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Vertrauen wächst dort, wo Taten überzeugen

Marke ≠ Marketing

Wer Marke macht, begegnet häufig folgendem Missverständnis: ’Marke, das macht die Marketingabteilung.’ Ist das wirklich so? Ich leite selbst eine Marketingabteilung. Beim Südtiroler Fensterhersteller Finstral dürfen meine Mannschaft und ich seit fast zehn Jahren Dinge tun, die Aufmerksamkeit erregen und unsere Marke durchaus prägen. Und doch bin ich mir sicher, dass unser Beitrag zum guten Ruf der Marke Finstral bestenfalls klein ist.

Dabei ist es doch genau dieser gute Ruf, der eine Marke so wertvoll macht. Aber entsteht der durch Marketing? Oder nicht doch eher aus all den kleinen und großen Erlebnissen die Interessenten begegnen, wenn sie das Angebot einer Marke wahrnehmen.

Wo wirkt die Marke?

Es ist der Ausdruck des Unternehmens an seinen Kontaktpunkten, der bei seinen Zielgruppen den Eindruck prägt. Genau dort, präziser gesagt: nur dort, entsteht Marke.

Und wenn wir ehrlich sind, dann machen diejenigen Kontaktpunkte, die nicht von uns im Marketing verantwortet werden, deutlich mehr Eindruck auf Interessenten, als die hübschen Bildchen aus unserer Finstral Werbung. Zum Beispiel:

  • Die gute Qualität und exzellente Verarbeitung unserer Produkte, die jeder sieht und spürt der sie einmal auf- und zumacht.
  • Ihre einzigartig modulare Konstruktion, die nahezu alle funktionalen Ausstattungen und Designoptionen miteinander kombinierbar macht.
  • Die vielen funktionalen Features – ob hoher Dämmwert, leichtes Sonnenschutzglas, platzsparend und wartungsarm konstruierte Beschattung im Verbundflügel oder verringerbare Kippwinkel für kalte Monate, die keine Katze durchklettern lässt.
  • Die gute Beratung bei Planung und Auswahl der Elemente.
  • Die fachgerechte Montage durch ift-zertifizierte Betriebe.
  • Dem kundigen Service, der im Problemfall freundlich und zuverlässig hilft.
  • Unsere nachhaltigen Materialien und Produktionsmethoden.
  • Die wertschätzende, gewinnende Kultur unseres gut aufgestellten Familienunternehmens, die vielleicht nicht jeder Interessent aber doch jeder Partner, Bewerberinnen und Bewerber und unsere gesamte Mitarbeiterschaft motiviert.
  • All das sind Kontaktpunkte mit Finstral, die den Ruf der Marke deutlich intensiver beeinflussen als unsere Marketingaktivitäten das in Summe je könnten.

    Wer macht Marke?

    Wenn Marke also nicht im Marketingbereich gemacht wird, wer macht sie denn dann? Wer im Unternehmen ist verantwortlich für den Ruf der Marke? Die Antwort ist so schlicht wie weitreichend: Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter, in jedem Moment. Alle, die an der Unternehmung teilnehmen und Teil haben, denn alle Kolleginnen und Kollegen wirken an irgendeiner Stelle an der Qualität eines oder mehrerer Kontaktpunkte mit – und sei er auch noch so klein.

    Es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die darüber entscheiden, ob sie in ihrem Einsatzbereich ein Markenerlebnis schaffen, das typisch für die Marke ist … oder eben nicht.

    Wer das Thema Marke im Unternehmen also auf eine Aufgabe für das Marketing einschränkt, beraubt sich ihrer enormen Wirkkraft. Wer ihre enorme Wirkung hingegen Entfesseln will, muss dafür sorgen das jede und jeder in der Unternehmung weiß, wofür die Marke steht. Und was sie oder er genau zum Markenerlebnis beiträgt. Und wie sie oder er das Erlebnis der Marke im eigenen Zuständigkeitsbereich besser machen kann.

    Als ich noch als Markenberater tätig war, schaute ich an dieser Stelle der Argumentation meist in erstaunte Gesichter von Führungskräften und Geschäftsleitungen: „Wirklich jeder Mitarbeiter? Haben die nichts anderes zu tun?“ Ich fragte dann: „Was denn?“ Die Antwort: „Na, ihren Job eben. Aufträge annehmen, Rechnungen prüfen, Produkte verschicken … all die im Alltag anfallenden ­Arbeiten. Darauf ich: „Genau! Und jedes einzelne davon ist ein Markenerlebnis.“

    Im Gegensatz zum „werblichen Marketing-Blabla“, das Nutzerinnen und Nutzer am Anfang ihrer Begegnung mit einer Marke empfängt, sind die alltäglichen Kontaktpunkte mit Produkt oder Vertriebs- und Servicedienstleistungen die viel Wichtigeren. Stellen Sie sich vor, eine Bestellung aufzugeben wäre kompliziert und bürokratisch. Oder die Rechnung wird auch nach langem Warten immer wieder falsch ausgestellt. Und die Produkte lieblos zusammen gepfeffert, lausig verpackt und viel zu spät geliefert. Solche Erlebnisse wiegt kein flotter Werbespruch an anderer Stelle wieder auf. Amazon-Gründer Jeff Bezos hat es einmal wie folgt auf den Punkt gebracht:

    „Marke entsteht nicht durch das, was Sie ­sagen, sondern durch das, was Ihre Unter­nehmung tut.“

    Amazon-Chef Jeff Bezos

    Es ist doch so: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in aller Regel echte Fachleute für ihre jeweilige Aufgabe. Aber nur weil jemand in seinem Gebiet das Richtige tut, wird daraus noch kein Zusammenspiel. Dafür braucht es einen gemeinsamen Bezugspunkt auf den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter all ihr Handeln ausrichten können. Klare Vorgaben aus einer Markenpositionierung, die alle kennen und teilen, bieten genau diese Orientierung. Darum ist es so entscheidend, alle Alltagsaufgaben und die gesamte Mitarbeiterschaft in den Prozess des Markemachens aktiv mit einzubeziehen. Denn wenn wir dafür sorgen wollen das jede und jeder weiß, wie er zum Erlebnis der Marke beitragen kann, dann liegt genau darin der Schlüssel.

    Motivation für’s Marke machen

    Jetzt denken Sie vermutlich: „Und wie Bitteschön soll sich eine gesamte Unternehmung für das Thema Marke motivieren lassen?“ Schließlich gelingt das in der Praxis ja wohl eher selten. Da mögen die Strategiepapiere noch so schlau ausgearbeitet und aufwendig vorgestellt worden sein… sie werden einfach von niemandem ernst genommen und versanden dann in den Niederungen der Umsetzung.

    Auch hier ist die Antwort eigentlich ganz einfach: indem alle mitmachen. Und zwar von Beginn an. Konzepte nicht im stillen Kämmerlein zu entwickeln, sondern in großen gemeinsamen Workshops zu entwerfen und anschließend nur noch verdichtet zusammenzufassen, hat einen erstaunlichen Effekt: Menschen unterstützen Themen, bei deren Kreation sie mitgeholfen haben. Sie verteidigen sie gegen Widerstand. Denn den gibt es immer.

    Doch durch Co-Kreation einer gemeinsamen Strategie lässt sich interner Kritik viel wirkungsvoller begegnen. Die in jeder Organisation vorhandenen Skeptikerinnen, ob passiv oder aktiv, lassen sich im Rahmen eines gemeinsamen Dialogs exzellent integrieren. Ihre Argumente werden als Teil der gemeinsamen Meinungsbildung bewertet und eingeordnet, statt dass sie informell und unkommentiert über die Flure wabern. Stattdessen werden sie sogar zur Stärke dieses Vorgehens: Alle Stimmen werden gehört. Aus der Interaktion entsteht Energie. Und aus der Integration in den Prozess die empfundene Verpflichtung, das Thema weiterzutragen.

    Alle, die an der Unternehmung teilnehmen und Teil haben sind verantwortlich für den Ruf der Marke.

    Zudem wird jeder und jedem dadurch die eigene Zuständigkeit für die Marke vor Augen geführt. Schließlich trägt jede einzelne Kollegin und jeder einzelne Kollege an ihrer bzw. seiner jeweiligen Stelle in der Organisation dazu bei, die Marke erlebbar zu machen. Und darum kümmert sich nur sie bzw. er – niemand sonst.

    Wie kaum etwas anderes ist Marke also in der Lage, zum Sinnstifter, Bindungsstoff und Gestalter einer Unternehmung zu werden. Sie eignet sich als Bezugsrahmen für das gesamte unternehmerische Tun.

    Alle ihre Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten stellt die Unternehmung in den Dienst der Marke, um ihren spezifischen Zweck zu erfüllen. Auf diese Art wird Marke zum Ergebnis und Treiber einer konzertierten Gemeinschaftsleistung. Und aus der unternehmerischen Teilaufgabe „Führung der Marke“ (die gar nur im Marketing verortet ist) wird „Führung über Marke“ zum Prinzip für die gesamte Unternehmung.

    Es liegt für die Führung einer Unternehmung also eine große Chance darin, sich klar zur Marke zu bekennen und alle strategischen Weichenstellungen konsistent und erkennbar an der Marke auszurichten.

    Der Autor Lucas von Gwinner beriet ­Finstral als Markenberater, bevor er als Leiter ­Marketing und Digital dorthin wechselte. ­Seinen Methodik beschreibt er im Buch „Macht ­Marke“, verlag hermann schmidt, 2025.

    Lucas von Gwinner macht Marke: Seit bald 10 ­Jahren hauptamtlich als Leiter Marketing und Digital bei ­Finstral, vorher als Markenberater und seit kurzem als Autor des Buchs „Macht Marke“.

    Foto: Lucas von Gwinner

    Lucas von Gwinner macht Marke: Seit bald 10 ­Jahren hauptamtlich als Leiter Marketing und Digital bei ­Finstral, vorher als Markenberater und seit kurzem als Autor des Buchs „Macht Marke“.

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