GW – Wie lange sind Sie in der Glasbranche?
Anja Rauscher –Das begann mit meiner Ausbildung im Glaszentrum Magdeburg von 1996–1999 zur Industriekauffrau. Danach war ich bis 2009 als kaufmännische Angestellte im Glaszentrum Greven tätig sowie seit 2010 erneut im Glaszentrum Magdeburg als kaufmännische Angestellte. Seit 2019 bin ich in meiner jetzigen Position als Betriebsleiterin.
Glaszentrum Magdeburg
GW – Welche Eigenschaften/Prinzipien haben Ihnen besonders dabei geholfen, sich in der männerdominierten Glasbranche zu behaupten?
Rauscher – Selbstvertrauen, Fachkompetenz und Durchsetzungsvermögen waren und sind besonders hilfreich. Eine offene und respektvolle Kommunikation hat mir dabei geholfen, Missverständnisse zu vermeiden und sich Respekt zu verschaffen. Auch Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, sich gegen Vorurteile zu behaupten, waren und sind entscheidend. Sehr geholfen hat mir zudem, ein Netzwerk aus Gleichgesinnten und Mentoren aufzubauen, die Unterstützung bieten und den Austausch fördern.
GW – Welche Herausforderungen begegnen Ihnen speziell als Frau in Ihrer Funktion als Betriebsleiterin?
Rauscher – Es ist wichtig, Selbstvertrauen zu zeigen, durch Fachkompetenz zu überzeugen und eine klare, respektvolle Kommunikation zu pflegen – und sich gleichzeitig Gehör zu verschaffen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist für viele Frauen eine Herausforderung, besonders in verantwortungsvollen Positionen. Flexible Arbeitsmodelle und Unterstützung im privaten Umfeld (Ausbau von Kindergärten, Schulhort) können hier mehr Entlastung bieten.
GW – Was sehen Sie hier noch?
Rauscher – Frauen sind manchmal weniger sichtbar in Entscheidungsprozessen oder bei wichtigen Projekten. Es ist daher wichtig, sich aktiv einzubringen und Erfolge sichtbar zu machen. Als Betriebsleiterin sind Frauen oft auch Vorbilder für andere Frauen im Unternehmen. Das kann einerseits eine große Verantwortung sein, andererseits auch eine Chance, positive Veränderungen zu bewirken und eine neue Unternehmenskultur zu fördern.
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GW – Wie fördern Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Werk/Team?
Rauscher – Mir ist es wichtig, eine unterstützende und offene Arbeitsumgebung zu schaffen. Regelmäßige Schulungen, Workshops und Weiterbildungsangebote helfen den Kollegen, ihre Fähigkeiten auszubauen und sich persönlich sowie beruflich weiterzuentwickeln. Konstruktives Feedback und das Anerkennen von Leistungen motivieren und stärken das Selbstvertrauen. Es ist auch wichtig, Erfolge zu feiern und auch bei Herausforderungen unterstützend zur Seite zu stehen. Ein respektvolles und wertschätzendes Arbeitsklima trägt dazu bei, dass sich die Kollegen wohlfühlen und ihr volles Potenzial entfalten können.
GW – Was raten Sie jungen Frauen, die in einem eher technischen oder industriellen Umfeld Fuß fassen wollen?
Rauscher – Sei neugierig und nutze jede Gelegenheit, um neue Fähigkeiten zu erlernen und dein Fachwissen zu erweitern. Weiterbildungen, Kurse und Workshops können dir dabei helfen, selbstbewusst in deinem Bereich aufzutreten. Suche dir Vorbilder und Mentoren – ein starkes Netzwerk kann Türen öffnen und bei Herausforderungen unterstützen. Vertraue auf deine Fähigkeiten, lass dich nicht entmutigen, wenn du auf Vorurteile oder Hindernisse stößt. Glaube an dich selbst und deine Kompetenz.
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GW – Sehen Sie, dass sich die Glasbranche aktuell verändert – technologisch, strukturell, kulturell?
