Jürgen Sieber schreibt im Wortlaut: „Bei diesen Aussagen müssen ein paar physikalische Punkte berücksichtigt werden.
Der Terminus „Mythos“ unterstellt, dass die unter diesem Begriff erwähnten Punkte in der Realität nicht existieren. Wir sprechen hier aber über Bauphysik und somit im weiteren Sinne über praktisch angewandte Mathematik, welche real existiert. Dies zeigen die in diesem Zusammenhang deutlich ansteigenden Schadensfälle in meinem Gutachterbüro.
Tauwasser im Falz tritt immer dann auf, wenn keine Feuchtraumabluftanlagen vorhanden sind und ein Dampfdruckgefälle von innen nach außen vorherrscht.
Dieses Dampfdruckgefälle, umgangssprachlich auch Überdruck genannt, wird bereits im Jahr 2010 in der DIN 4108, Teil 8 erwähnt – übrigens inklusive des unumgänglichen Kondensats im Fensterfalz. Je dichter Gebäude gebaut werden und je höher die Raumtemperatur und die relative Luftfeuchtigkeit sind, desto höher ist der Überdruck.
Die TU Graz und die TU Karlsruhe haben bereits im Jahr 2013 Studien zum Thema Überdruck in Niedrigenergiehäusern durchgeführt. Aktuell hat auch das Baubiologische Institut in Wien zu diesen Problemen publiziert.
In Extremfällen kann der Überdruck deutlich über 10 Pascal hinausgehen. Das bedeutet, dass eine Öffnung in der inneren Dichtebene der Fenster zwangsläufig zu Feuchtigkeit im Falz führt. Diesem Überdruck sind die Falzlüftungssysteme nicht gewachsen.
Gefährlich wird es in der Regel ab einem Blower-Door-Wert von ≤ 0,8 n₅₀/h.
Entwässerungsöffnungen im Fokus
Die Entwässerungsöffnungen der Fenster dienen dazu, Wasserdampf und eingedrungenes Wasser abzuführen, welches trotz aller Gegenmaßnahmen nicht vom Eindringen abgehalten werden konnte. Kondensat von Fensterfalzlüftern zählt hier nicht dazu. Der Fensterfalz ist keinesfalls dazu ausgelegt, zusätzliche Feuchtigkeit anderer Bauteile auszuleiten, die bei der Konstruktion des Fensters nicht vorgesehen waren.
Hinzu kommt, dass erwärmte Raumluft, welche in den Fensterfalz eindringt, nicht schlagartig zu Wasser kondensiert. Die eingedrungene Raumluft verbleibt eine gewisse Zeit als Wasserdampf im Falz und kann sich dabei über Dampfdruckausgleichsöffnungen (nomen est omen), Öffnungen zum Glasfalz etc. in der Fensterkonstruktion verteilen. Dieser Effekt der Dampfbildung wird bei dunklen Fensteroberflächen noch verstärkt.
Bei Kunststofffenstern führt dies zu aufsteigender Feuchtigkeit in den Glasfalz (siehe Foto linke Seite). Bei Holz- und Holz-Alu-Fenstern sind Dampfbildung und Kondensat im Falzbereich deutlich gefährlicher. Sie können bei längerer Einwirkung zu Holzzerstörung führen.
Richtig ist, dass Fensterfalzlüfter bei richtiger Auslegung helfen können, ein Gebäude zu belüften. Es muss jedoch deutlich darüber aufgeklärt werden, dass diese Falzlüfter eine gefährliche Kehrseite haben können. Solange sich Fensterfalzlüfter nicht gegen einen raumseitigen Überdruck verschließen können, führen sie zusätzliche Feuchtigkeit in den Fensterfalz ein, die dort nichts zu suchen hat. Befindet sich vor dem Falzlüfter ein geschlossener Rollladen und wird bei Überdruck die Luft ausgeleitet, so entsteht Kondensat bzw. Eis am geschlossenen Rollladenpanzer.
Wer mit einem Ausschnitt die innere Dichtebene eines Fensters öffnet, sollte sich in der Bauphysik auskennen, denn physikalisch betrachtet sind Fensterfalzlüfter nichts anderes als ein Loch im Fenster und ganz gewiss kein Mythos.“

Foto: Jürgen Sieber

Foto: Jürgen Sieber
Darum geht es im Mythos 12: Fensterfalzlüfter können zu Tauwasserproblemen im Fensterfalz führen
In der GW 07/25 haben wir in einem zweiteiligen Beitrag über Mythen im Zusammenhang mit Fensterfalzlüftern berichtet. Wir zeigen hier noch einmal den Aspekt (formuliert von Achim Kockler, GF Innoperfom), um den es Jürgen Sieber in seiner Stellungnahme ging.
„Grundsätzlich gilt: Tauwasser kann sich nur beim Ausströmen der Luft bilden. So kann bei allen Lüftungssystemen Tauwasser entstehen, wenn im Winter beim Abkühlen feuchter Raumluft der Taupunkt unterschritten wird. Daher muss ein Kondensatablauf konstruktiv berücksichtigt sein.
Bei arimeo Falzlüftern ist dies die wasserführende Ebene des Fensters. Die Luftführung durch den Fensterfalz ist so gewählt, dass eventuelles Tauwasser durch die Entwässerung des Fensters abgeführt wird.
Übrigens: Beim Einsatz von Falzlüftern zur Nachströmung für permanent laufende Badventilatoren kann man sogar ausschließen, dass im Winter Tauwasser im Bereich der Falzlüfter entsteht. Denn die Luft erwärmt sich beim Einströmen.