Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Meinung von Bastian Timm

Fensterbranche gemeinsam stärken!

Die Signale für unsere Branche stehen grundsätzlich auf Grün. Wir müssen sowohl Neubauten realisieren als auch Bestandsgebäude sanieren. Dabei sind Fenster eines der wichtigsten Bauteile. Der EU-Green-Deal sollte uns zudem Rückenwind geben. Allerdings hat sich die Lage in der Baubranche kurzfristig anders entwickelt. Die Party ist vorbei. Viele in unserer Branche sind davon überrascht, insbesondere dass eine Nullzinspolitik nicht auf ewig anhält. Die Auswirkungen in der Immobilienbranche sind inzwischen unübersehbar und werden auch unsere Branche nachhaltig verändern.

Die Rufe nach politischer Unterstützung werden immer lauter. Als Unternehmer bin ich jedoch der Meinung, dass wir selbst für unser Handeln verantwortlich sind, sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Herausforderungen begleiten jede Generation. Sie sind individuell zu lösen, auch wenn die Politik natürlich für planbare Rahmenbedingungen sorgen muss (In unserer Demokratie tragen wir übrigens auch selbst Verantwortung für die Politik.)
Nunmehr soll uns die Sanierung als Branche retten, das höre ich insbesondere von Zuliefererseite immer wieder. Natürlich wird die Bedeutung von Sanierungen zunehmen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass wir zu einem großen Teil die letzten Jahrzehnte bereits saniert haben und zum anderen ist die Sanierung viel komplexer als ein Neubau. Von der ersten Bauteiluntersuchung über die Projektierung bis zur Montage, oft im bewohnten Raum, erfordert dies Fachkenntnisse, Erfahrung und Zeit. Neue riesige Absatzmengen werden hier nicht entstehen.

Auf den Kapazitätsaufbau folgt die Marktbereinigung

Infolgedessen wird sich die Marktbereinigung in unserer Branche beschleunigen, insbesondere im unteren und mittleren Preissegment. Viele Unternehmen wurden in den letzten Jahren von der Sonderkonjunktur mitgetragen. Ein aus meiner Sicht teilweise unverständlicher Kapazitätsausbau verschärft nun die Situation weiter. Deflationäre Tendenzen kommen als Sonderfaktor jetzt noch dazu. Am Ende der Transformationsphase werden wenige starke Player und lokale Spezialisten übrigbleiben. Durch den EU-Deal, ESG-Kriterien, die neue Architektengeneration und die Rohstoffpreise wird es zudem zu Materialverschiebungen kommen. Das allerdings langsam, dafür aber stetig.

Neue Player im Bereich Modulbau kommen in den Markt. Das Thema modulares Bauen und serielle Sanierung wird Marktanteile gewinnen, auch wenn insbesondere die serielle Sanierung aus meiner Sicht – auch von der Politik – völlig überhypt ist. Der CO2-Footprint auf Produktebene wird erheblich an Gewicht gewinnen, da dies für Investoren und Architekten von entscheidender Bedeutung bei der zukünftigen Konzeption von Gebäuden bzw. dem Portfoliomanagement sein wird. Uw-Werte, Nachhaltigkeitszertifikate und ähnliche Merkmale, mit denen unsere Branche aktuell noch wirbt, werden keine große Rolle mehr spielen.

Aber zurück zum CO2. Jedes Fenster kann schon heute während seiner Nutzungsdauer mehr CO2 einsparen, als für seine Herstellung benötigt wird. Angesichts steigender CO2-Preise sollte dies uns als Branche eigentlich auch helfen. Unsere hochwertigen Fenster bieten darüber hinaus zahlreiche Zusatznutzen (Einbruchschutz, Schallschutz, Lüftung, sommerlicher Wärmeschutz etc.), die in Zukunft immer wichtiger werden.

In der Branche sprechen wir nun über Klimasicheres Bauen, während immer noch IV68-Fenster o.ä. ohne Zusatzfunktionen in großen Stückzahlen von uns verkauft werden.

Wir haben die Beratung verlernt

Leider haben wir in den letzten Jahren als Branche die Beratung verlernt. Nicht nur Fensterhersteller, sondern auch Lieferanten fehlt es häufig an technischem Know-how, das für eine fundierte Beratung erforderlich ist. Technisches Know-how ist in unserer Branche – mit immer steigender technischer Komplexität – allerdings ein Must-have. Gepaart mit der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Abwanderung von den technisch besten Leuten ein Teufelskreislauf, um auch neue Innovationen zu treiben und neue Standards zu setzen.

