Mit einem Teilnehmerrekord von 375 Personen setzte der diesjährige Jahreskongress des Verbands Fenster + Fassade (VFF) ein deutliches Zeichen: Die Branche zeigt Präsenz, sucht Orientierung – und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. In Berlin diskutierten Unternehmerinnen und Unternehmer, Systemgeber, Vertreter der Politik und weitere Branchenteilnehmer intensiv über aktuelle Herausforderungen, neue politische Rahmenbedingungen und konkrete Lösungen für die Transformation des Gebäudesektors. Die Stimmung war positiv, der Austausch intensiv, die Erwartungen klar: Es braucht verlässliche Politik, einfachere Förderstrukturen und mehr Digitalisierung.
Politik muss liefern – die Branche ist bereit
Zum Auftakt betonte VFF-Geschäftsführer Frank Lange im Kongressfilm: „Es ist Zeit, dass wir nach vorne gehen.“ Diese Aufbruchsstimmung zog sich durch die gesamte Veranstaltung. Der Präsident des ifo Instituts, Prof. Clemens Fuest, beschrieb die wirtschaftliche Lage als „Stagflation“ – eine Mischung aus Preissteigerungen und Investitionszurückhaltung. Die Zinslage beruhige sich zwar, aber die unterdurchschnittlich hohen Arbeitszeiten und stagnierende Investitionen seien ein strukturelles Problem. Fuest rief zu wirtschaftspolitischen Reformen auf, um Deutschlands industrielle Basis zu stärken.

Daniel Mund / GW
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus forderte ein stabiles, langfristig planbares Förderregime für die energetische Sanierung. Steuerliche Anreize müssten dauerhaft gelten, CO₂-Bepreisung müsse mit klarer Förderung flankiert werden. Der Verband solle seine Lösungen mutig in die Politik tragen, so Brinkhaus: Kreative Ansätze, serielle Fertigung und Effizienzpotenziale machten die Branche zu einem entscheidenden Akteur beim klimafreundlichen Umbau des Gebäudesektors.
Gunther Adler, ehemaliger Staatssekretär im Bauministerium und heute ZIA-Geschäftsführer, sprach sich ebenfalls für eine klare, einfach zugängliche Förderlandschaft aus. Er forderte zwei Förderlinien – für Neubau und Bestand – sowie sozial gerechte Alternativen zur steuerlichen Abschreibung. Politik dürfe Vertrauen nicht durch ständige Kurswechsel verspielen.
Podiumsdiskussion: Vertrauen, Tempo, Klarheit

Daniel Mund / GW
In einer Podiumsdiskussion mit Dr. Antje Eichler (HDB), Corinna Enders (dena) und Gunther Adler wurde der Blick auf die Umsetzungsebene gelenkt. Bürokratieabbau war eines der Hauptanliegen. Eichler beklagte einen zunehmenden Formalismus, der den Dialog mit Behörden erschwere. Enders betonte die Rolle der Kommunen: Öffentliche Gebäude müssten saniert werden – dafür brauche es Mittel, Prozesse und Transparenz.
Konsens herrschte darin, dass Fördermittel effizienter und praxistauglicher eingesetzt werden müssen. Serielle Sanierung, standardisierte Verfahren und quartiersbezogene Ansätze wie KfW 432 könnten helfen, den Gebäudesektor zu beschleunigen. Gleichzeitig dürften ambitionierte Maßnahmen durch Mindeststandards nicht ausgebremst werden. Digitalisierung – insbesondere BIM – müsse sich an der Umsetzung orientieren, nicht an theoretischen Verfahren.
Ein neues Format, das hier erstmals vorgestellt wurde, ist das von der dena initiierte Bündnis „Grüne Gebäudewende“, das auch der VFF mitträgt. Ziel ist es, gemeinsam mit allen Akteuren an Lösungen zu arbeiten und diese in den politischen Dialog einzubringen.
Blick über den Tellerrand: Inspiration und Veränderungsimpulse
Die Impulsvorträge von Anja Förster, Tim Cole und Florence Gaub brachten frische Perspektiven. Förster sprach über das Denken in „unendlichen Spielen“ – bei denen es nicht ums Gewinnen geht, sondern darum, möglichst lange mitzuspielen. Ihre zentrale Frage lautete: „Lerne ich so schnell, wie die Welt sich verändert?“
Tim Cole hob die schleppende Digitalisierung der Baubranche hervor: Es fehlten Schnittstellen, Systemoffenheit und Mut zu neuen Standards. Florence Gaub schließlich beschrieb Zukunft nicht als Ziel, sondern als Möglichkeitsraum, den wir durch heutiges Handeln mitgestalten. Ihre Botschaft: Zukunft ist gestaltbar – wenn wir Verantwortung übernehmen.
Mehr Platz beim nächsten Mal – Versprochen!
Das Netzwerken kam trotz dichtem Programm nicht zu kurz – auch wenn der Vortragssaal und das Hotel räumlich an ihre Grenzen stießen, wie übrigens auch schon im letzten Jahr. Der hohe Zuspruch spiegelt den wachsenden Einfluss und das Mitgliederwachstum des VFF wider. VFF-Präsident Helmut Meeth versprach mit einem Augenzwinkern: „Im nächsten Jahr in Göttingen wird es mehr Platz geben.“ Der nächste Jahreskongress findet am 18. Juni 2026 statt, flankiert von der Technik-Tagung am Vortag.