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Christina Fürhapper, Martin Weigl-Kuska

Welche Schadstoffe stecken im Holzfenster?

Fenster sind eines von vielen Bau­materialien, die am Ende Ihres Produktlebens im Zuge von Abbruchs-, Sanierungs- oder Umbauprojekten in rauen Mengen anfallen. Ob Altmaterialien als Abfall entsorgt werden müssen, oder einen zweiten Lebenszyklus erfahren dürfen, hängt von mehreren Faktoren ab. ­Voraussetzung für ein hochwertiges Recycling ist zunächst die sortenreine Trennung einzelner ­Materialsegmente. Das allein reicht aber nicht aus: Oft stehen im Material vorhandene Schadstoffe einer nachhaltigen Verwertung im Weg. Zusätzlich sind die geltenden gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen.

Für die Kreislaufführung von holzbasierten Altfenstern stellen gegenwärtig alle drei der genannten Faktoren eine Hürde dar. Die Rückbau­fähigkeit einzelner Materialfraktionen ist nicht nur im Falle von Verbundmaterialien, wie z. B. Holz-Alu-Fenstern, mit technischen Herausforderungen verbunden. Auch bei herkömm­lichen Holzfenstern hat man es zumindest mit einer Kombination aus Rahmenmaterial, Glas, Beschlägen und Dichtungen zu tun. Bauschäume, die für den Einbau benötigt werden, erschweren zusätzlich die Separation der Baustoffe. Holzfenster werden zudem in der Regel mit einem Holzschutz und einer Beschichtung zur Erhöhung der Langlebigkeit sowie zum Schutz gegenüber von Witterungseinflüssen versehen. Da nicht nur Biozide aus etwaig aufgebrachten Holzschutzmitteln eine Schadstoffquelle darstellen können, sondern jegliche historische Beschichtung potenziell mit kritischen Schwer­metallen ausgestattet sein kann, wendet beispielsweise die österreichische Recyclingholzverordnung (BGBl. II Nr. 160/2012) das Vorsorgeprinzip an und sieht für Holzfenster ein dezidiertes Recyclingverbot vor. Holzfenster gehen damit in Österreich aktuell ausschließlich in die thermische Verwertung ein. In Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild. Gemäß deutscher Altholzverordnung BGBl I S.3302 sind Altfenster in die Kategorie IV einzustufen und damit ebenfalls ausschließlich energetisch verwertbar. Beide Verordnungen beziehen sich jedoch explizit auf eine Verwertung in der Holzwerkstoff­industrie.

Dem gegenüber stehen Fallbeispiele, wo Alt­fenster ohne Zerlegung oder Zerkleinerung basie­rend auf zerstörungsfreiem Rückbau einer neuen Anwendung zugeführt werden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Fassade des Haupt­sitzes des Europäischen Rats in Brüssel (Europa­gebäude, Abbildung 1). Architektonisch werden hierbei neue Wege gegangen. Im Vordergrund steht hierbei zumeist der Werterhalt. Die Frage nach dem Umgang mit etwaigen Kontamina­tionen ist damit jedoch nicht beantwortet.

Tabelle: Diese Schadstoffe wurden im (Holz-)Fenster analysiert

Tabelle: Diese Schadstoffe wurden im (Holz-)Fenster analysiert

Holzfenster unter der Lupe

Im kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt Bau-Cycle haben die Holzforschung Austria (HFA, Projektleitung), das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) und das Österreichische Institut für Bauen und Ökologie (IBO), alle drei Mitglieder des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research), die Problemstoffthematik für Altfenster aus Holz genauer unter die Lupe genommen.

