Es gibt viele Gründe für den Verzicht auf chemischen Holzschutz:
Auch wenn viele Gründe für einen Verzicht auf chemischen Holzschutz bei Fenstern sprechen, ein Verzicht auf Holzschutzmittel darf nicht zu einem Risiko für Holzfenster führen!
Unbekannt: Schadenshäufigkeit
Die Häufigkeit von Schäden ist eine große Unbekannte. Forschungsergebnisse von Lukowsky und Moarcas [1] in den 2000er Jahren ließen den Schluss zu, dass 0,3 % bis 1,0 % der deckend lackierten Fenster aus Kiefer oder Fichte in Deutschland in den ersten 12 Jahren Fäulnis aufweisen. Hauptsächlich aufgrund offener Rahmeneckverbindungen. Im Projekt TimberLoop der Holzforschung Austria wurden Holzfensterhersteller und Beschichtungsfirmen gebeten ihre Reklamationsstatistiken zu durchforsten. Daraus ist ableitbar, dass seit Jahren kaum noch Feuchte- und Fäulnisschäden durch holzzerstörende Pilze im Holzfenster auftreten und wenn, dann sind diese durch konstruktive oder bauliche Fehler verursacht. Generell war ein starker Rückgang von Schäden ab ca. 2005 zu verzeichnen. Mögliche Ursachen:
Feuchteschutz
Die einfache Formel „ohne Auffeuchtung kein Pilzproblem und keine Notwendigkeit für chemischen Holzschutz“ ist nach wie vor gültig. Entscheidend ist, ob durch die Beschichtung, in Verbindung mit einer guten Konstruktion und Abdichtung kritischer Stellen (z.B. der Brüstungsfuge), ein langfristig ausreichender Feuchteschutz gegeben ist. Dann kann auf einen chemischen Holzschutz verzichtet werden. Ist das der Fall?
Geht es auch holzschutzmittelfrei?
Oft wird der Begriff holzschutzmittelfrei mit biozidfrei gleichgesetzt. Das entspricht allerdings nicht der Biozid-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 528/2012). Laut dieser sind für den Schutz von Holz bzw. Beschichtungsprodukten die Produktarten 6, 7 und 8 relevant. Der Unterschied liegt darin, was durch das Biozid (den Wirkstoff) im jeweiligen Produkt geschützt werden soll: Bei Holzschutzmitteln (Produktart 8) ist es das Holz, bei Beschichtungsschutzmitteln (Produktart 7) die Beschichtung selbst (der ausgehärtete Lack- oder Lasurfilm, der wiederum das Holz schützt), und Produktart 6 betrifft sogenannte „Topfkonservierer“, die ein Produkt während der Lagerung schützen. Holzschutzmittelfrei ist ein Produkt somit dann, wenn kein Biozid für die Produktart 8 enthalten ist, biozidfrei ist es, wenn kein Biozid, also auch kein Biozid für den Filmschutz oder die Topfkonservierung enthalten ist.
Im Projekt TimberLoop untersuchte die Holzforschung Austria, inwiefern wirkstofffreie Beschichtungen gegen holzzerstörende Pilze schützen können. Die Ergebnisse zeigten, dass wirkstofffreie Beschichtungen keinen ausreichenden Schutz gegen das Eindringen dieser Pilzhyphen bieten. Allerdings hat die Schichtstärke einen deutlichen Effekt: Je dicker die Schicht, desto geringer die Masseverluste, wie in Abbildung 1 links gezeigt wird. Dickere Schichten verzögern das Pilzwachstum durch die Beschichtung und bieten somit einen zeitlich begrenzten Schutz.
Feuchteschutz ist auch gegen holzverfärbende Pilze entscheidend, wobei die benötigte Feuchtigkeitsdauer kürzer ist als bei holzzerstörenden Pilzen. ÖNORM B 3803 fordert daher einen chemischen Holzschutz gegen Bläuepilze, außer bei Kernhölzern der Dauerhaftigkeit 1 und 2. Laut VFF Merkblatt HO.11 (2020) ist bei bläueempfindlichen Hölzern ein Bläueschutz notwendig, bei der Verwendung von Hölzern der Dauerhaftigkeitsklassen 4 und 5 sowie allen Hölzern mit einem Splintholzanteil von über 5 % im Bereich der GK 2 und 3.1 wird ein Bläueschutz empfohlen.
