Bereitschaft, die Prozesse zu verändern, wird jedoch dann nicht aktiv.

GLASWELT – Mangelt es dann bei den Unternehmern am Wissen, was Prozessveränderungen bewirken können?

Weber – Es kommt durchaus vor, dass der Inhaber uns gegenüber erklärt, er würde gerne Lean-​Prozesse einführen, allerdings ohne genau zu wissen, was das eigentlich bedeutet. Hinzu kommt die Erschwernis, dass die Meinung des Propheten im eigenen Land bekanntermaßen nicht viel wert ist.

GLASWELT – Waren LEAN-Schulungen in der Pandemie-Phase möglich?

Weber – Nur sehr eingeschränkt. Wir hatten diese deshalb deutlich zurückgefahren, weil wir auch einen entsprechenden Praxisteil anbieten. Jetzt aber starten wir wieder durch und haben außerdem auch eigene Terminangebote für dieses Jahr auf unserer Website platziert. Alternativ können die Unternehmen auf Anfrage individuelle Schulungseinheiten in Anspruch nehmen.

Das Kuriose ist jedoch: Meist wollen sie ihre Prozesse eher bei einer geschäftlichen bzw. in ­einer saisonalen Flaute optimieren. Sinnvoller wäre es jedoch, gerade dann in schlanke Prozesse zu ­investieren, wenn es viel zu tun gibt.

Wenn nicht der Vorgesetzte schon Prozesse optimiert – warum sollte dann die Mannschaft die Bereitschaft dazu zeigen?

Heinz-Georg Weber

Foto: Siegenia

GLASWELT – Ich kann mir vorstellen, dass Sie mit Ihrem LEAN-Schulungspaket auch ein gern gesehener Gast in den Unternehmen sind?

Weber – Wir kommen natürlich gerne in die ­Betriebe. Das macht dann Sinn, wenn sich eine größere Gruppe ab 5 Personen für Lean, Muda 5 S, KVP, Shopfloor, TPM und mehr interessiert.

GLASWELT – Was erleben Sie live vor Ort?

Weber – Für uns ist es immer wieder erstaunlich, dass Chefs, also Prozessverantwortliche, und deren Mitarbeiter im Privaten auf sehr schöne, teure Autos Wert legen und diese auch sehr zeitaufwendig pflegen. Wenn der ­Arbeitsplatz, an dem man ja den ganzen Tag verbringt, auch so gepflegt werden würde, wäre schon viel erreicht. Umso schöner ist es natürlich, wenn mein Besuch etwas bewirkt. Kürzlich war ich bei einem Fensterbauer vor Ort und wir haben ­einige Punkte angesprochen, vor allem die „6-S-Methoden“: Sortieren, Systematisch Anordnen, Säubern, Standardisieren, Selbstdisziplin und Sicherheit. Anschließend wurde uns berichtet, dass gleich am nächsten Tag der Container auf dem Hof stand und die Fertigung von Altlasten befreit wurde. Wenn sich der Betrieb auf einige Maßnahmen verständigt und in seine Effizienz ein paar ­Tausend Euro investiert, kann sich das schnell und deutlich spürbar auszahlen.

Hier ein Bild nach der Optimierung, alles ist an seinem Platz. Heinz-Georg Weber: „Wenn wir die Maßnahmen umsetzen, sind alle zufriedener als vorher.“

Foto: Siegenia

Hier ein Bild nach der Optimierung, alles ist an seinem Platz. Heinz-Georg Weber: „Wenn wir die Maßnahmen umsetzen, sind alle zufriedener als vorher.“

GLASWELT – Sie beschränken sich bei Ihren Analysen ja nicht allein auf die Prozesse im Verlauf der Beschlagsmontage. Wie weit reicht Ihr Blick auf das „Drumherum“?

Weber – Wir fangen vorne am Parkplatz an oder auch im Chefbüro, wenn man uns freie Hand lässt. Aber unser Hauptaugenmerk gilt natürlich den Abläufen in der Fertigung. Obwohl man mittlerweile sagen muss: Es steckt nicht nur Potenzial in der Fertigung, sondern auch in der Verwaltung, also in den administrativen Bereichen.

GLASWELT – Können Sie das bitte etwas erläutern?

Weber – Wie schnell wird im Unternehmen auf Kundenanfragen reagiert? Wie schnell wurde erkannt, was der Kunde möchte, wie schnell wurde eine Lösung erarbeitet und wie schnell wurde dem Kunden eine zufriedenstellende, für alle kosteneffiziente Lösung übergeben? Das sind die in diesem ­Kontext wichtigen Fragen, die sich jedes Unternehmen stellen sollte.

GLASWELT – Wie aufwendig ist für Sie der ­Besuch in den Unternehmen, wenn es um eine Prozessoptimierung geht?

Weber – Zur Erhöhung der Kosteneffizienz haben wir unsere eigenen Optimierungsmaßnahmen kürzlich noch schlanker gestaltet. Am ersten Tag (Anreisetag) beginnen wir meist schon mit der Fertigungs-Analyse. Am zweiten Tag geht es weiter mit Ist-Aufnahmen, ggf. mit Zeitaufnahmen, Video-Analysen, digitaler Wertstrom- bzw. Materialflussanpassung (CAD-Layout), Feedback-​Runden und wir beginnen mit der Aus­arbeitung. Am dritten oder auch vierten Tag präsentieren wir unsere Ergebnisse der Fertigungsanalyse und legen gemeinsam die weiteren Maßnahmen in Form einer To-do-­Liste fest.