Hierzu wurde eine Vielzahl von gealterten Holzfenstern analytisch untersucht. Die Materialien wurden gemäß ihrem Alter, bzw. ihrem Einbauzeitraum, kategorisiert. Unterschieden wurde zwischen Altfenstern, die erstmalig im Zeitraum ca. 1920 bis ca. 1960 eingebaut wurden und solchen, die zu ­einem späteren Zeitpunkt verbaut wurden. Bei den gewählten Analysenparametern wurden einerseits die gesetzlichen Vorgaben als Basis herangezogen. Darüber hinaus wurden im Projekt jegliche Problemstoffe untersucht, die erfahrungsgemäß in Altfenstern an­fallen können, wobei der Fokus auf Substanzen gelegt wurde, die einer nachhaltigen Kreislaufführung im ­Wege stehen könnten.

Da nicht für alle der untersuchten Substanzen entsprechende Grenzwerte verfügbar sind, wurden Konzentrationen dann als auffällig bewertet, wenn sie sich im Vergleich zu den natürlichen Gehalten im Material bzw. im Vergleich zum Durchschnitt der untersuchten Proben als deutlich erhöht darstellten.

Diese Schadstoffe sind im (Holz-)Fenster

Bei den Fenstern, die zwischen 1920 und ca. 1960 verbaut wurden, fanden sich an kritischen Stoffen vorrangig Schwermetalle. Am häufigsten wurden Zink und Blei detektiert. So wiesen 77 % der untersuchten Altfenster deutlich erhöhte Zink-Konzentrationen auf, in 46 % der Materia­lien wurden signifikant hohe Blei-Werte festgestellt. Beide Metalle wurden oftmals als Weiß-Pigment in Beschichtungen eingesetzt (Bleiweiß, Zinkweiß). 38 % der analysierten Materialproben zeigten verhältnismäßig hohe Eisenkonzentra­tionen. Rund ein Drittel wiesen auffällige Konzentrationen der als Sikkativ verwendeten Metalle Kobalt und Zirkonium, sowie an Aluminium und Chrom auf. Ebenso wurden teilweise auffällige Quecksilber-, Nickel-, Arsen- und Cadmiumkontaminationen festgestellt. Abseits von den Metallen wurden vereinzelt auffällige Chlor- und Schwefelwerte nachgewiesen. Organische Bio­zide wurden hingegen in keinem Fall detektiert (siehe Abbildung 2a auf der nächsten Seite).

Fenster, die zwischen 1960 und den frühen 1990er Jahren verbaut wurden, wiesen zu 71 % ­eine Holzschutzmittelbehandlung auf (Abbildung 2b). An Metallen wurden Zirkonium, Eisen und Kobalt, Zink und Chrom, ­Titan, Aluminium, Kupfer und Blei detektiert.

Abbildung 2a (l.) und b (r.): Häufigkeit auffälliger Konzentrationen an potenziellen Problemstoffen in Altfenstern, die im ungefähren Zeitraum von 1920 bis 1960 und ab 1960 eingebaut wurden. Ein Wert von Null bedeutet, dass diese Substanz zwar nachgewiesen wurde, jedoch nicht in erhöhter Konzentration auftrat.

Fotos: Christina Fürhapper

Abbildung 2a (l.) und b (r.): Häufigkeit auffälliger Konzentrationen an potenziellen Problemstoffen in Altfenstern, die im ungefähren Zeitraum von 1920 bis 1960 und ab 1960 eingebaut wurden. Ein Wert von Null bedeutet, dass diese Substanz zwar nachgewiesen wurde, jedoch nicht in erhöhter Konzentration auftrat.

Lassen sich die Schadstoffe vom Holz abtrennen?

Im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufführung ist eine stoffliche Verwertung der thermischen immer vorzuziehen. Voraussetzung für erstere ist die Gewährleistung der Schadstofffreiheit des Recyclingmaterials. Kritische Bestandteile müssten vor einer Verwertung abgetrennt werden. Zur Abschätzung der diesbezüglichen Möglichkeiten wurde im Projekt Bau-Cycle exemplarisch die Verteilung, bzw. die Eindringung der detektierten Schwermetalle untersucht. Herausgegriffen wurden Fenster mit deutlich erhöhten ­Metallgehalten. Zusätzlich wurde auch Barium berücksichtigt, das als Sulfat als Weißpigment in Beschichtungsmitteln zum Einsatz kam.

