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Stippvisite bei Gebhardt-Stahl

Über Verstärkungsprofile, Präzision und Leidenschaft

Werl, nordöstliches Ruhrgebiet, unweit der Hansestadt Soest: Schon bei der Anfahrt fällt auf, dass das Gelände von Gebhardt-Stahl weit mehr als ein gewöhnlicher Mittelständler ist. Ausgedehnte Hallenflächen, Werkstore im Dauereinsatz und Staplerverkehr zeugen davon, dass hier das Herz eines Unternehmens schlägt, das längst zum europäischen Marktführer für Verstärkungsprofile aufgestiegen ist.

Im Gespräch mit Ralf Neuhaus (Geschäftsführer Gebhardt-Stahl), Ingo Willeke (Vertriebsleiter Verstärkungsprofile) und Jan Schnellhammer (Leiter Technik) wird schnell klar, dass hier besonders viel Erfahrung am Tisch sitzt – sowohl was die Branche generell als auch was das Unternehmen Gebhardt-Stahl im Besonderen angeht: Neuhaus ist seit über 35 Jahren im Unternehmen, Willeke seit 22 und Schnellhammer seit 18 Jahren. Wir sprechen über Märkte, Produkte und Strategien. Darüber hinaus erhalten wir interessante Einblicke in den Herstellungsprozess eines Verstärkungsprofils, das auf bis zu 70 m langen Rollformanlagen entsteht, sowie in die logistische Meisterleistung, durch die jeder Fensterproduzent sein gewünschtes Verstärkungsprofil just in time erhält. Es steckt auf jeden Fall eine Menge Engagement und Erfahrung dahinter!

Von der „Händlerbude“ zum europäischen Marktführer

Ralf Neuhaus lächelt, als er im Konferenzraum den Bogen zur Historie schlägt: „Als ich 1989 angefangen habe, waren wir zu acht. Wir haben nur gehandelt, alles wurde in Lohnfertigung gemacht.“ Das Unternehmen wurde 1973 von Manfred Gebhardt und seiner Frau gegründet. Von Anfang an ging es um aufgespaltene Stahlbänder, aus denen beispielweise Armierungsprofile für die schnell wachsende Kunststofffenster-Industrie geformt wurden. Ein weiterer Geschäftszweig waren schon bald Erzeugnisse für die Erstellung von Luftkanälen und ganz individuelle Profillösungen für Kunden.

Heute ist die Dimension eine andere: Gebhardt Stahl ist ein Teil der Gebhardt-Group. Für Gebhardt-Stahl sind in Werl 250 Personen beschäftigt, die Gebhardt Group bietet für insgesamt 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an mittlerweile sechs internationalen Produktionsstätten eine Arbeitsstelle und pro Jahr werden mehr als 120.000 Tonnen Stahl verarbeitet.

Investor als Wachstumsmotor

Ein entscheidender Unternehmens-Meilenstein war der Einstieg eines niederländischen Finanzinvestors im Jahr 2019. Nach dem Tod des Firmengründers Manfred Gebhardt 2016 wurde das Unternehmen drei Jahre lang von einer Familienstiftung geführt. „In dieser Zeit sind wir sehr stark gewachsen und die Stiftung konnte uns nicht mehr optimal steuern“, erläutert Neuhaus die Hintergründe des Verkaufs. Anfangs gab es durchaus Skepsis unter den Mitarbeitern. Entgegen der Befürchtungen erwies sich der Einstieg des Finanzinvestors jedoch als Glücksfall. Neuhaus: „Die haben sehr gut zugehört im Verkaufsprozess, sie wollen mit uns wachsen. Ganz klar.“ Der Investor ermöglichte zudem eine aggressivere Akquisitionsstrategie. Dadurch gehe die Gebhardt Group sogar noch einen Schritt weiter und präsentiere sich als Komplettanbieter für die Gebäudehülle. So werden beispielsweise mit dem Zukauf der Van Zelst Groep aus den Niederlanden Stanz- und Biegeteile in die Fensterindustrie geliefert.

Aber klar ist auch: Private Equity ist kein Dauerstatus. Ein erneuter Eigentümerwechsel wird kommen. „Das wissen alle, das ist auch offen kommuniziert“, betont der Geschäftsführer.

Mit dem Wachstum des Unternehmens wurde auch die Geschäftsleitung auf mehrere Köpfe aufgeteilt: Neben den langjährigen Geschäftsführern Ralf Neuhaus und Dirk Thörner sind Ralf Dahmer als CEO der Gebhardt Group und Dr. Karl-Stefan Dewald als GF für Produktion und Produktmanagement hinzugekommen.

