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Im Interview mit Tim Starken und Martin Stöger von Remmers Industrielacke

„Wir stehen vor einer Renaissance des Holzfensters“

Glaswelt – Holzfenster sind per se durch die CO2-Speicherfähigkeit nachhaltig. Aber beim End-of-Life schaut es mit dem Holzfenster nicht so nachhaltig aus: Die müssen doch immer noch verbrannt werden, oder?

Martin Stöger – Seit 2012 gibt es eine DIN 68800, die genau festlegt, wann ein biozider Holzschutz eingesetzt werden soll und wann nicht. Leider werden die von der DIN vorgegebenen Leitplanken bei den Fensterherstellern nur unzureichend angewendet. Viele Unternehmen setzen heute Holzschutz ein, wo sie es gar nicht müssten. Ein Beispiel: Holz-Aluminium-Fenster benötigen eigentlich keine bioziden Holzschutzmittel – sofern sie nicht einer außerordentlichen Belastung ausgesetzt sind. Dann wären diese Fenster auch heute schon vollständig recycelbar und der Altholzverwertung zuzuführen und müssten nicht thermisch verwertet werden.

GW – Da wird also in Sachen Holzschutz manchmal mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Warum ist das so?

Stöger – Fensterhersteller können oft die Objekte mit den Anforderungen an den Holzschutz nicht beurteilen, weil ihnen die Informationen dazu einfach nicht vorliegen. Außerdem wäre ein projektabhängiger Biozid-Einsatz auch im Produktionsablauf nicht so einfach abzubilden. Da müssten genau dann projektbezogene Daten vorliegen, wenn das Holz mit dem Holzschutz ausgestattet werden soll – oder eben nicht.

GW – Könnten Kunden andererseits Leistungen beanstanden, weil eine Biozid-Imprägnierung im Fenster angewendet wurde, obwohl keine Notwendigkeit besteht?

Stöger – Ja, das ist so. Als Fensterbauer ist man sogar dazu verpflichtet, den Einsatz des Holzschutzmittels zu vereinbaren. Im schlimmsten Fall müssten dann die Fenster wieder ausgebaut werden, wenn der Kunde darauf besteht.

GW – Was empfehlen Sie in Sachen Imprägnierung in der Diskussion mit dem Endkunden?

Stöger – Es ist doch viel besser, mit dem Kunden den Einsatz eines Nicht-Holzschutzmittels zu vereinbaren. Dafür haben wir bereits einen Vordruck entwickelt, den die Fensterbauer gerne übernehmen können.

Wir haben mit der Imprägnierung Induline IW-130 einen physikalischen Holzschutz entwickelt, der den chemischen bioziden Holz­schutz ­substituieren kann.

Martin Stöger, Vertriebsleiter Industrie bei Remmers

Foto: Remmers

GW – Mit Remmers kann man aber auch genau dieses Thema jetzt biozidfrei abhaken?

Stöger – Ja, genau. Unser Ansatz ist die biozidfreie Imprägnierung. Wir interpretieren die DIN 68800 mit dem Schutzanspruch des Holzes – nicht mit dem Anspruch, biozide Imprägnierung anzuwenden. Es gibt keine Pflicht, einen chemischen bioziden Holzschutz anzuwenden. Wir bieten einen Schutz vor eindringendem Wasser, dafür haben wir einen physikalischen Holzschutz entwickelt, der den chemischen bioziden Holzschutz substituieren kann.

GW – Als erster Fensterhersteller in Österreich hat das steirische Unternehmen Kapo sein gesamtes Sortiment auf diese physikalische Imprägnierung umgestellt. Gibt es in Deutschland ebenso Unternehmen, die diese Umstellung jetzt angehen?

Stöger – Ja, wir sind diesbezüglich mit einigen renommierten Fensterherstellern im Austausch bis hin zur konkreten Umstellung.

GW – Ich nehme an, die biozidfreie Imprägnierung wurde ausgiebig getestet?

Tim Starken – Wir verfügen über die langjährige Expertise an den Wetterständen, sind nun aber auch zusätzlich dabei, die Wirksamkeit mit externen Prüfzertifikaten zu belegen. Unsere Kunden profitieren auch von unserer Erfahrung beim Thema Hydrophobierung in der Bau­chemie, das Geschäft betreiben wir schon seit über 70 Jahren.

Stöger – Die Herausforderung dabei ist, dass das hydrophobierte Holz auch noch über genügend Beschichtungshaftung verfügt. Seit 2015 haben wir daran gearbeitet und verfügen jetzt über die Expertise dazu. Zusätzlich werden wir eine Testreihe auf der Nordseeinsel Sylt durch ein dort ansässiges Sachverständigenbüro fahren. Ich bin mir sicher: Am Ende werden wir aufzeigen können, dass der Feuchteschutz durch diese Imprägnierung noch effektiver ist als ein reines Biozid, das sich zudem im Holz nachweislich über die Jahre abbaut.

Starken – Letztendlich kommt es doch darauf an, Holzfenster produzieren zu können, die im Wettbewerb mit anderen Rahmenmaterialien konkurrieren können. Noch sind Holzfenster deutlich teurer als PVC-Fenster. Diese Schere muss und wird kleiner werden.

Stöger – Wenn dieses Tempo bei der Automatisierung im Bereich der Holzfensterfertigung und bei der Oberflächenapplizierung anhält, dann wird mittelfristig ein Holzfenster genauso günstig angeboten werden können wie ein Kunststofffenster. Ich glaube sogar, dass wir vor einer Renaissance des Holzfensters stehen und der Holz- und Holz-Aluminium-Gesamtmarktanteil auf 35 Prozent steigen kann.

