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Interview mit Günter Befort

In der Logistik stecken Potenziale

Glaswelt – Was macht die Logistik vom Betrieb zum Kunden effektiv?

Günter Befort –Dem möchte ich zwei Statements von erfolgreichen Unternehmern voranstellen, die das auf den Punkt bringen. Zum ersten: „Ware, die zu spät und unvollständig kommt, verliert an Wert. Erfüllt eine Lieferung nicht die Erwartung des Käufers, wird er enttäuscht sein“. Was das an emotionaler Empfindung, als auch an wirtschaftlichen Folgen auslösen kann weiß jeder, der einmal auf der Käuferseite enttäuscht wurde. Und das zweite Statement: „Die letzte Scheibe zählt“. Es bleibt immer die letzte Lieferung im Gedächtnis des Kunden. Wenn eine Scheibe fehlt und damit die Fertigstellung, Komplettierung und Lieferung eines Fensterauftrags behindert wird, kann das extreme wirtschaftliche Folgen haben. Das gilt sowohl beim Empfänger, der sein Geschäft nicht ordentlich abwickeln kann, als auch beim Lieferanten, der an Vertrauen in seine Zuverlässigkeit einbüßt und evtl. hohe Folgekosten tragen muss. Ich denke jeder Insider weiß, was das bedeutet.

Glaswelt – Wie sieht es in der Alltagspraxis aus?

Befort – Viele Betriebe der Glas- und Fensterbranche sind technisch gut aufgestellt und verfügen über vielfach vernetzte und verkettete Prozesse, mit ausgefeilten Taktzeiten und detailliertem Kostenmanagement. Dennoch darf die Organisation und das Kostendenken nicht am Werkstor enden. Es gilt heute mehr denn je, dass nach Kundenwunsch geliefert werden muss, koste es was es wolle, Hauptsache der Kunde ist zufrieden.

Eine gute Lieferplanung, Vollständigkeit des Auftrags, beschädigungsfreie und vor allem pünktliche Warenlieferung sind das A und O und die Visitenkarte eines jeden Betriebs. Denn das ist das, was der Kunde erlebt und schätzt, oder nicht.

Bei der Bedienung des Kunden bestehen noch enorme Verbesserungspotenziale, ebenso lassen sich mit/bei der Logistik vielfach Kosten sparen.

Glaswelt – Wo sehen Sie diese Potenziale?

Befort – Die Lieferplanung und Produktionsfeinplanung sowie auch die Sicherstellung der Materialverfügbarkeit müssen Hand in Hand gehen, die gegenseitigen Abhängigkeiten müssen noch besser berücksichtigt werden. Die Branchen Glas und Fenster haben jeweils eigene Anforderungen: In der Glasindustrie haben wir meist die Situation, dass Kunden regelmäßig und mit einem weitgehend ähnlichem Produktsortiment, in einem eingespielten Rhythmus beliefert werden.

In der Fensterindustrie sieht das oft ganz anders aus, gerade wenn Baustellenbelieferungen an der Tagesordnung sind. Da spielt die Kommissionierung /Verpackung eine ganz andere Rolle, da neben den Bauelementen auch viel Zubehör mit versendet werden muss. Hier stellt z. B. die Kontrolle der Vollständigkeit einen ganz anderen Schwierigkeitsgrad dar. Zudem müssen auch Verpackungen und Lieferarten auf die Verwendung an/auf der Baustelle ausgerichtet sein. Damit werden die Logistikprozesse deutlich komplexer.

Glaswelt – Wie lässt sich das praktisch umsetzen?

Befort – In der Glas- und in der Fensterindustrie spielt gleichermaßen die eindeutige Identifikation eines jeden Artikels, der auf dem Auftrag steht und zur Auslieferung kommen soll, eine Schlüsselrolle. Dabei ist es egal, ob diese Artikel/Produkte die eigene Fertigung durchlaufen oder über Zukauf bzw. als Lagerartikel beigesteuert werden. Das fängt ganz vorne im ERP/PPS System an, wo die Waren- und Produktionsflüsse im Einklang mit dem späteren Lieferprozess geplant und disponiert werden müssen.

Das Traking, also die Nachverfolgbarkeit der Artikel/Produkte vom Wareneingang - über die Produktion, dem Lagerzufluss bis in den Versand, schafft Transparenz über das Was ist wo, über Rückstände/Nachläufer/Vollständigkeiten, ebenso wie auch über Unvollständigkeiten. Dieser Traking Prozess darf aber nicht im Versandlager enden, er muss weitergehen über die Verladung auf den Lkw bis zur Entladung und den Warenübergang an den Kunden. Nur wer dieses Tracking im Griff hat, kann erreichen, dass Vollständigkeiten und Pünktlichkeit gegeben sind.

