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Im Interview mit Walter Lonsinger

„Unternehmen werden prozessoptimiertes Recycling nachweisen müssen“

Glaswelt – Bauherren, Planer, Architekten sowie Bau- und Umweltverwaltungen pflegen teilweise Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Aluminium im Fenster- und Fassadenbereich. Ist das noch berechtigt?

Walter Lonsinger – Megathemen wie Klimaschutz und Ressourcenschonung definieren eindeutig neue Rahmenbedingungen. Energie- und damit klimaschonende Werkstoffe und Technologien werden eindeutig positiver bewertet. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft oder adäquate optimierte Recycling-Prozesse können schon bald zu den vorrangigen Politik-Strategien zählen. Ich glaube, wir stehen vor großen Umbrüchen, auf die wir uns rechtzeitig vorbereiten müssen.

Glaswelt – Was bedeuted das?

Lonsinger – Bei den angesprochenen Personengruppen handelt es in der Regel um Fachleute, die die konstruktiven, ästhetischen und ökonomischen Vorteile des Werkstoffs Aluminium kennen und wertschätzen. Andererseits stoßen wir bei insbesondere Bauherren, Nichtregierungsorganisationen oder in der öffentlichen Verwaltung nicht selten auf einen Wissens- und Kenntnisstand zu den ökologischen Aspekten des Werkstoffs, der der aktuellen Entwicklung und dem Stand der Technik deutlich nachläuft. Wenig bekannt sind vor allem die unterschiedlichen Qualitätsstufen des Recyclings.

Glaswelt – Können Sie das bitte genauer erläutern?

Lonsinger – Der Kriterienkatalog der Landeshauptstadt München für ökologisches Bauen umfasst konkrete Verwendungsverbote oder Verwendungseinschränkungen. Für Aluminiumbauteile heißt es wörtlich: Nicht zulässig (ist) insbesondere Aluminium im großflächigen Einsatz. Die Landeshauptstadt des Freistaats Bayern hat damit weit über die Stadtgrenzen hinaus den Eindruck vermittelt, dass der großflächige Einsatz von Aluminium im Baubereich unerwünscht ist. Die Formulierung „zum überwiegenden Teil aus Sekundäraluminium“ führte zu Unsicherheiten bei Ausschreibungen und Leistungsverzeichnissen. Der AIUIF hat dann den Dialog mit den zuständigen Dienststellen aufgenommen. Die Situation konnt nun im Sinne der ökologischen Anliegen der Stadt wie auch aus Sicht des AIUIF zufriedenstellend gelöst werden. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung München brachte zum Ausdruck, dass die Verwendung von Aluminiumfenstern nicht als großflächiger Einsatz zu bewerten ist. In der Regel sind Pfosten-Riegel-Konstruktionen mit Aluminiumprofilen zulässig. Ungern gesehen wird die Verwendung von reinem Primäraluminium z. B. als vollflächige Fassade.

Im Zentrum steht die Förderung von Wirtschaftssektoren mit geschlossenen Kreisläufen sowie niedrigem Energie-verbrauch und geringen Emissionen.

AIUIF-Vorstandsvorsitzende Walter Lonsinger

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Glaswelt – Aber das war nur ein Beispiel für die Stadt München. Wo konnten Sie noch die Beschlusslage verändern?

Lonsinger – Wir setzten unsere Dialogstrategie fort, ganz aktuell in Berlin. Ende 2018 wurden dort „Standards für den Neubau von Schulen“ veröffentlicht. Dort heißt es: „Bei Außenfenstern sind Kunststoffkonstruktionen und reine Aluminiumkonstruktionen zu vermeiden. […] Holzfenster mit Aluschale sind zulässig.“ Wir fanden in der Senatsverwaltung Umwelt und Beschaffung offene und interessierte Gesprächspartner. Uns wurde erläutert, dass aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage der Berliner Senat 2012 die Verwaltungsvorschrift „Beschaffung und Umwelt“ beschlossen hat, die keine Beschaffungsbeschränkungen für Aluminium enthält.

Glaswelt – Reicht das, um den Werkstoff voranzubringen?