Noch sind Holzfenster ­deutlich teurer als PVC-Fenster. Diese Schere muss und wird ­kleiner werden.

Tim Starken ist seit April 2022 Geschäftsführer der Remmers Industrielacke GmbH.

Foto: Remmers

GW – Betrachten wir das End-of-Life eines Holzfensters. Woher erkennt denn das Verwertungsunternehmen, dass dieses Fenster aufgrund einer Remmers-Imprägnierung nicht der thermischen Verwertung zugeführt werden muss?

Stöger – Stand heute ist das nicht möglich. Aber es gibt auch immer mehr Fensterhersteller, die ihre Produkte mittels QR-Code oder NFC-Chip mit einer digitalen Adresse ausstatten. Damit lassen sich Informationen über die Art der Beschichtung und Imprägnierung mit allen Inhaltsstoffen hinterlegen. Damit wäre auch dieses Problem gelöst.

GW – Wird langfristig diese Entwicklung die biozide Anwendung ablösen können?

Stöger – Ich bin überzeugt, dass es in einigen Jahren immer schwerer werden wird, ein Holzschutzmittel mit Biozidanteil zu finden. Der Verbraucher und auch die EU-Kommission möchten das nicht mehr. Die Aufwände und die Zulassungen für den Biozid-Einsatz werden immer größer.

Starken – Regulatorisch ist es klar, dass der Einsatz von Biozid als Holzschutz enden wird. Die Frage ist nur, wann das geschieht.

GW – Wird diese Entwicklung auch Ihre Marktposition beeinflussen?

Stöger – Wir sind in Deutschland der Marktführer und das wollen wir auch in Europa werden. Wir geben jetzt mit so einem Produkt wieder die Schlagzahl vor und verfügen über einen wichtigen Entwicklungsvorsprung.

GW – Wie füllen Sie bei Remmers darüber hinaus noch das Thema Nachhaltigkeit mit Leben?

Stöger – Wir sehen uns neben unseren eigenen Ambitionen stetig von unseren Kunden herausgefordert und angetrieben – und das im positiven Sinne. Das Thema Nachhaltigkeit ist längst bei uns im Tagesgeschäft angekommen.

Rein bezogen auf die Fensterindustrie stellen wir neben der biozidfreien Imprägnierung, die Auswahl der verwendeten Rohstoffe sowie den Einsatz biobasierter Materialien in den Fokus. Unsere hochqualitativen Produkte steigern nicht zuletzt auch die Effizienz im Materialeinsatz beim Kunden.

GW – Was bedeutet das konkret für die Oberflächentemperatur?

Stöger – Wir schaffen es, die Temperaturen bei Anthrazitgrau RAL 7016 durch IR-reflektierende Beschichtungen von 80 °C auf 60 °C zu begrenzen. Das bewirkt einen deutlichen Stressabbau für das Element und sorgt so für eine Verlängerung der Renovierungsintervalle. Das Element wird lang­lebiger und farbtonstabiler.

GW – Und dann haben Sie noch ein Produkt auf Basis eines biomassenbilanzierten Bindemittels im Portfolio.

Stöger – Diese ökologische Beschichtung für Fenster gibt es bei uns tatsächlich bereits seit 2018. Induline LW-722 [eco] basiert auf einem biomassebilanzierten Bindemittel, für dessen Produktion fossile Rohstoffe wie Erdöl durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt werden. Auch die Treibhausgas­emissionen wurden reduziert. Remmers garantiert mit dem Einsatz dieser Beschichtung umfangreiche Nachhaltigkeit, ohne aber qualitative Abstriche machen zu müssen. Durch das Massenbilanz-Verfahren gilt: Je mehr Liter LW-722 [eco] nachgefragt und produziert werden, desto mehr fossile Rohstoffe werden am Anfang des Produktionsprozesses durch Biomasse ersetzt – die Bilanz bleibt somit stets ausgeglichen. Dieses Prinzip ist mit dem Ökostrom vergleichbar, Kunden beeinflussen durch ihre Entscheidung für nachhaltige Produkte die Gestaltung der Zukunft mit. Bei der Herstellung von einem 20 Liter Gebinde Induline LW-722 [eco] werden im Vergleich zu einem herkömmlichen Lack ca. 4 Liter Rohöl eingespart.

GW – Was kann man in Zukunft noch von Remmers erwarten?

Starken – Wir sind aktuell in einer Entwicklungsphase für ein neues Portfolio in der Beschichtung, wo wir die Nachhaltigkeit ganz besonders berücksichtigen. Darauf darf sich die Branche bereits freuen. Wir haben uns im Hause Remmers aber auch klar darauf verständigt, nur echte Nachhaltigkeit auch als solche zu vermarkten. Das unterscheidet uns sicherlich in Teilen von anderen Branchenteilnehmern.

GW – Herzlichen Dank für das offene Gespräch, und viel Erfolg für die nachhaltigen Produktinnovationen!

Das Gespräch führt via Video-Schalte Chefredakteur Daniel Mund.

Mit der wasserbasierten, hydrophobierende Imprägnierung Induline IW-130 können Holzbauteile dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden.

Foto: Remmers

Mit der wasserbasierten, hydrophobierende Imprägnierung Induline IW-130 können Holzbauteile dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden.

Die Gesprächs­partner

  • Martin Stöger ist Vertriebsleiter Industrielacke bei Remmers GmbH und seit über 17 Jahren in verantwortlichen Positionen innerhalb der Remmers Gruppe.
  • Tim Starken ist seit April 2022 Geschäftsführer der Remmers Industrielacke GmbH.