Glaswelt – Welche Systeme helfen, die Tourenplanung zu optimierten?

Befort – Es gibt heute sehr gute Tourenplanungssoftware, insbesondere im Speditionsbereich: Es gibt Systeme, die die optimale Beladung der Lkw nach Tourenplan ermöglichen und eine optimale Abladefolge gewährleisten sowie Tracking Systeme, die genau aufzeigen, wo sich die Fahrzeuge befinden.

Dazu kommen elektronische Packlisten, die eine lückenlose Information liefern, was wie verpackt werden muss, mit Vollständigkeitskontrolle. Weiter sind Scanner für den elektronischen Warenübergabeprozess beim Kunden (z. B. wie bei UPS) im Einsatz sowie der elektronische Lieferschein, der online zurückmeldet, was ausgeliefert ist und welche Probleme mit der Warenauslieferung verbunden sind. Für unsere Branche ist das elektronische Packmittel/Gestellmanagement interessant, mit denen man den Abladeort genau buchen kann sowie die Leergutaufladung.

Glaswelt – Was muss der Betrieb beachten?

Befort – Was oft fehlt, ist die Rückkoppelung in die Disposition, die Produktionsfeinplanung und die Kommissionierung der Waren – damit meine ich, dass nur das disponiert, produziert und kommissioniert werden sollte, was für die Lieferung geplant ist. Optimal für den Kunden ist es, wenn die Produkte „just in time“ auf den Lkw bzw. zur Baustelle kommen, und zwar in der Abfolge, wie sie dort gebraucht werden. Letztlich ist das wieder ein Software-Thema. Hier sehe ich immer wieder das Zusammenspiel von Software-Anbietern und Logistikspezialisten, die sowohl die innere wie auch die äußere Logistik der Betriebe beleuchten und formen.

Glaswelt – Welche Kostenfallen lauern bei der Tourenplanung?

Befort – Die größte Kostenfalle ist es, die Tourenplanung „händisch“ zu machen. Es gibt sehr gute Disponenten, mit langjähriger Erfahrung, die über enorme Kundenkenntnisse verfügen und mit der Region vertraut sind und somit ihre Fahrtrouten und Entladungen clever planen können.

Bei der händischen Variante fehlt jedoch meist die Rückkoppelung des Planenden mit der Produktion und der Warenbereitstellung. Das wird oft dann so gelöst, dass Produktion und Warenbereitstellung von der AV auf Termin geplant werden und der Disponent dann auf Basis dieser Informationen den Lieferprozess plant, und zwar ohne Interaktion und schon gar nicht in Rückkopplung mit den Datenflüssen der steuernden IT Systeme. Das führt dazu, dass nicht schlank produziert wird, dass die Versandlager oft als Warenpuffer dienen, dass unnötig Kapital gebunden wird usw.

Glaswelt – Wo sind weitere Knackpunkte?

Befort – Was auch immer wieder zu Diskussionen führt, ist die Rückholung von Leergut (Packmittel), die sicherzustellen ist. Fehlende Packmittel wie Gestelle, können enorme operative Kosten nach sich ziehen und das Vertrauen in die Lieferzuverlässigkeit untergraben. Wenn das nicht optimal gesteuert wird, kommt es u. a. zu Gestellverlusten. Und wenn durch fehlende Packmittel die Auslieferung nicht erfolgen kann und im Extremfall die Produktion angehalten werden muss, da es durch das volle Lager einen Stau gibt, wird es richtig teuer. Deshalb muss Rückholung von Leergut ein fester Bestandteil der Tourenplanung sein.

Häufig investieren Betriebe in perfekte interne Abläufe, haben gleichzeitig aber keinen Fokus auf den Lieferprozess, der täglich teurer wird. Es lohnt, die Lieferlogistik aus gleicher Sicht wie Produktionsabläufe zu betrachten

Glaswelt – Stichwort Umweltschutz, wie relevant ist dieser?

Befort – Guter Punkt: Was immer mehr in den Fokus rückt, rücken muss, sind die Energiekosten und die Umweltbelastungen, die der Transport erzeugt. Fahrzeuge die nicht gut geplant eingesetzt werden, produzieren unnötig viel Abgase und tragen mit zur Erhöhung der Verkehrsbelastung unserer Straßen und Städte bei. Darüber hinaus kostet jeder unnötig gefahrene Kilometer das Unternehmen Geld, und dieses Geld geht unnötig verloren.

Glaswelt – Was ist mit Aufträgen außerhalb der Standard-Tour?

Befort – Viele Tourenkonzepte richten ihre Planung auf Regionen, die ineinandergreifen und sich teils überlappen. Ein gutes Tourensystem findet die „Schleife“ die gefahren werden muss, um solch einen Auftrag günstig mit einzubinden, sodass eine Sondertour vermieden werden kann. Liegt dann ein Auftrag weit außerhalb des Einzugsgebiets und der Verarbeiter will ihn trotzdem abwickeln, bleibt zu guter Letzt leider nur die Sondertour. Das sollte aber die Ausnahme sein.

