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Im Interview mit Martin Hering, Biotrans

„Unsere Verwertungsquote liegt bei über 95 Prozent – mehr geht (noch) nicht“

Glaswelt – Herr Hering, wie viel Tonnen Fensterschrott hat Biotrans im letzten Jahr erfasst?

Martin Hering – 2020 waren es rund 20 000 Tonnen. Wobei sich das aufteilt in 60 Prozent PVC-Fenster und 40 Prozent in Holz- und teilweise Aluminium-Fenster.

Glaswelt – Hat sich an diesem Verhältnis in den letzten Jahren etwas verändert?

Hering – Ja, der Rücklauf von PVC wird immer stärker, früher war mal das Holz der dominierende Wertstoff beim Einsammeln.

Glaswelt – Ist dieses veränderte Verhältnis für Sie von Vorteil?

Hering – Das kommt uns durchaus entgegen. Altfenster aus Holz geben wir als behandeltes und somit schadstoffbelastetes Altholz der Kategorie 4 speziellen Kraftwerken zur thermischen Kraft-Wärme Gewinnung frei. Der PVC-Wertstoff ist für uns das hochwertige Material und wird dem Recyclingkreislauf wieder zugeführt.

Glaswelt – Wie hat sich die Recyclingsituation in Pandemiezeiten verändert? Profitieren Sie von der guten Branchensituation?

Hering – Ja, das kann man so sagen. Wir haben deutlich mehr Altfenster einsammeln können als in der Zeit vor der Pandemie. Man spürt, dass der Fenstermarkt boomt. Auf der anderen Seite spürt man jetzt auch, dass viele Baustellen durch Lieferverzögerungen nicht angefahren werden können. Der Markt dreht sich aber auf hohem Niveau.

Glaswelt – Die herstellenden Betriebe und auch die Systemgeber klagen über Versorgungsengpässe. Schlägt jetzt nicht die Stunde für eine noch intensivere Recyclingverwertung?

Hering –Wir verwerten schon jetzt sehr intensiv, unsere Verwertungsquote liegt bei 95 Prozent. Das bedeutet, dass von den eingesammelten Fenstern nur etwa fünf Prozent an Material übrigbleibt, das nicht wiederverwertet werden kann.

Glaswelt – Was halten Sie von Profilen aus 100 %-Recyclingmaterial?

Hering – Wir begrüßen diese Entwicklungen! Es ist sicherlich auch eine Designfrage, aber rein technisch gesehen sind die Fenster mit ausschließlichem Recyclinganteil sogar etwas besser als Fenster mit einem Kombinations-­Anteil.

Glaswelt – Wie beurteilen Sie die Haltung des EU-Parlaments im letzten Jahr, die Vorlage der EU-Kommission zur Handhabung von Recyclat in Fenstern abzulehnen?

Hering – Wir betrachten das Altfenster aus PVC als einen sehr hochwertigen Stoff – auch wenn im Material noch Blei gebunden sein sollte. Schließlich kann dieses Blei daraus nicht entweichen. In ­Brüssel gibt es eben diese non-toxit-Diskussion, die ­beinhaltet, dass keinerlei Gefahrenstoffe im ­Recyclat enthalten sein dürfen. Die PVC-Lobbyverbände sind aber dabei, auf die Entscheider in Brüssel so einzuwirken, dass hier eine vernünftige Lösung gefunden werden kann.

Glaswelt – Müssen Altfenster bei der Entsorgung vorsortiert werden oder können komplette Altfenster in den Container?

Hering – Wir entzerren für den Fensterbaubetrieb die Entsorgungssituation auf der Baustelle. In unsere stationären Container beim Fensterbetrieb oder auf der Baustelle dürfen ausgediente Bauelemente, bestehend aus Holz, PVC oder Metall mit Verglasung, Beschlägen, Rollladenpanzer eingefüllt werden – selbstverständlich unter vollständiger Dokumentation bzw. Berücksichtigung der Altholzverordnung. Sogar Bruchglas und auch Glasbausteine dürfen enthalten sein. Das macht es für den Fensterbetrieb sehr einfach, da die bisherige, zumeist sehr aufwendige Sortierung komplett entfällt und zudem das Ein-Container-System ganz erheblich Patz spart.