Lonsinger – Die Senatsverwaltung lässt derzeit ein Leistungsblatt für die Umsetzung der oben genannten Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf den Rückbau öffentlicher Gebäude in Berlin erstellen. Wir konnten aufzeigen, dass ein prozessoptimiertes zertifiziertes Aluminiumrecycling ein wichtiges Element für den ökologischen und nachhaltigen Rückbau von Gebäuden ist. Die Gespräche werden fortgesetzt, um eine feste Verankerung des optimierten Recyclings in Verwaltungsvorschriften des Berliner Senats zu erreichen.

Glaswelt – Sie bezeichneten die Kreislaufwirtschaft als Megathema…

Lonsinger – …schließlich steht das Thema ganz oben auf der politischen Agenda: Die EU-Kommission hat Ende 2019 den „Europäischen Grünen Deal“ vorgestellt. Angestrebt wird eine Klimaneutralität der EU bis 2050. Die Treibhausgasemissionen müssen nun deutlich schneller sinken, als bisher geplant. Gleichzeitig soll das Wachstum der Wirtschaft gewährleistet bleiben und ungünstige Wohlstandsverteilungen ausgeglichen werden. Zum Green Deal gehören etwa 35 weitere Einzelmaßnahmen. Zumindest zwei Handlungsfelder betreffen die Aktivitäten des ­AIUIF.

Glaswelt – Welche sind das?

Lonsinger – Erstens: Die Kommission will noch 2020 eine offene Plattform einrichten, die den Gebäude- und Bausektor, Architekten und Ingenieure sowie die Behörden zusammenbringt, um Energieeffizienz und Renovierungen zu stimulieren. Zweitens sollen bei der Gestaltung von Gebäuden die Belange der Kreislaufwirtschaft berücksichtigt werden. Für die klimaneutrale Wirtschaft sollen 100 Mrd. Euro investiert werden, davon die Hälfte aus dem EU-Haushalt. Eine Präzisierung des Programms soll folgen. Im Zentrum steht die Förderung von Wirtschaftssektoren mit geschlossenen Kreisläufen sowie niedrigem Energieverbrauch und geringen Emissionen.

Glaswelt – Was bedeutet das für den AIUIF und seine Mitglieder?

Lonsinger – Wenn wie geplant, die Kreislaufwirtschaft ein zentrales Element der künftigen EU-Wirtschafts- und Klimapolitik wird, wird für den Einsatz von Aluminium im Bausektor die Arbeit des AIUIF massiv an Bedeutung gewinnen. Andererseits wird möglicherweise der AIUIF sein bisheriges Zertifizierungsmodell weiterentwickeln müssen. Auch der Dialog mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments wird ausgeweitet.

Glaswelt – Herzlichen Dank, Herr Lonsinger für Ihre Ausführungen.

Mitgliederzuwachs beim AIUIF

Auf der 10. Mitgliederversammlung im Oktober konnte Vorstand Walter Lonsinger eine positive Jahresbilanz vorlegen. Hoch erfreut ist man über den Anstieg der Mitgliederzahl. „Seit Oktober 2019 können wir 29 neue Mitglieder begrüßen. Das bedeutet einen Zuwachs von 15 Prozent und unterstreicht, wie wichtig die Arbeit des Vereins geworden ist“, so Lonsinger. Auch beim Volumen der recycelten Aluminiumschrotte hat der Verein im Jahr zugelegt. Wurden 2018 dem Kreislauf noch 26 172 Tonnen gebrauchtes Aluminium aus Bauanwendungen zugeführt, waren es im letzten Jahr schon 34.437 Tonnen. „Das sind 31,6 % mehr und bedeutet eine CO2-Einsparung von 270 000 Tonnen“, so der AIUIF- Vorsitzende. Er hob hervor: „Auch wenn wir bedingt durch die Corona-Pandemie diese Zahlen 2020 voraussichtlich nicht erreichen werden, weisen unsere Aktivitäten in die richtige Richtung.“ Experten gehen davon aus, dass 2019 insgesamt 110 000 Tonnen Aluschrott im Hochbau angefallen sind. Davon gingen 58 000 Tonnen wieder in die Herstellung von Hochbauprodukten. „Damit wird klar, dass über unsere Initiative mehr als die Hälfte (53 % bzw. 34.437 t) dieses Materials dem Kreislauf zugeführt werden.“
www.a-u-f.com

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