GW – Welche Bedeutung misst die ES‑SO Academy dem Thema Nachhaltigkeit bei – und wie spiegelt sich das in den Ausbildungsstufen Smart Solar Shading Advisor und Expert wieder?
Wilhelm Hachtel – ES-SO misst den Themen Nachhaltigkeit, Gesundheit und Komfort die gleiche Bedeutung zu. In der Ausbildung zum Sonnenschutzberater „Solar-Shading-Advisor“ werden deshalb neben der Bauphysik im Zusammenspiel des Fensters und des Sonnenschutzes diese Themen besonders intensiv behandelt.
GW – Inwiefern vermitteln die Programme konkrete Kenntnisse darüber, wie solarer Sonnenschutz zur Reduktion des Energieverbrauchs und zur Erreichung von Klimazielen im Gebäudesektor beitragen kann?
Hachtel – Wir verwenden den Begriff Sonnenschutz. Differenzieren wir, wird für den Sommerfall der Hitzeschutz und im Winterfall der Wärmeschutz. Durch Vermeidung von Überhitzung reduzieren wir die Kühllasten der Klimaanlagen, durch den Wärmeschutz reduzieren der Wärmeverlust. Hinzu kommen die solaren Einträge, die die Heizung unterstützen, um damit Energiekosten senken. Bei der Auswahl des richtigen Sonnenschutzes wie z. B. mit den Möglichkeiten der Tageslichtsteuerung kann der Bedarf an Kunstlicht reduziert werden.
GW – Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzen die beiden Ausbildungsstufen – und wie unterscheiden sich die Anforderungen an Advisor und Expert?
Hachtel – Die Themen sind Bauphysik, Komfort und Gesundheit, ökologische und ökonomische Aspekte sowie die Ableitung wichtiger Argumente in der Beratung der Nutzer. Der Advisor wird eintägig durchgeführt, der Expert-Kurs dauert 4 Tage und ist vertiefend, dort wird dann auch die Nutzung der Gebäudesimulationssoftware ESBO (Early Stage Building Optimization) geschult. ESBO richtet sich an Architekten und Fachplaner in der frühen Planungsphase von Gebäuden. Ziel ist es, bereits in frühen Entwurfsstadien die Energieeffizienz, Tageslichtversorgung, Raumkomfort und Sonnenschutzwirkung verschiedener Entwurfsvarianten zu vergleichen und zu optimieren.
Glaswelt – Wie wurde das Curriculum entwickelt? Gab es eine Zusammenarbeit mit Hochschulen oder anderen Weiterbildungseinrichtungen?
Hachtel – Der erste Schritt war eine Mindmap mit allen relevanten Inhalten. In den folgenden fünf Jahren begann die Zusammenstellung der Inhalte, indem wir alle verfügbaren Studien analysierten und die Inhalte in den Schulungsfolien visualisierten. So entstand eine Foliensatz mit 800 Folien inklusive der Kommentare dazu. Das ist unsere Wissensdatenbank.
Glaswelt – Inwieweit fließen aktuelle Themen wie Energieeffizienz, Klimaanpassung oder Gebäudeautomation in die Inhalte der Ausbildung ein?
Hachtel – Kommen neue Studien, analysieren wir den Inhalt und ergänzen unsere Folien. So geschah dies auch für die Inhalte der Studie des Ingenieurbüros Hauser (IBH), die im Auftrag der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle in Berlin erstellt wurde. Unser Ziel ist, dass alle Ergänzungen über das Team von ES-SO laufen, damit wir sicherstellen können, dass alle 15 Länder-Verbände in Europa mit dem gleichen Inhalt arbeiten.
Glaswelt – Welche Rolle spielt die ES-SO Academy in der strategischen Positionierung des europäischen Sonnenschutzsektors?
Hachtel – Mit der ES-SO-Academy verfolgen wir das Ziel, die Peer-Group für den technischen Sonnenschutz in Europa zu sein. Wir erhoffen uns daraus die notwendige Glaubwürdigkeit, um im Gesetzgebungsprozesse der EU und der Länder konstruktiv beratend zu unterstützen. Europa wird die Klimaerwärmung allein nicht aufhalten können. Aus diesem Grund müssen wir intensiv an der Gebäuderesilienz arbeiten, da spielt der Sonnenschutz eine zentrale Rolle.
Das Gespräch führte Ressortleiter Olaf Vögele

Foto: Olaf Vögele