Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Glasbau in der Schweiz (Teil 02)

SIA 2057 vs. DIN 18008

Bei der Bemessung von VSG und Verbundgläsern (VG) besteht in der Schweiz neben dem vereinfachten Verfahren (bei dem der Schubverbund nicht bemessen wird) auch die Möglichkeit, den Schubverbund der Zwischenlage eines VSG zu berücksichtigen.

Beim vereinfachten Verfahren für VG und VSG gilt (wie auch nach DIN 18008), dass ein günstig wirkender Schubverbund bei der Spannungsermittlung nicht berücksichtigt werden darf. Jedoch im Fall einer ungünstigen Wirkung berücksichtigt werden muss (z. B. Isolierglas). Im Gegenzug darf der Bemessungswert der Zugspannung um 10 % erhöht werden und bei der Verformungsermittlung ein Schubmodul von G = 0.4 N/mm2 für kurzzeitige Einwirkungen angesetzt werden.

Eine genauere Berücksichtigung des zeit- und temperaturabhängigen Schubverbunds der Zwischenschicht ist zulässig, sofern bestimmte Regeln eingehalten werden. Zum einen muss das Berechnungsmodell in der Lage sein, den teilweisen Verbund in geeigneter Weise abzubilden. Zum anderen gilt es, für die jeweiligen Lastfälle den Schubverbund in Abhängigkeit von Temperatur und Lasteinwirkungsdauer korrekt anzusetzen. Dazu sind im Anhang des Merkblatts Richtwerte für Temperaturen und Einwirkungsdauern angegeben.

Absturzsichernde Verglasungen

Bei den absturzsichernden Verglasungen sind auf den ersten Blick einige Übereinstimmungen mit der DIN 18008-4 zu sehen. So erfolgt die Kategorisierung bzw. Gruppierung anhand identischer Kriterien. In der Gruppe 1 (DIN Kategorie A) werden zusätzlich seitlich gehaltene absturzsichernde Verglasungen, sogenannte französische Balkone, und unten eingespannte Glasbrüstungen ohne Kantenschutz und ohne Holm (Gruppe 1C) aufgenommen.

Je nach Konstruktion werden die Anforderungen präzisiert. Bei den Anwendungsbereichen werden die horizontalen Nutzlasten gemäß EN 13200-3 für Zuschaueranlagen berücksichtigt.

So dürfen grundsätzlich alle möglichen Arten von absturzsichernden Verglasungen gebaut und bemessen werden, jedoch sind die Anforderungen je nach Anwendungsbereich zu berücksichtigen bzw. werden die Konstruktionen auf einige Anwendungen eingeschränkt.

Zusätzlich ist bei Verglasungen der Gruppe 3 (DIN Kategorie C) die Gebrauchstauglichkeit mit häufiger horizontaler Nutzlast auf halber Holmhöhe nachzuweisen. Ein Pendelschlagversuch ist nach SIA 2057 nicht generell durchzuführen, sondern wird nur bei nicht linienförmig gelagerten absturzsichernden Verglasungen verlangt.

Klimalasten bei Isoliergläsern

Die Klimalasten im Merkblatt 2057 unterscheiden sich deutlich von denen der DIN 18008 bzw. TRLV. Zum einen wurde für den Luftdruck und die Höhendifferenz Datenmaterial aus der Schweiz analysiert und entsprechende Werte festgelegt. Basierend auf diesen Erkenntnissen, wie sie bereits in GLASWELT [10] [11] [12] publiziert wurden, ergeben sich für 2-fach- und 3-fach-Isolierglas, für normale und besondere Einbaubedingungen, unterschiedliche Temperaturwerte. Auch für Doppelhautfassaden sind entsprechende Richtwerte enthalten.

Da die bisher angewendete Klassifizierung anhand der MIG-Absorption nicht mehr genügend aussagekräftig ist, basieren die Temperaturen auf zwei unterschiedlich stark absorbierenden Standardaufbauten. Zudem gibt der Anhang des Merkblatts umfassende Angaben um eigene, projektspezifische Temperaturen für MIG berechnen zu können.

