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Interview mit Sebastian Dengg

Sicherheit und Ästhetik – ja, das geht zusammen

Sicherheitsberater Sebastian Dengg

Foto: Sebastian Dengg

Sicherheitsberater Sebastian Dengg

Glaswelt – Wie lassen sich Sicherheit und Ästhetik bei Glas in Einklang bringen und bei welchen Projekten ist das relevant?

Sebastian Dengg – Nehmen Sie denkmalgeschützte Gebäude: In vielen Fällen ist es notwendig, die bestehende Gebäudehülle zu erhalten, gleichzeitig aber auch dem Anspruch nach höchster mechanischer Sicherheit gegen Beschuss und Einbruch mittels Sicherheitsverglasungen gerecht zu werden.

Bei solchen Aufgabenstellungen darf die Architektur durch die Sicherheitsanforderungen nicht beeinträchtigt werden. Das kann der Fall sein bei denkmalgeschützten Regierungsgebäuden, Museen oder einer Shopfassade, ebenso wie bei einer Privatimmobilie. Überall dort, wo keine massiven Konstruktionen ohne Rücksicht auf das Erscheinungsbild eingesetzt werden sollen.

Planer und Glas-Anbieter müssen hierbei individuelle, teils hochkomplexe Lösungen finden, die alle Anforderungen von Seiten der Bauherrschaft vereinen. Aber das ist machbar.

Glaswelt – Was suchen dabei Bauherren und was wünschen sich Planer und Architekten?

Dengg – Architekten wünschen sich in der Regel eine Kombination aus Sicherheit und Ästhetik. Dabei hat ein harmonisches Gesamtbild oberste Priorität, d. h. die Sicherheitsmaßnahmen dürfen die ästhetische Wirkung des Gebäudes nicht beeinträchtigen. Planer wollen häufig die Einbindung innovativer Technik, die eine erweiterte Sicherheit bietet. Und private Bauherren äußern häufig den Wunsch, dass sie beim Blick aus ihrem Panoramafenster nicht daran erinnert werden möchten, dass sie einen hohen Schutzbedarf haben.

Glaswelt – Lässt sich all diese Anforderungen vereinen?

Dengg – Ja, es ist möglich, ein hohes Maß an Sicherheit zu erreichen, ohne dass dies sichtbar ist. In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach einbruchsicheren und schusssicheren Sicherheitsgläsern deutlich gestiegen. Dennoch sollen sie optisch so wenig wie möglich auffallen. Das lässt sich nur durch ein abgestimmtes Sicherheitskonzept umsetzen, das alle verwendeten Gläser mit einbindet und das den Umständen vor Ort gerecht wird.

Glaswelt – Was muss dieses Konzept als Minimum beinhalten, was kann es maximal umfassen?

Schusssicheres VSG

Foto: GLASWELT Archiv

Schusssicheres VSG

Dengg – Die Basis des Konzepts ist eine sogenannte GAP-Analyse, bei der der Bestand und der gewünschte Grad an Sicherheit einander gegenübergestellt werden, um mögliche Lücken zu ermitteln. Darauf aufbauend werden Vorschläge zu konstruktiven Maßnahmen ausgearbeitet und mit den Projektbeteiligten besprochen. Hierbei wird ermittelt, ob mit relativ geringem Aufwand Teilbereiche verstärkt werden können oder ob komplette Fassadenbaugruppen ausgetauscht werden müssen. Die GAP-Analyse ist also die Basis, um den Aufwand für die Sicherheitsmaßnahmen zu ermitteln. Erfahrungsgemäß ist meist nicht nur das Glas an sich, sondern auch dessen Anbindung an das Rahmensystem ein wesentlicher Schwachpunkt, den es zu lösen gilt.

Glaswelt – Wie sieht die Umsetzung aus?

Dengg – Diese ist meist komplex und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Neben einem tiefgreifenden Verständnis des Sachverständigen bzw. Sicherheitsberaters für mechanische Sicherheit und Sicherheitsgläser, Produktionsverfahren und einem Gespür für Ästhetik, sind vielfach kreative Lösungskonzepte gefragt, um ein Gebäude sicher und ansprechend zu gestalten. Auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise darf nicht verzichtet werden, gerade wenn das gesamte Sicherheitssystem nachgerüstet werden muss.

Glaswelt – Wir haben über die Sanierung gesprochen, wie steht es mit Sicherheitssystemen für den Neubau?

Dengg – Moderne Materialien und neue Sicherheitssysteme ermöglichen dezente und elegante Konstruktionen. Es sind heute eine Reihe an geprüften Sicherheits-Verglasungssystemen auf dem Markt, die ein filigranes Design besitzen. Die Widerstandsklassen RC2 und RC3 gehören quasi schon zum guten Ton. Die Widerstandsklasse RC4 ist jedoch nicht mehr so häufig vertreten. Der Sprung von RC3 nach RC4 ist relativ groß und erfordert einen viel höheren Aufwand.

Glaswelt – Warum ist das der Fall?

Dengg – Bei RC4-Anforderungen wird das System aus Sicherheitsglas, Glasanbindung, Rahmen, Verschlusstechnik u. a. m. sehr umfassend betrachtet und muss laut gesetzlicher Vorgaben in sich sehr schlüssig konstruiert werden. Umso herausfordernder ist es, Bestandskonstruktionen in einem Maß nachzurüsten, dass es einem geprüften System der Widerstandsklasse RC4 entspricht.

Glaswelt – Bitte nennen Sie dazu Beispiele.

Dengg – Am Beispiel einer Glasfassade im Bestand gilt es zunächst die technischen Möglichkeiten der Rahmenkonstruktion zur Aufnahme neuer Sicherheitsgläser zu prüfen. Welche Widerstandsklasse ist erforderlich und welche Glasdicken und Gewichte kann der Rahmen aufnehmen? Dabei sind vor allem die statischen Grenzen der Konstruktion ausschlaggebend. Zudem spielen bauphysikalische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Ist die Ausgangssituation erfasst, gilt es ein passendes Glas zu finden oder es projektspezifisch zu entwickeln. Ist das erfolgreich gelöst, ist es aber nicht damit getan, das neue Sicherheitsglas einfach in den Bestandsrahmen einzusetzen: Neben vieler möglicher Szenarien, darf es sich z.B. nicht aus dem Rahmen brechen lassen und die Glasanbindung muss ausreichend Widerstand gegen Einbruchversuche bieten.

Glaswelt – Worauf basiert dieser Aufwand?

Dengg – Bei RC4 geht man von einem erfahrenen Profi aus, der seine Tat sorgfältig plant, also keinem Gelegenheitstäter, der beim ersten Widerstand die Flucht ergreift. Deshalb muss das gesamte Sicherheitsglas-System mit allen Details fein abgestimmt sein, vom Glas (+ Einbau) über den Rahmen bis zur Anbindung an das Mauerwerk.

Das Interview führte Matthias Rehberger

Auch im Militärmuseum von Architekt Daniel Libeskind in Dresden sind Hochleistungsgläser von Vetrotech eingesetzt.

Foto: Vetrotech Saint-Gobain / Fotograf: Christoph Seelbach

Auch im Militärmuseum von Architekt Daniel Libeskind in Dresden sind Hochleistungsgläser von Vetrotech eingesetzt.

Der Autor Sebastian Dengg

Der Experte für mechanische Sicherheitsglassysteme hat über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und Entwicklung solcher Systeme.
www.dengg-es.de.