Wo Präzision aus Stahl entsteht

Bei unserem Rundgang durch die Hallen werden die Dimensionen plastisch. In drei Hallen befinden sich 13 Rollformanlagen. Gewaltige Stahlrollen („Coils“) dienen als Ausgangsmaterial und treffen mit Spezialtransportern ein. In den Rollformanlagen werden sie anschließend Schritt für Schritt geformt, gestanzt und zugeschnitten. „Hier entstehen mehr als 3.000 verschiedene Profiltypen“, erklärt Jan Schnellhammer und deutet auf einen Stapel frisch verpackter 6-Meter-Stangen.
Besonders beeindruckend ist, dass die Abläufe komplett austariert und feinjustiert sind, denn für Fensterhersteller zählt jeder Millimeter. „Unser Kunde legt die Stange in seine vollautomatisierte CNC-Linie – wenn da die Toleranzen nicht stimmen, fällt das auf uns zurück“, so Ingo Willeke. Genauigkeit und Gratfreiheit sind entscheidend. „Bei uns gibt es keinen scharfen Grat. So etwas ist einer der Qualitätsvorteile, mit denen wir punkten.“ Neuhaus ergänzt: „Es gibt schon so ein paar Kniffe, mit denen wir ein paar Prozent besser sind als andere. Es sind vor allem die entscheidenden Prozente.“

Das Unternehmen zeigt seine besonderen Stärken auch bei individuellen Lösungen und Kundenservice. Neuhaus: „Wir fertigen beispielsweise Hebeschiebetür-Pfostenprofile und Haustür-Verstärkungen in Sonderlängen von bis zu 4,80 m.“ Damit wird der Verschnitt beim Kunden weiter optimiert.

Neben den Rollformanlagen dienen die Hallen auch als Lagerfläche. Auf insgesamt 27.000 m² hält das Unternehmen für nahezu jedes gängige Fensterprofilsystem ein passendes Verstärkungsprofil vor.

Verstärkungsprofile hängen am Stahlpreis

In dem hart umkämpften Markt der Verstärkungsprofile setzt Gebhardt-Stahl auf Qualität und Service. „Etwa 70 Prozent des Verkaufspreises hängen direkt vom Stahlpreis ab – der gilt im Grunde für alle Anbieter gleichermaßen“, erklärt Neuhaus. „Aber was dazwischen ist, da können wir punkten: die Liefertreue, die Qualität, die Vielfalt der Produkte.“

Das Unternehmen beliefert Verarbeiter aller relevanten Systemhäuser und mit Stahlarmierungen für „Flügel, Blendrahmen, Pfosten, Haustür, Nebeneingangstür, Hebeschiebetür und Rollladenwellen. Alles, was der Fensterbauer braucht, bekommt er bei Gebhardt-Stahl“, betont Neuhaus. „Ergänzt wird das Angebot der Gruppe durch die Fertigung von Stanz- und Biegeteilen. Und dieses Leistungsportfolio bekommt er bei keinem anderen Marktbegleiter.“

Feste Tourenpläne sorgen dafür, dass die Profile immer rechtzeitig bei den Produzenten ankommen: „Unsere Stammkunden in Deutschland wissen, dass wir am Dienstag darauf liefern, wenn sie bis Mittwochmittag bestellen. Bis in den Norden nach Hamburg oder an die Mosel, aber auch nach Bayern.“

Die drei Geschäftssäulen

Im Gespräch wird deutlich, dass sich Gebhardt-Stahl intelligent diversifiziert hat. Drei Standbeine können Branchenschwächen einzelner Bereiche abfedern. So werden 60 Prozent des Umsatzes mit Verstärkungsprofilen für alle gängigen Kunststoff-Fenstersysteme erzielt. 35 Prozent entfallen auf Luftkanaltechnik. Dazu gehören Flansche, Zubehör und Komponenten für Klimaanlagenbauer. Ein kleinerer, aber stark wachsender Bereich sind Anwendungs- und Funktionsprofile für interessante Endmärkte wie Containerbau, Photovoltaik, Tore und Türen.