Laborversuche zeigten eine recht gute Schutzwirkung gegen das Durchwachsen der Beschichtung durch Bläuepilze, selbst unter dauerhaft feuchten Bedingungen. Auch hier war der Effekt der Schichtstärke deutlich: Bei einer Schichtstärke von 40 µm wurden die Beschichtungen noch relativ schnell von Pilzen durchdrungen. Bei 80 µm Schichtstärke waren Luftblasen, kleine Beschichtungsrisse oder Stellen mit verminderter Schichtstärke als Eintrittspforten für Bläuepilze erforderlich (siehe Abbildungen 2). Bei einer Schichtstärke von 120 µm blieben die Oberflächen bläuefrei. Je länger der „Befallsdruck“ durch Feuchtebelastung anhält, desto mehr Verblauungen treten auf.
Es kommt darauf an
Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun ziehen? Eine holzschutzmittelfreie Beschichtung kann in Verbindung mit einer guten Konstruktion und der Abdichtung kritischer Stellen, wie der Brüstungsfuge, funktionieren. Dafür muss jedoch sichergestellt sein, dass die Feuchtebelastung immer nur kurzfristig ist und die Beschichtung dauerhaft intakt und gewartet bleibt. Kritische Einbausituationen, bei denen eine langfristige Durchfeuchtung droht, sind mit einer wirkstofffreien Beschichtung nicht zu bewältigen. Pilze sind sehr potente Organismen, die zahlreiche Materialien, einschließlich Beschichtungen, durchdringen können.
Es ist wichtig, die bestehenden Grundsätze der diversen Holzschutz-Normen und Regelwerke wie die Normenserie ÖNORM B 3802, DIN 68800, ÖNORM B 3803 und die VFF-Merkblätter anzuwenden. Dies umfasst die sorgfältige Planung und Ausführung, den Feuchteschutz durch Beschichtungen sowie die Instandhaltung durch Inspektion, Wartung und Renovierung. Die Einbausituationen für maßhaltige Außenbauteile wie Fenster sind vielfältig und bedingen unterschiedliche Beanspruchungen. Diese müssen in den Entscheidungsprozess für oder gegen chemische Holzschutzmaßnahmen einfließen. Einen guten Überblick über die zahlreichen zu beachtenden Einflussfaktoren bietet die EN 460.
Eine einfache Ja/Nein-Antwort auf die Frage, ob ein Verzicht auf chemischen Holzschutz bei Holzfenstern möglich ist, gibt es leider nach wie vor nicht. Aufgrund der Datenlage ist eine allgemeine Empfehlung für einen Verzicht nicht tragbar. Es gibt jedoch sicher Einsatzbereiche, in denen auf chemischen Holzschutz verzichtet werden kann.
Möglich und zulässig ist die Ausführung eines Holzfensters ohne chemischen Holzschutz in Übereinstimmung mit den vorliegenden Normen und Regelwerken, wie dem „Null-Holzschutzmittel-Fenster“ laut VFF Merkblatt HO.11 (2020), unter bestimmten Voraussetzungen und einer vertraglichen Vereinbarung, auch heute bereits. Die spezifischen Bedingungen sind entscheidend: Es gibt Situationen, in denen „holzschutzmittelfrei“ funktioniert, aber auch solche, in denen das Risiko für Schäden bei Verzicht auf chemischen Holzschutz als zu hoch einzuschätzen ist. Dem sollte und ist Rechnung zu tragen.
[1] Lukowsky, D., Moarcas, O. (2007): Optimierung des chem. Holzschutzes im Fensterbau. Tagungsband der 25. DGfH Holzschutz-Tagung. S. 93-103
Das Projekt TimberLoop wurde aus Mitteln des Waldfonds, einer Initiative des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft gefördert, im Rahmen des Programms Think.Wood der Ö-Holzinitiative durchgeführt und finanziell durch den Fachverband der Holzindustrie Österreichs unterstützt.

Foto: Holzforschung Austria

Foto: Holzforschung Austria