Wir setzen die falschen Standards

Wobei wir beim Thema Standard sind! In der Branche sprechen wir nun über Klimasicheres Bauen, während immer noch IV68-Fenster o.ä. ohne Zusatzfunktionen in großen Stückzahlen von uns verkauft werden. In 20-30 Jahren werden sich Eigentümer in Zeiten von Hitze, Starkregen und anderen Wetterextremen über solche Fenster „freuen“. Hohe Heizkosten, undicht und im Sommer auch nicht kühl.

Apropos Kühlen! Wieso sprechen eigentlich alle von Heizen? Kühlen wird in den kommenden Jahrzehnten zum viel größeren Thema. Die Überhitzung von Wohnungen, Büros und Pflegeheimen führt nicht nur zu einem erheblichen Komfortverlust beim Wohnen und Produktivitätsverlust beim Arbeiten, sondern zu einem erheblichen Anstieg des Strombedarfs durch Klimageräte. Die Branche hat dieses Thema bis heute nicht erkannt.
Dies alles unterstreicht die Bedeutung unserer funktionalen Produkte für die Gebäudehülle von morgen, die am Ende aber – wie in anderen Branchen – in Summe auch miteinander harmonieren (ohne Gewerke- und/oder Komponentenlücke) und richtig montiert sein müssen. Montage? Richtlinien gibt es genug. Standards auf den Baustellen quasi keine. Gerade auf den LinkedIn-Kanälen sieht man täglich genug Beispiele, wie fachlich falsch gearbeitet wird. Und das, wo die Montage so wichtig ist!

Am Ende müssen wir die vielen Themen in unserer fragmentierten Branche gemeinsam angehen und lösen.

Hier meine 8 Thesen dazu:

  • Die gesamte Branche muss sich wieder verstärkt auf den Wiederaufbau von technischem Know-how konzentrieren und wieder intensiv ausbilden, ausbilden und ausbilden. Das heißt auch, dass wir der Jugend die Einstiegsbedingungen in unser Handwerk attraktiver (auch monetär) gestalten müssen. Grundvoraussetzung hierfür ist aber, dass unsere Branche moderner und insbesondere digitaler werden muss.
  • Die Unterstützung für unseren Verband Fenster + Fassade und unsere Repräsentanz Transparente Gebäudehülle muss von der gesamten Branche intensiviert werden, um die positive Entwicklungen der letzten Jahre noch einmal deutlich zu verstärken.
  • Die Branche sollte ganzheitlich in der „Gebäudeöffnung“ denken und alle seine Prozesse und Entwicklungen darauf ausrichten. Hierzu bedarf es engen Austausch, Partnerschaften und Kooperationen zwischen allen Stakeholdern in unserer Branche bzw. die die Komponenten für die Gebäudeöffnung liefern.
  • Wir sollten als Branche (Verband, Institute, Systemgeber, etc.) sehen, dass wir selber uns nicht daran beteiligen, durch neue Initiativen den Fensterbau stärker zu regulieren und somit teurer zu machen. Dies schadet uns!
  • Die Branche muss die Voraussetzungen schaffen, dass wir den CO2-Footprint bei unseren Prozessen radikal reduzieren, zugleich messbar und in der Außendarstellung transparent machen – auch als Wettbewerbsvorteil zu Importen.
  • Die Montagebetriebe müssen in den Verband integriert werden und es müssen Maßnahmen getroffen werden, dass das Qualitätsniveau auf der Baustelle nachhaltig und elementar steigt. Hierzu bedarf es einer klaren nationalen Regelung, dass Monteure für die Montage ausgebildet sind (Fachkunde-Nachweis).
  • Der Leitfaden zur Montage muss vollständig neu aufgesetzt werden. Er soll eigentlich Hilfsmittel für die Betriebe sein. Inzwischen verstehen ihn teilweise Sachverständige nicht mehr. Es bedarf einer kompletten Reorganisation hinter dem Leitfaden zur Montage inkl. vollständiger Überarbeitung. Er muss schlanker werden, eindeutiger und für jeden Monteur verständlich. Auch der 2-stufige Montageprozess muss in diesem Zuge weiter gestärkt werden, die Sanitärbranche lebt es seit Jahren vorbildlich vor.
  • Die Rivalität der verschiedene Akteure der unterschiedlichen Werkstoffen und sonstigen Stakeholder (Branchenverbände, Verbände rund um das Fenster, Netzwerke, Institute etc.) sollte eingestellt werden. Alle Materialien haben ihre Berechtigung, alle Beteiligten sitzen letztlich im gleichen Boot, da ihr gemeinsames Ziel darin besteht, das Produkt „Fenster“ zu stärken. Davon profitieren am Ende alle.
  • Lassen Sie uns als Branche diese Transformation als Chance begreifen. Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Beginnen wir in diesem Jahr damit, denn irgendwann ist es sonst zu spät.