Stahl: Renaissance statt Rückzug

In den 2010er-Jahren wurde Stahl im Fensterbau fast schon totgesagt – zu schwer, zu teuer, nicht modern genug. Vor allem hatten viele Bedenken, dass das wärmeleitfähige Material im Kunststoffkern die energetische Performance zu stark beeinträchtigt. Heute zeigt sich das Gegenteil. „Die Gläser werden größer, die Farbanteile höher“, erklärt Willeke. „Das bedeutet: mehr Lasten, also auch mehr notwendige Verstärkung.“

Tatsächlich steigen die Querschnittsanforderungen. Früher lag der Standard bei 1,5 mm, heute dominieren 2 bis 2,5 mm. Parallel dazu gewinnen thermisch getrennte Profile an Bedeutung, wie sie Gebhardt-Stahl mit Polyurethanbrücke anbietet. Neuhaus: „Damit kann der Fensterbauer einfach bessere U-Werte erreichen – ohne sein Konstruktionsprinzip ändern zu müssen.“

Alternative Versuche mit hochfesten Kunststoffen seien im Markt aufgekommen, aber auch wieder ins Stocken geraten. „Da war vor fünf bis sieben Jahren ein regelrechter Run“, erinnert sich Schnellhammer. Heute sei von einer vollständigen Substitution der Stahl-Verstärkungen keine Rede mehr. „Stahl ist recycelbar, funktioniert zuverlässig und bleibt das Rückgrat des Kunststofffensters.“

Qualität überzeugt von England bis Südamerika

Bei der redaktionellen Stippvisite werden auch die Unternehmensziele und -visionen thematisiert. Der Fokus liegt aktuell auf den Auslandsmärkten. So hat Gebhardt-Stahl jüngst in England Fuß gefasst: „Wir haben zwei Großkunden gewonnen – rein über Qualität, nicht über den Preis“, betont Willeke. Englische Mitbewerber lieferten mitunter Profile „von erschreckend niedriger Qualität“.

Auch Frankreich, Südamerika sowie erste Schritte in den USA und Kanada stehen inzwischen im Fokus. „Wir folgen den Systemgebern, wenn sie expandieren. So entstehen unsere Auslandsmärkte“, führt Neuhaus weiter aus.

Es geht also um kontrolliertes globales Wachstum, die Erweiterung im Bereich Anwendungs- und Funktionsprofile. Gleichzeitig bleibt der Anspruch unverändert: „Wir wollen der Partner des Fensterbauers bleiben, auf den man sich verlassen kann – mit Qualität, Vielfalt und Liefertreue.“

Nach den Gesprächen, der Betriebsführung und den neu gewonnenen Eindrücken wird klar: Gebhardt-Stahl ist weit mehr als „nur“ ein Zulieferer von Stahlprofilen. Das Unternehmen verbindet mittelständische Tradition mit internationaler Dynamik und meistert perfekt den Spagat zwischen Private Equity, Marktführerschaft und Bodenständigkeit.

Ein Vor-Ort-Bericht von Chefredakteur Daniel Mund

Links im Bild: Auf diesen Rollformanlagen durchlaufen Stahlbänder bis zu 40 Bearbeitungsschritte, bis ihre ­endgültige Form erreicht ist. Rechts werden bereits die Werkzeuge für den nächsten Prozess vorbereitet.

Foto: Daniel Mund / GW

Links im Bild: Auf diesen Rollformanlagen durchlaufen Stahlbänder bis zu 40 Bearbeitungsschritte, bis ihre ­endgültige Form erreicht ist. Rechts werden bereits die Werkzeuge für den nächsten Prozess vorbereitet.
Kommissionsweise gelagerte Verstärkungsprofile bzw. Kopplungsprofile bei Gebhardt-Stahl.

Foto: Daniel Mund / GW

Kommissionsweise gelagerte Verstärkungsprofile bzw. Kopplungsprofile bei Gebhardt-Stahl.
GW-Chefredakteur Daniel Mund auf Stippvisite bei Gebhardt-Stahl.

Foto: Daniel Mund / GW

GW-Chefredakteur Daniel Mund auf Stippvisite bei Gebhardt-Stahl.
Thermisch getrennte Profile gewinnen an Bedeutung, mit denen bessere U-Werte zu erzielen sind.

Foto: Daniel Mund / GW

Thermisch getrennte Profile gewinnen an Bedeutung, mit denen bessere U-Werte zu erzielen sind.

Vielfalt in Verstärkungsprofilen

Gebhardt-Stahl ist virtuos im Thema Stahlverstärkungen für Fenstersysteme aus Kunststoff. Zu den Kunden zählen Systemgeber als auch Fensterhersteller. Das Angebot: Profile für alle Kunststoff-Fenstersysteme, größtenteils lagermäßig, auf Wunsch auch in Fixlängen lieferbar als

  • Lasergeschweißte Profile
  • Kopplungsprofile
  • Gelochte Profile
  • Statikabrollprofile
  • Sonderprofile auf Wunsch
  • Neuentwicklung nach eigenen Ideen
  • sowie thermisch-getrennte Profile, die für einen niedrigen U- Wert sorgen.
  • Tür- und Blendrahmenprofile (gefräst, gelasert und gestanzt)
  • Jetzt weiterlesen und profitieren.

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