Ausblick

Generell sind die Anforderungen im Merkblatt SIA 2057 ähnlich wie in der DIN 18008, jedoch mit ein einigen signifikanten Unterschieden. Das Bemessungskonzept ist nun auf die Gegebenheiten in der Schweiz abgestimmt und deckt sich mit dem Schweizer Normenverständnis. So darf der Schubverbund zur effizienteren Bemessung von VSG berücksichtigt werden.

Mit dem vierstufigen Nachweiskonzept können auch innovative Konstruktionen wirtschaftlich und sicher dimensioniert werden.

Die Nachweise im Bruchzustand ergänzen dabei das Sicherheitskonzept und ermöglichen es dem Ingenieur die Resttragfähigkeit gebrochener Verglasungen wahlweise mit Versuchen oder rechnerisch nachzuweisen. Die umfangreichen Temperaturdaten für die Klimalastberechnung decken nun auch moderne Verglasungen und Fassadenaufbauten ab. Zudem werden entsprechende Hilfestellungen gegeben, Bauteiltemperaturen objektspezifisch zu berechnen.

Das Kompetenzzentrum Gebäudehülle und Ingenieurbau der Hochschule Luzern T&A lanciert ein Weiterbildungsangebot zu Glasbau und dem Merkblatt SIA 2057 um Planende, Ausführende und Bemessende aus der Praxis zu schulen.—

Literaturverzeichnis

[1] TRLV, Technische Regeln für die ­Verwendung von linienförmig gelagerten ­Verglasungen, Berlin: DIBt – Deutsches Institut für ­Bau­technik, 2006.

[2] DIN 18008-1, DIN 18008-1 Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen, Berlin: Deutsches Institut für Normung, 2020.

[3] ÖNorm B 3716-1, Glas im Bauwesen; Konstruktiver Glasbau, Teil 1: Grundlagen, Wien: ­Austrian Standards Institute, 2015.

[4] SIA 2057, SIA 2057 Glasbau, Zürich: Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, 2021.

[5] DIN 18008-2, DIN 18008-2 Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen, Berlin: Deutsches Institut für Normung, 2020.

[6] DIN 18008-3, DIN 18008-3 Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 3: Punktförmig gelagerte Verglasungen, Berlin: Deutsches Institut für Normung, 2013.

[7] DIN 18008-4, DIN 18008-4 Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen, Berlin: Deutsches Institut für Normung, 2013.

[8] DIN 18008-5, DIN 18008-5 Glas im Bau­wesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 5: Zusatzanforderungen an begehbare Verglasungen, Berlin: Deutsches Institut für Normung, 2013.

[9] DIN 18008-6, DIN 18008-6 Glas im Bau­wesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 6: Zusatzanforderungen an zu Installations­massnahmen betretbare Ver­glasungen und an durchsturzsichere Verglasungen, ­Berlin: Deutsches Institut für ­Normung, 2018.

[10] T. Wüest und Luible Andreas, „Was nicht in der Glas-DIN steht (Teil 1): Erhöhte sommer­liche Klimalasten an 3-fach-Isolierglas.,“ GLASWELT, pp. 76–78, 1 5 2015.

[11] T. Wüest und A. Luible, „Was nicht in der Glas-DIN steht (Teil 2): Asymmetrische Lasten bei 3-fach ISO,“ GLASWELT, pp. 102-104, 1 6 2015.

[12] T. Wüest und A. Luible, „Was nicht in der Glas-DIN steht (Teil 3): Was tun bei speziellen Einbaubedingungen?,“ GLASWELT, pp. 44–46, 1 7 2015.

Schematische Darstellung des Bauteiltemperaturverlaufs durch ein 2-fach-Isolierglas sowie durch eine Doppel­hautfassade mit integriertem Sonnenschutz und 3-fach-Isolier­glas

Foto: Thomas Wüest, Hochschule Luzern (CH)

Schematische Darstellung des Bauteiltemperaturverlaufs durch ein 2-fach-Isolierglas sowie durch eine Doppel­hautfassade mit integriertem Sonnenschutz und 3-fach-Isolier­glas

Die Autoren

Thomas Wüest (MSc), Thomas Stöckli und Prof Dr. Andreas Luible, Kompetenzzentrum für Gebäudehülle und Ingenieurbau an der Hochschule Luzern Technik & Architektur (Schweiz)

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ Glaswelt E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus GW: Sonderhefte (PDF)
+ Weiterbildungsdatenbank mit Rabatten
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen