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Im Interview mit Christian Sünderwald

„Die Tür ist eine universelle Metapher für das Leben selbst“

Glaswelt – Was reizt Sie als Fotograf, immer wieder Türen vor die Linse zu nehmen?

Christian Sünderwald – Als Fotograf bin ich fasziniert von den Geschichten, die in scheinbar alltäglichen Dingen verborgen liegen. Die Tür ist für mich das perfekte Symbol für die Übergänge im Leben und die vielen Entscheidungen, die wir für uns zu treffen haben. Jede Tür, die ich fotografiere, erzählt eine eigene Geschichte, nicht nur über die Menschen, die sie benutzt haben, sondern auch über die Epoche, aus der sie stammt. Seien es die prächtigen Portale alter Schlösser oder eher moderne Sicherheitstüren – jede Tür ist ein einzigartiges Artefakt, das die Kultur und Zeit aus der sie stammt widerspiegelt.

GW – Wie verbinden Sie Ihr Türenbuch mit dem Sinn des Lebens?

Sünderwald – Die Tür ist eine universelle Metapher für das Leben selbst. Wenn man tiefer darüber nachdenkt, repräsentiert sie eine Entscheidung, ja sogar die Markierung eines Lebenskapitels, das entweder abgeschlossen oder neu begonnen wird. In meinem Buch kombiniere ich Fotografien von Türen mit Aphorismen, um die Komplexität unserer Lebenspfade darzustellen. Ich möchte, dass die Leser angeregt werden, über ihre eigenen Entscheidungen und Übergänge im Leben nachzudenken und sich zu fragen: „Welche Türen habe ich bislang geöffnet und welche geschlossen? Welche Auswirkung hatte das jeweils auf meinen bisherigen Lebensweg?“ Das Geheimnis eines sinnerfüllten Daseins liegt meines Erachtens nicht darin, stets die „richtige“ Tür zu wählen, sondern vielmehr darin, jede gewählte und geöffnete Tür als Entfaltung des eigenen Lebens zu akzeptieren. In dem Moment, in dem wir eine Tür hinter uns schließen und durch eine andere schreiten, sollten wir nicht mit zögerndem Blick zurückverweilen, uns fragend, ob das Schicksal uns vielleicht wohlwollender durch die andere Pforte geführt hätte. Das Leben entfaltet sich im unablässigen Fluss des Jetzt, in dem wir unseren Pfad für die vor uns liegende Zukunft gestalten können. Die Vergangenheit, mit all ihren endgültigen Entscheidungen, ist ein versiegelter Kodex, den kein Bedauern mehr ändern kann.

GW – Welches ist Ihre Lieblingstür im Buch?

Sünderwald – Eine ausgesprochene Lieblingstür gibt es so nicht. Es ist aber auf jeden Fall keine besonders prunkvolle oder technisch ausgefeilte Tür, sondern eher eine alte, verwitterte Tür, an der der Zahn der Zeit schon genagt und seine unübersehbaren Spuren des Lebens hinterlassen hat. Solche Türen bergen für mich Mysterien und auch Sehnsüchte des Lebens. Ich frage mich, mit welchen Hoffnungen, Erwartungen oder konkreten Absichten sie geöffnet und geschlossen wurden und welche Geschichten sie erzählen könnten.

GW – Ihre Bilder stammen aus aufgegebenen Bauwerken. Wie kommt es zu dieser Begeisterung für „Lost Places“?

Sünderwald – Lost Places haben eine besondere Ästhetik und ganz eigene Atmosphäre. Man könnte positiv auch von morbidem Charme sprechen. Sie sind Orte des Verfalls, aber auch Zeugnisse des Lebens, das einst dort stattfand. Diese aufgegebenen Orte sind wie stumme Zeugen der Vergangenheit und geben den Türen, die ich fotografiere, einen besonderen Kontext. Sie sind wie ein Portal zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart und verkörpern die unaufhaltsame Vergänglichkeit von ­allem.

GW – Die Türenbilder sind garniert mit Aphorismen. Also ein Gedanke, ein Urteil oder eine Lebensweisheit. Sind diese alle von Ihnen?

Sünderwald – Ja, die Aphorismen in diesem Buch stammen tatsächlich alle von mir. Allerdings beanspruche ich für mich nicht, derjenige zu sein, der die zugrundeliegenden Gedanken zum ersten Mal gedacht hatte. Die kurzen Texte sollen die visuelle Botschaft der Türen vertiefen und den Betrachter zur eigenen Reflexion anregen.

GW – Vielen Dank für das Ansichtsexpemplar. Ich kann das Türenbuch gerade mit den zugehörigen Texten wirklich empfehlen. ­

Ins Türenbuch reingeschaut hat Chefredakteur Daniel Mund.

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