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Befestigungstechnik im Glasbau

Es geht ohne Bohren

Bei Konstruktionen mit gebohrten Haltersystemen für die Fassadengläser sind die zu erwartenden Spannungs spitzen im Glas meist für die Bemessung der Scheiben ausschlaggebend. Kann man auf Bohrungen verzichten, ergibt sich in der Scheibe eine gleichmäßigere Spannungsverteilung in den Lasteinleitungspunkten. Das wiederum ist die Voraussetzung für eine bessere Material ausnutzung: Eine großflächigere Verteilung der Last ermöglicht es damit wirtschaftlichere, materialsparendere Konstruktionen umzusetzen.

Die flächige Lasteinleitung über eine Klebefuge bietet einen günstigen Kraftfluss im Anschluss punkt und kommt dem spröden Werkstoff Glas somit entgegen. Die Klebtechnik kann darüber hinaus wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, da man z.B. auf Bohrungen im Glas verzichten kann. Die Forschungsaktivitäten der letzten Jahre bestätigen die prinzipielle und praktische Anwendbarkeit der Klebtechnik im Glasbau und zeigen neuartige geklebte Konstruktionen und Verbindungselemente auf.

Geklebte Punkt- und Linienhalter

Klassische Elemente zur Verbindung von Glasscheiben und Unterkonstruktionen werden längs der Glaskante durch Schraubverbindungen oder mittels Bohrungen in der Glasfläche befestigt. Ziel dieser Verbindungen ist es, neben dem Lastabtrag eine hohe Transparenz zu erreichen. Durch den Einsatz der Klebtechnik kann man auf viele dieser, oft im Scheiben-Randbereich sichtbaren mechanischen Verbindungsteile (z.B. Schrauben, Punkthalter, Klammern), verzichten.

Mittels bewährter Structural Glazing (SG) Silikone lassen sich Glasscheiben durch linienförmige Klebfugen, oder seit kurzem auch durch geklebte Punkthalter, verbinden bzw. befestigen. Hierbei sind verschiedene geometrische Ausführungen möglich.

Diese mittels SG Silikonen elastisch geklebten Verbindungselemente bieten nicht nur für das Glas vorteilhafte, zwangfreie statische Lagerungsbedingungen. Entfällt beim Kleben eine zusätzliche mechanische Bearbeitung der Glaselemente (z.B. kostspielige Bohrungen im Glas) lassen sich zudem Kosten einsparen. Die flächige Lasteinleitung und die Möglichkeit etwaige Temperaturausdehnungen der Fügepartner auszugleichen sind hier weitere Vorteile. Ist es gefordert höhere Lasten abzutragen, bietet sich die Verwendung von hochmoduligen, hochfesten Klebstoffen an. Für diesen Einsatzzweck sind ebenfalls mehrere konstruktive Variationen von Punkthaltern denkbar, welche momentan in einem weiteren Forschungsvorhaben1 für die Anwender des konstruktiven Glasbaus untersucht werden.

Forschungsarbeit praktisch umgesetzt

Die Möglichkeiten Punkthalter zu kleben, wurde bereits auf der glasstec 2008 auf dem Messestand von Glas Trösch vorgestellt. Dort wurden fünf bedruckte VSG Scheiben zu einer Glaswand kombiniert. Die Verbindung zweier benachbarter Scheiben erfolgte jeweils über sechs Laschen. Diese hatten zwei Anschlüsse, an denen die geklebten Punkthalter montiert waren (Bild links).

Neben der Stabilisierung der 5,5 m hohen Scheiben, können die Befestigungselemente auch helfen Windlasten abzutragen. Diese, bei den Scheiben von außen nicht sichtbare Verbindungsvariante zeigt eine der Möglichkeiten, die Klebtechnik vorteilhaft für neue Konstruktionen zu nutzen. Im Rahmen weiterer Forschungsaktivitäten werden diese Konstruktionselemente aktuell hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit optimiert, um einen problemlosen und praxisgerechten Einsatz für Planer und ausführende Unternehmen zu ermöglichen.