Wir übernehmen Stoffströme zum Teil in bereits entglaster Form, aber auch mit vollständiger Verglasung. Uns sind beide Varianten recht, da wir nach der Verarbeitung in unserer Aufbereitungsanlage über entsprechende Materialausgänge verfügen. Wir zerlegen das Alt-Element in seine Bestandteile und bereiten beim Kunststoff die erste Recyclingstufe (Stage 1) auf. Diesen PVC-Vorbruch können dann die Recyclingbetriebe wie beispielsweise Veka UT in Behringen (Thüringen) weiterverarbeiten.

Auch Aluminiumfenster zerlegen wir in seine Komponenten, diese werden aber von uns nicht geschreddert. Dieser Prozess obliegt dann der Aluminiumindustrie, die haben dafür spezielle Verfahren.

GLASWELT – Können Sie uns über die Recyclingkosten oder -einnahmen informieren? Muss man für einen Container mit unsortierten Bauelementen bezahlen?

Hering – In der Regel ist das von uns angebotene Containersystem für den Fensterbetrieb ökologisch und ökonomisch sehr interessant, da in der Folge oft auch beträchtliche Einsparungen zu erwarten sind. Er muss für unsere Dienstleistung bezahlen, ist aber in der Regel deutlich höhere Kosten gewohnt, wenn er die Elemente zum örtlichen Entsorger fährt oder unter hohem Personaleinsatz die Altfenster selbst sortiert. Wir subventionieren mit diesem Erlös zum Teil unser Sammelsystem.

Glaswelt – Cradle-to-Cradle-Pionier Michael Braungart sagt, dass es bei Fenstern kein echtes Recycling gibt, sondern nur ein Down­cycling. Wie stehen Sie zu dieser ­Aussage?

Hering – Das kann ich so nicht teilen. Wir wissen schließlich, wo die Bestandteile eines Altfensters hingehen. Der von uns eingesammelte Stahl und das Aluminium ist quasi hundertprozentig wiederverwertbar. Das Glas wird auch hochwertig aufbereitet und geht in die Verkehrstechnik bzw. Industrie. Altes PVC-Material kommt zurück in den Wertstoffkreislauf und kann viele Male wiederverwertet werden – bei einer Laufzeit von mehreren hundert Jahren.

Glaswelt – Die Digitalisierung ist mittlerweile auch beim Fensterbau angekommen. Was wurde und was kann alles im Recyclingprozess digitalisiert werden?

Hering – Digitale Chips im Fenster mit wichtigen Informationen über die Materialzusammenstellungen – insbesondere über die PVC-­Rezeptur und die Edelgaskonzentrationen im Glas – können in ferner Zukunft auch für die Recyclingbetriebe hilfreich sein.

Schon jetzt hilft uns die Digitalisierung in vielen Bereichen: So fahren wir mit Telematik und wissen genau, wo unsere Lkws sind, wo die Container stehen und welchen Füllgrad diese ­haben.

GLASWELT – Wo kann der Montagebetrieb Container von Biotrans benutzen?

Hering – Unsere momentane Ausdehnung erstreckt sich von derzeit Stuttgart bis Kiel und von den Benelux-Staaten bis etwa Eisenach. Neue Gebiete kommen sukzessive hinzu.

Glaswelt – Ist die FRONTALE für Sie relevant?

Hering – Wir freuen uns auf die Messe, auf der wir bereits 2018 mit großem Erfolg präsent waren. Dort sprechen wir ein breites Publikum an und können sehr gute Kontakte herstellen. Wir hoffen natürlich, dass die Frontale auch im Frühjahr 2022 unter Covid-19 Bedingungen stattfinden kann und einen ähnlich großen Besucherstrom hat.

Glaswelt – Herr Hering, herzlichen Dank für Ihre Antworten und viel Erfolg weiterhin bei der Erreichung Ihrer Recycling-Ziele!

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

Der Container kommt termingerecht zur Baustelle und wird nach Meldung „voll” zuverlässig abgeholt. Fenster und Bauelemente werden komplett entsorgt. Trennen, Zerlegen und Recyceln übernimmt Biotrans.

Foto: Biotrans GmbH

Der Container kommt termingerecht zur Baustelle und wird nach Meldung „voll” zuverlässig abgeholt. Fenster und Bauelemente werden komplett entsorgt. Trennen, Zerlegen und Recyceln übernimmt Biotrans.