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Im Gespräch mit dem Glas-Sachverständigen Sebastian Dengg

Welches Sicherheitsglas ist für Fenster sicher?

GW: Herr Dengg, Gläser der Klassen P4A und P5A gelten als Sicherheitsglas. Können Sie kurz erklären, was diese Klassen leisten – und was nicht?

Sebastian Dengg: P4A und P5A sind i.d.R. Folienverbundgläser. Die Folie erhöht zwar die Widerstandszeit gegenüber einfachem Glas, aber normativ gelten beide Klassen als durchwurfhemmend, nicht durchbruchhemmend. Echte Durchbruchhemmung beginnt erst ab P6B – das gilt sowohl nach EN 356 als auch in der Praxis. Dort zeigt sich häufig, dass die Wahrnehmung von Sicherheitsglas stark von Film und Fiktion geprägt ist. Der tatsächliche Widerstand hängt weniger von exotischen Angriffswerkzeugen ab, sondern von sehr simplen, schnellen Vorgehensweisen, die genau diese Gläser nicht entscheidend bremsen.

Sebastian Dengg, Sachverständiger und Inhaber von Dengg engineering security

Dengg engineering security

Sebastian Dengg, Sachverständiger und Inhaber von Dengg engineering security

GW: Warum ist das für Fenster und Türen in hochwertigen Sicherheitsbereichen sowie für den Einbruchschutz relevant?

Dengg: In hochwertigen RC2-/RC3-Fenstern bilden einfache Verbundgläser das schwächste Glied in der Widerstandskette. Erfahrene Täter wissen gezielt, dass eine durchgrifffähige Öffnung ausreicht, um einen nicht verriegelten Fenstergriff zu betätigen. Mit P4A oder P5A ist ein Durchstieg wesentlich schneller möglich als mit P6B. Gerade Gelegenheitstäter arbeiten selten präzise oder leise – sie suchen den schnellsten Weg zum Ziel. Wenn das Glas als erstes Bauteil nachgibt, verliert die gesamte geprüfte Systemmechanik ihren Vorteil, unabhängig davon, wie hochwertig Beschläge oder Rahmen sind.

GW: Bedeutet das, dass P4A/P5A in Sicherheitskonzepten ungeeignet sind?

Dengg: Nicht unbedingt. Sie können sinnvoll sein, aber nur, wenn sie richtig in ein umfassendes Sicherheitskonzept integriert werden. Entscheidend ist, dass das Glas zur Mechanik und Umgebung passt – nur so lassen sich Schwachstellen vermeiden. Normwerte können eine Orientierung geben, ersetzen aber nicht die projektspezifische Bewertung des realen Risikos. Sicherheitskonzepte scheitern selten an der Norm, sondern daran, dass deren Grenzen nicht verstanden oder falsch eingeordnet werden.

GW: Was raten Sie Planern und Bauherren in der Praxis?

Dengg: Jedes Projekt ist anders. Daher lohnt sich immer eine projektspezifische Betrachtung, bevor Schwachstellen entstehen, die später teuer korrigiert werden müssen. Die Verglasung darf in Sicherheitskonzepten keinesfalls unterschätzt werden. Typische Planungsfehler entstehen oft durch Standardaufbauten oder durch pauschale Annahmen zu RC-Klassen, die den tatsächlichen Anforderungen nicht entsprechen. Eine frühe Abstimmung verhindert genau jene Überraschungen, die später zu unnötig hohen Kosten oder Nachrüstungen führen.

Das Interview führte Matthias Rehberger

Über Sebastian Dengg

Sebastian Dengg ist personenzertifizierter Sachverständiger mit Schwerpunkt auf mechanischer Sicherheitstechnik und sicherheitskritischen Verglasungen. Er begleitet Unternehmen, Planer und Bauherren bei der fachlichen Bewertung sowie der projektspezifischen Optimierung sicherheitsrelevanter Glas-Konstruktionen.

Universität Siegen