Die Altfenster wurden oberflächlich in mehrere Analysenzonen eingeteilt, die im Anschluss einzeln untersucht wurden. Es wurden zwei Versuche mit unterschiedlichen Analysenzonen durchgeführt. Vermessen wurde im ersten Versuch:

  • ausschließlich die Beschichtung,
  • die Holzzone in 0 bis rd. 2 mm Tiefe,
  • die Holzzone in 2–6 mm Tiefe,
  • die Holzzone in 6 bis 8 mm Tiefe. 
  • Obwohl die Beschichtung deutlich erkennbar als Quelle der dargestellten Metall-Konzentrationen ausgemacht werden kann, dringen die Metalle auch in tiefere Holzzonen ein. Die Ergebnisse in den vier separat analysierten Zonen zeigen, dass sich die Metall-Gehalte in fortschreitender Tiefe deutlich verringern (Abbildung 3a). Die detektierten Konzentrationen bleiben jedoch teilweise auch in der zuinnerst untersuchten Zone noch auf einem auffälligen Niveau.

    Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • Durch Abtrennung der Beschichtung (z. B. mechanisch) lassen sich Schadstoff­gehalte deutlich reduzieren
  • Mit abgetrennt werden sollte zumindest die äußerste Holzzone, da z. B. Metalle auch in tiefere Schichten migrieren können
  • Die Praktikabilität einer Abtrennung ist an die Materialdimension gebunden und macht vor allem dann Sinn, wenn das Altfenster und/oder Rahmenmaterial einen entsprechend großen Holzanteil aufweist
  • Wie steht es um aktuelle Fenster?

    Es ist immer eine gute Idee seiner Zeit voraus zu sein und sich bereits im Vorfeld Gedanken über zukünftige Herausforderungen und mögliche Auswirkungen aktuell produzierter Materialien zu machen. Das Wissen um die Problemstoffzusammensetzung ist aber nicht nur die Voraussetzung für die Umsetzung nachhaltiger Verwertungswege am End of Life, sondern auch eine ökologische Verantwortung, denn nur als solche identifizierte Problemstoffe können gezielt vermieden werden. Im aktuell an der Holzforschung Austria laufenden Projekt TimberLoop („Grund­lagen zur Kreislauffähigkeit von Holz“, Laufzeit bis 02/2025) sind entsprechende Untersuchungen vorgesehen. Es wird die Eindringtiefe weiterer Problemstoffe evaluiert und daraus ­Methoden für eine effiziente Schadstoffabtrennung abgeleitet. Ebenso werden im Projekt mögliche Konzepte für gänzlich holzschutzmittelfreie Fenster untersucht. Neben der Verwendung besonders resistenter Holzarten wird der erforderliche Feuchteschutz unter anderem durch geeignete biozidfreie Beschichtungen und Abdichtungsmaßnahmen an besonders exponierten Holzverbindungen erzielt.

    Parallel dazu sollten innerhalb der Branche innovative Anwendungsszenarien für gealterte Holzfenster sowie potenzielle Upcyling-Modelle entwickelt werden.

    Die Autoren: Christina Fürhapper ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Holzforschung Austria im Fachbereich Bioenergie und ­chemische Analytik, Dr. Martin Weigl-Kuska ist der Bereichs­leiter.

    Abbildung 3a: Verteilung ausgewählter Metalle im Altfenster; Versuch mit vier Analysenzonen, die Konzentrationen in der Beschichtung beziehen sich auf die Sekundärachse, und sind damit um den Faktor 10 höher als die Konzentra­tionen in den drei Holzzonen.

    Foto: Christina Fürhapper

    Abbildung 3a: Verteilung ausgewählter Metalle im Altfenster; Versuch mit vier Analysenzonen, die Konzentrationen in der Beschichtung beziehen sich auf die Sekundärachse, und sind damit um den Faktor 10 höher als die Konzentra­tionen in den drei Holzzonen.