Neue, geklebte Verbundbauteile

Um die Tragfähigkeit von Glasschwertern zu erhöhen, wurde in einem weiteren Forschungsprojekt2 die Anwendbarkeit von strukturellen Klebverbindungen als Fügeverfahren zur Herstellung von teiltransparenten Verbundbauteilen aus Stahl und Glas untersucht. Hierfür wurden Bauteile gefertigt, die Spannweiten zwischen 6 bis 11 m Länge überbrücken können. Über ihre Teiltransparenz hinaus sollen diese geklebten Verbundbauteile in der Lage sein, die übliche Las ten im Bauwesens abzutragen.

Glas kann sehr große Druckkräfte aufnehmen aber nur vergleichsweise geringe Zugkräfte, weshalb sich konstruktiv eingesetzte Glaselemente grundsätzlich als druckbeanspruchte Konstruktionselemente eignen. Aufgrund seines Sprödbruchversagens und der hohen Schlaganfälligkeit ist der Einsatz reiner Glasstützen jedoch immer mit einem hohen Versagensrisiko für das Gesamtelement verbunden.

Eine geklebte Hybridstütze z.B. als Kastenprofil aus einem metallischen Werkstoff (hohe Duktilität, d.h. Verformbarkeit) und Glas kann für dieses Problem Abhilfe schaffen. So ergibt sich ein Bauteil, das in der Lage ist, hohe Lasten abzutragen und zugleich filigran und leicht erscheint.

Im Vergleich zu reinen Glasstützen ist der Einsatz von Glasbiegeträgern im Glas- und Fassadenbau weit verbreitet. Sie finden Ihre Anwendung sowohl vertikal als auch horizontal ausgerichtet in Fassaden oder Bauwerken des konstruktiven Glasbaus. Hierbei tragen sie z.B. Eigen- und Windlasten in Konstruktionen durch Biegung an Unterkonstruktionen ab.

Auch ihr Einsatz in Rahmentragwerken wurde bereits mehrfach realisiert. Durch die Fähigkeit von Glas, Zugkräfte nur bedingt aufnehmen zu können und bei Überschreitung der Festigkeitsgrenzen spontan zu versagen, sind diesen Elementen hinsichtlich der aufnehmbaren Last sowie den Abmessungen Grenzen gesetzt.

Durch das Aufkleben von Stahlflanschen, sodass eine Querschnittsform entsteht (ähnlich der bekannten Walzträger im Stahlbau), lassen sich diese Belastungsgrenzen gegenüber reinen Glasträgern beträchtlich erweitern. In Abhängigkeit der konstruktiven Ausführung verwendeter Flanschmaterialen (nichtrostender Stahl, Aluminium, Stahl) und dem verwendeten Klebstoffsystem, lassen sich durch diese Methode beträchtliche Laststeigerungen erreichen.

Auch Rahmenecken aus Glas werden nach dem derzeitigen Stand der Technik mithilfe von metallischen Verbindungselementen realisiert. Um den Grad der Transparenz dieser Bauteile zu erhöhen, ist es von Seiten der Architektur wünschenswert, diese Verbindungselemente weitestgehend zu minimieren. Durch die Verwendung einer flächigen Klebefuge zur Verbindung dieser Glasschwerter, kann einer solchen Forderung bestens nachgekommen werden.

Ausblick

Diese vorgestellten Beispiele geben einen Einblick über die Möglichkeiten und Impulse, die die Klebtechnik im konstruktiven Glasbau in Bezug auf seine Konstruktionsvielfalt geben kann. Der Entwicklungsprozess auf diesem Gebiet schreitet ständig voran. Die Auswahl eines geeigneten Klebstoffsystems hängt dabei von dem Einsatzzweck innerhalb der geplanten Konstruktion ab. Hierzu gibt es einige Faktoren zu beachten, die im zweiten Artikelteil in der nächsten GLASWELT-Ausgabe besprochen werden.—

1 Projektpartner: RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau; TU Kaiserslautern, AWOK

2 Projektpartner: TU Kaiserslautern, AWOK

Die Autoren

Martin Bues und Marcus Illguth sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau der Hochschule München, unter Leitung von Prof. Ömer Bucak. Bues und Illguth bearbeiten die Forschungsprogramme des konstruktiven Glas- und Fassadenbaus sowie der Klebtechnik.

Labor für Stahl- und Leichtmetallbau

Hochschule München

Tel. (0 89) 12 65 26 11

martin.bues@laborsl.de

illguth@laborsl.de

https://www.laborsl.de/

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