GLASWELT – Werden die von Ihnen erarbeiteten Vorschläge und die To-do-Liste dann auch direkt umgesetzt?

Weber – In der Regel schon. Bei den Unternehmen, die wenig oder noch nichts an Maßnahmen aus der To-do-Liste umgesetzt haben, mache ich grundsätzlich keine Anschlusstermine. Das ist weder für mich noch für das Unternehmen sinnvoll.

GLASWELT – Was ist Ihre oberste Priorität bei Ihren Schulungen?

Weber – Es geht mir und meinem Team in den Schulungen vor allem darum, das Bewusstsein der Teilnehmer dahingehend zu schärfen, ihre Prozesse selbst zu hinterfragen. Ein Beispiel: Es kommt ein Sonderauftrag herein, für den ein spezielles Zubehörprofil aus dem Lager benötigt wird. Wenn es keine ordentliche „Lagerplatz­zuordnung“ im Sinne einer Disposition gibt, können sich mit diesem Vorgang gut und gerne zwei Personen mit Suchzeiten von bis zu 30 Minuten beschäftigen. Das muss nicht sein!

Uns geht es hauptsächlich um das Verständnis der Mitarbeiter, zu erkennen und zu verinnerlichen, was wertschöpfende Tätigkeiten, aber auch was Verschwendung ist. Deshalb haben wir ein erweitertes Schulungsangebot, die „Werker-LEAN-Schulung“, erarbeitet, welches die Basis-Mitarbeiter sensibler für Arbeitsplatzgestaltung und Fertigungsprozesse machen soll.

Siegenia hat zu Schulungs­zwecken eine Musterproduk­tion eingerichtet.

Foto: Siegenia

Siegenia hat zu Schulungs­zwecken eine Musterproduk­tion eingerichtet.

GLASWELT – Ich kann mir vorstellen, dass auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, wenn man Prozesse optimiert?

Weber – Das ist auf jeden Fall so. Ich kann mich erinnern, dass eine Mitarbeiterin eines Fenster­herstellers klagte, dass sie nach der Arbeit schmerzende Füße habe und abends erschöpft sei. Wir haben dann in ihrem Aktionsumfeld eine Prozessanalyse durchgeführt und den Arbeitsplatz inkl. seiner Abläufe komplett umgestaltet. Beim Anschlusstermin fiel mir diese Mitarbeiterin fast um den Hals, weil sie dankbar war, dass es ihr aufgrund dieser Veränderungen nun so gut ging, dass sie abends wieder Sport treiben konnte.

GLASWELT – Gibt es auch Mitarbeiter, die Ihre Maßnahmen kritisch betrachten?

Weber – Zu Beginn kann dies der Fall sein. Wenn wir aber die Maßnahmen umsetzen, sind alle zufriedener als vorher. Die Prozessqualität darf nie zu Lasten der Arbeitsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit gehen. Arbeitsqualität ist letztlich Lebensqualität. Unternehmer sollten von daher erst dann zufrieden sein, wenn die Mitarbeiter auch nach der Arbeit noch fit genug sind, um ihren Freizeitaktivitäten nachzugehen.

GLASWELT – Welche Art von Fensterbau-Betrieben machen bei Ihren Schulungen im Werk mit?

Weber – Das sind ganz unterschiedliche Firmen. Meistens sind das Betriebe, die bis maximal 20.000 Fenster im Jahr produzieren. Größere Betriebe beschäftigen oft eigene Lean-Manager und haben das Prozessmanagement im Blick. In der Regel handelt es sich also eher um Betriebe, die kurz davor sind, sich von einem Handwerksbetrieb zu einem Industriebetrieb zu entwickeln. Jedoch durften wir auch schon größere Firmen mit über 100.000 FE/Jahr und mehr mit unseren speziellen Optimierungsmethoden unterstützen.

GLASWELT – Können Sie unseren Lesern zum Schluss noch einen Tipp mitgeben, welche Maßnahmen in jedem Betrieb sofort wirken?

Weber – Ein weit verbreitetes Problem: Die ­eigenen Fertigungs- und Betriebsleiter sollen sich oft selbst, also in Eigenverantwortung, um die Prozessoptimierungen kümmern. Diese sind jedoch mit dem Tagesgeschäft so eingeschränkt, dass sie im Prinzip überhaupt keine Kapazitäten mehr ­haben, um sich eigene Gedanken zur Effizienzsteigerung zu machen. Wenn nicht der Vorgesetzte schon Prozesse ­optimiert – warum sollte dann die Mannschaft die Bereitschaft dazu zeigen?

GLASWELT – Fensterhersteller sind naturgemäß fasziniert von hochwertiger Anlagentechnik. Sollte diese Faszination auch in die Prozessgestaltung übergehen?

Weber – In aufwendige Automatisierungslösun­gen wird meist bereitwillig investiert. Wenn sich ein Unternehmen eine neue Anlage in den Kopf gesetzt hat, ist es meistens nicht zu bremsen. Viel weniger kostenaufwendig, aber mindestens genauso effektiv, sind oft die Schritte zur Prozessoptimierung innerhalb der Fertigung – 20 Prozent sind da eigentlich immer drin. Auf den festen Willen zur Umsetzung von Optimierungs­potenzialen kommt es an.

GLASWELT – Besten Dank für das Gespräch und die hilfreichen Tipps.

Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund

Wenn der Betrieb in ­seine Effizienz ein paar ­Tausend Euro investiert, kann sich das schnell auszahlen.

Foto: Siegenia

Wenn der Betrieb in ­seine Effizienz ein paar ­Tausend Euro investiert, kann sich das schnell auszahlen.