Glaswelt – Haben kleine Betriebe andere Anforderungen an die Logistik als große Unternehmen?

Befort – Ich sehe in der Wirkung wenig Unterschiede, die Relation zum Geschäftsvolumen wird ähnlich sein. Bei kleinen Firmen sehe ich leider immer wieder, dass sie flexibler, gleichzeitig aber unbesorgter mit dem Lieferprozess umgehen. Wenn man in einer kleineren Region tätig ist, mit geringeren Entfernungen, neigen die Leute eher dazu, auch einmal etwas auf die Schnelle zusätzlich zu liefern. Zudem scheint bei diesen Betrieben die Hemmschwelle tiefer zu sitzen, Ware auch ab und an hinterherzufahren, wenn etwas vergessen wurde. Diese Kosten werden jedoch oft nicht thematisiert. Sollten sie aber.

Natürlich ist die Anforderung bei großen Firmen komplexer, größere Mengen und größere Entfernungen erfordern eine genauere und perfektere Planung. Gerade wenn Aufträge nicht vollständig ausgeliefert werden, bedeutet das oft Folgekosten in empfindlicher Höhe. Generell sehe ich bei größeren Unternehmen die Bereitschaft, in eine gute Logistik zu investieren, kleinere Betriebe arbeiten da hingegen wesentlich „hemdsärmeliger“.

Glaswelt – Wie lassen sich Logistik und Fertigung sinnvoll verknüpfen?

Befort – Wenn man täglich, mit gleichbleibend gut Resultaten arbeiten will, geht das nur mit einer gut vernetzten Softwarelösung. Diese muss sehr flexibel sein und sich auf die Bedürfnisse des Betriebs einstellen lassen (durch gute Regelwerke), dabei muss sie den gesamten Logistikprozess abbilden, planen und steuern können. Logistik muss den gesamten Workflow von EDI, ERP, MAWI über PPS bis CIM durchdringen, inklusive des Lieferprozesses. Es gibt dafür etablierte Anbieter von Branchensoftware, die in Kooperation mit Logistik-Experten entsprechend optimierte Abläufe umsetzen können, inklusive Logistik. Da kein Betrieb dem anderen gleicht, lassen sich aber Standardlösungen nicht „überstülpen“. Um passende Lösungen zu finden, muss man tief in die Geschäftsprozesse des Betriebs einsteigen – vom Kunde / Lieferanten, durch den Betrieb bis zum Kunden – unter Einbeziehung aller beteiligten Zulieferer und Technologiepartner.

Glaswelt – Warum ist generell die Vernetzung so wichtig?

Befort – Ich bin ein Freund von vernetzten Systemen, denn ein guter Geschäftsprozess gelingt nur, unter Einbeziehung aller am Geschäft teilnehmenden Partner. Daher spreche ich ungern von „Kunden“ und „Lieferanten“. Ich sage lieber Geschäftspartner: Alle Beteiligten müssen vernetzt arbeiten, um optimal und schnell zu wirken. Wir reden oft vom optimalen Warenfluss und optimalen Produktionsfluss und vernachlässigen den optimalen Datenfluss. Die alte Weisheit, „Der Schnellere gewinnt“ hat mehr Bedeutung denn je. Im Zeitalter von schneller Kommunikation und ständiger Bereitschaft, muss ein Betrieb, egal ob groß oder klein, einfach schnell und zuverlässig sein. Ist das nicht der Fall, bremst er sich und seine Geschäftspartner im täglichen Wettbewerb aus. Das kann auf Dauer nicht gutgehen.

Glaswelt – Wie sieht Ihr Fazit aus?

Befort – All das Wissen von innerbetrieblichen Spezialisten zu heben und in IT-Systeme einzubringen und damit die Digitalisierung voranzubringen, birgt große Chancen. Leider ist das noch nicht umfassend genug angekommen in unserer etwas konservativ denkenden und arbeitenden Branche.

Zwar gehöre ich zu den etwas Älteren unter uns, aber eines weiß ich sicher, die Digitalisierung der Prozesse ist eine Zukunftsentscheidung. Wer auch in Zukunft erfolgreich sein will, muss sich dem stellen.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

Leerfahrten sind zu teuer

Die höchsten Kosten erzeugt ein leerer, bzw. eine nicht ausgelastet fahrender Transporter. Deshalb ist der wichtigste Punkt für eine optimale Tourenplanung die Auslastung der Transportkapazitäten der Lkw. So muss es Ziel des Glasverarbeiters sein, Leerfahrten bei seinen Touren möglichst zu vermeiden.

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