Rauscher – Ja, absolut! Die Glasbranche befindet sich derzeit in einem spannenden Wandel. Neue Technologien wie automatisierte Produktionsprozesse und nachhaltige Fertigungsmethoden verändern die Art und Weise, wie Glas hergestellt und verarbeitet wird. Auch die zunehmende Weiterentwicklung im IT-Bereich wird Abläufe, unter anderem im Büroalltag, beschleunigen und verbessern. Diese Innovationen führen zu effizienteren Prozessen. Die Branche erlebt zudem eine stärkere Globalisierung und Vernetzung. Betriebe setzen vermehrt auf flexible und strategische Partnerschaften, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es gibt einen zunehmenden Fokus auf Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein: Unternehmen setzen auf umweltfreundliche Materialien, Recycling und energieeffiziente Prozesse. Insgesamt ist die Glasbranche im Wandel, was Chancen für Innovationen und neue Geschäftsmodelle bietet.
GW – Was müsste sich in der Branche ändern, damit mehr Frauen Führungsverantwortung übernehmen?
Rauscher – Unternehmen sollten eine Arbeitsumgebung schaffen, in der Vielfalt geschätzt wird und Frauen sich willkommen und unterstützt fühlen. Spezielle Programme, die Frauen gezielt fördern und bei ihrer Karriereplanung unterstützen, können helfen, Barrieren abzubauen und Frauen auf Führungspositionen vorzubereiten. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle und familienfreundliche Angebote erleichtern es Frauen, Beruf und Privatleben zu vereinbaren und Karriere zu machen. Es ist wichtig, eine Kultur zu fördern, in der Frauen ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen.
GW – Gab es in Ihrer Karriere ein Vorbild oder eine Mentorin, die Sie geprägt hat?
Rauscher –Ja, Anja Krost von Flachglas Nord-Ost. Ihre menschliche Art, ihre erfolgreiche stetige Weiterentwicklung der Karriere und gleichzeitig das Familienleben im Blick zu behalten – also eigentlich zwei unterschiedliche „Geschäftsmodelle“ zusammen erfolgreich zu meistern – ist sehr beeindruckend für mich. In der männerdominierten Glasbranche hat sie sich als Frau sehr souverän weiterentwickelt, durchgesetzt und wird entsprechend geschätzt und anerkannt – in ihrer Firma sowie auch in der Glasbranche insgesamt.
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GW – Haben Sie das Gefühl, dass Sie mehr leisten müssen als männliche Kollegen in vergleichbaren Positionen?
Rauscher – Nein, denn wenn ein Mann in diesen Positionen nicht alles gibt, ist er auch nicht erfolgreich als Führungsperson. In Führungspositionen musst du immer „mehr“ leisten, um anerkannt zu sein. Fachliches und Menschliches müssen zusammenpassen, sonst hast du zusammen mit deinem Team keinen Erfolg.
GW – Welche Veränderungen in der Arbeitswelt wünschen Sie sich für die nächste Generation von Führungskräften?
Rauscher – Für die nächste Generation von Führungskräften wünsche ich mir für Frauen und Männer vor allem eine Arbeitswelt, die noch flexibler und wertschätzender ist. Eine stärkere Betonung von Work-Life-Balance und flexible Arbeitsmodelle, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. So könnte eine Arbeitskultur entstehen, in der sich alle Mitarbeitenden wohlfühlen, ihre Potenziale entfalten und gemeinsam erfolgreich sein können.
Das Gespräch führte Matthias Rehberger
Über die Glaszentrum Magdeburg Vertriebs GmbH
Hauptschwerpunkt Isolierglas-Produktion sowie Veredlung von Funktionsisoliergläsern zu Wärmedämmglas, Schallschutzglas, Sonnenschutzglas und Sicherheitsglas, VSG-Verglasungen für Innenräume und Dachverglasungen bis 460 cm, Spiegel, Ornamentgläser. Vorrangig werden Gläser von Pilkington und Euroglas verarbeitet.
Der Handel umfasst zudem: ESG, VSG aus TVG/ESG, Beschläge, Brandschutzgläser. Liefergebiete sind die Räume Magdeburg, Leipzig, Berlin, Hannover, Hamburg.
In den letzten Jahren wurde im Rahmen einer umfassenden Rationalisierungsinvestition der gesamte Produktionsablauf modernisiert.
• Gründung: 1990, Umfirmierung: 2017 von Glaszentrum Magdeburg GmbH zu Glaszentrum Magdeburg Vertriebs GmbH, Übernahme der Geschäftsleitung durch Enno Kecker
• Mitarbeiter: 30 (inklusive 3 Auszubildende), 1-Schicht-System
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