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Interview mit Fabio Insalata und Jochen Günther von Knittel

„Wir sind die Roboter“

GW – Wie kommen Sie als Glasbearbeiter zu einer eigenen Maschinenbau-Sparte mit starkem Fokus auf Robotik?

Insalata – Wir sind mit unseren Gläsern für die Medizintechnik höchsten Qualitätsanforderungen unterworfen, die der Automobilindustrie in nichts nachstehen, was die Genauigkeit und die 0-Fehler Toleranz angeht. Zudem unterliegen wir einem harten internationalen Wettbewerb, der heute in Fernost zentriert ist und dafür sorgt, dass wir extrem genau auf unsere Produktionskosten sehen müssen. Denn unsere Gläser – sie kommen aus vorrangig Deutschland und zum kleinen Teil aus Belgien – können noch so gut sein, und wir können uns noch so klar zu ,Made in Germany‘ bekennen; ohne marktfähige Preise geht es einfach nicht.

GW – Das bedeutet Automation ist ein Muss?

Insalata – Richtig. Die erste Maschine hat mein Schwiegervater, unser Firmengründer Waldemar Knittel, selbst in seiner Garage konstruiert. Und dann kam immer mehr Jochen Günther ins Spiel.

Günther – Stimmt genau, ich habe in den ersten Jahren mehrere Maschinen gebaut und für Knittel geliefert. Allerdings bin ich mehr Ingenieur als Kaufmann. Daher war ich froh, als Waldemar Knittel dann mit dem Vorschlag auf mich zukam, den Maschinenbau bei Knittel zu integrieren. Damit hatten wir immer eine Grundauslastung für den Maschinenbau.

GW – Wo gibt es Verknüpfungspunkte von Ihrer Art der Glasbearbeitung mit der von Flachglasveredlern, und wo liegen die Unterschiede?

Insalata – Unterschiede gibt es im Hinblick auf die Formate und die Glasdicken, hier sprechen wir von unterschiedlichen zwei Welten. Und während es bei uns um die Reproduktion in großer Stückzahlen geht und eine Präzision bis auf den Hundertstel Millimeter gefragt ist, stellen die Zielmärkte Architektur, Möbel und Automotive andere Anforderungen. So steht für den Flachglasveredler die individuelle Bearbeitung jeder Scheibe bis Losgröße 1 immer mehr im Vordergrund. Das ist eine große Herausforderung.

Günther – Dennoch sind auch hier ja wirtschaftliche Taktzeiten gefragt, denn der Preisdruck möglichst geringer Stückkosten und insbesondere – neben der Produktivität – kürzeste Lieferzeiten bestimmen den Markt. Gleichzeitig ist es für die ausführenden Betriebe immer schwieriger, die richtigen Mitarbeiter zu finden – da spielt die Automation eine Schlüsselrolle für die Attraktivität der Arbeitsplätze. Der Trend geht zur mannlosen Verkettung von Arbeitsschritten, die in ihrer Kapazität durch vollständig integrierte Puffersysteme synchronisiert werden.

GW – Diese Automatisierung von Prozessen verhindert, dass an einzelnen Arbeitsplätzen ein Flaschenhals entsteht?

Günther – Ja, genau. Unsere Robotik-Lösungen können unter anderem genau an die individuellen Anforderungen bestimmter Schleif- und Bohrmaschinen angepasst werden. Solche Optimierungen wiederum sichern hinsichtlich Verfügbarkeit und wirtschaftlich Effizienz die Arbeitsplätze der Beschäftigten.

GW – Dann werden solche Automationslösungen mit Roboter von den Mitarbeitern in der Fertigung also nicht als Bedrohung ihrer Arbeitsplätze wahrgenommen?

Insalata – Nicht, dass ich wüsste. Aber mir ist auch kein Fall bekannt, in dem wirklich die Anschaffung eines Roboters konkret zum Stellenabbau bei den Beschäftigten geführt hätte. Dennoch ist es wichtig, die Mitarbeiter bei der Anschaffung eines Roboters mit einzubinden.

Günther – Ich sehe es so, Roboter helfen die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben der Glasbranche sicherzustellen (wie bei uns in der Medizintechnik). Das macht sie für Mitarbeiter attraktiv, optimiert die Lieferperformance und sorgt zudem für eine erhöhte Qualität. Wichtig ist zudem, dass wir mehr als nur den Roboter liefern.

GW – Was meinen Sie damit?

Günther – Unser 20-köpfiges Entwicklungsteam in Bielefeld erarbeitet Lösungen, die exakt auf die Anforderungen des jeweiligen Glasverarbeiters zugeschnitten sind. Das schließt die funktionierende Schnittstelle zur Betriebssoftware des Betriebs mit ein, ebenso die Maintenance und das Einfahren der Systeme: Wir bleiben mit unseren Kollegen im Kundenservice nicht nur so lange, bis alles wie gewünscht läuft – sondern installieren WhatsApp Gruppen, welche die Mitarbeiter an den Maschinen im Störungsfall nutzen können.

GW – Wie starten die Betriebe die Automatisierung mit Roboter und mit welchen Anforderungen kommen die Verarbeiter auf Knittel zu?

Günther – Also, es kommt schon vor, dass wir mit dem Kunden durch die Produktion gehen; und er uns explizit auffordert, Anwendungsbereiche zu identifizieren, in denen ein Roboter Sinn macht. Natürlich versuchen wir dann vor allem da zu unterstützen, wo er am schnellsten die positiven Auswirkungen im Controlling spürt. Die Amortisationszeiten beginnen bei zwei Jahren, manchmal sogar schon nach neun Monaten – dann sagen wir: ,Dieser Bereich schreit ja förmlich danach, automatisiert zu werden, da hier sonst wirklich Produktivität auf der Strecke bleibt.’

GW – Gibt auch Unternehmen, für die Ihre Maschinenbau-Abteilung das Fertigungslayout komplett plant.

Insalata – Ja, das gibt es auch, es ist eben eine Frage der Investitionsvolumina. Wir sind heute in der Lage mit kundenspezifisch angesteuerten Robotik-Lösungen Prozessschritte wie das Schleifen, Bohren, Wasserstrahlschneiden intelligent mannlos zu verketten, so dass am Ende die fertig geschliffene und polierte, mit allen Bohrungen und Ausschnitten versehene Scheibe auf das Gestell gehievt wird. Oder Glasverarbeiter starten die in die Zukunft gerichtete Modernisierung ihrer Fertigung mit einzelnen Modulen, die dann auch zeitversetzt umgesetzt werden können.

GW – Für den Kunden zahlt sich der Invest erst dann aus, wenn er mit dem Roboter dauerhaft Wertschöpfung erzielt, wie ist das bei Ihnen.

Günther – Das ist genau so und dazu trägt die enorme Standzeit unserer Roboter wesentlich bei. In unserer Produktion in Braunschweig haben wir erst dieses Jahr einen der ersten Roboter aus dem Jahr 2000 ausgetauscht, einfach weil die Hardware aufgegeben hatte.

GW – Ein weiterer Aspekt sind die niedrigen Wartungskosten. Wie steht es damit?

Günther – Bei den Robotern unserer Kunden bauchte es in der Regel in den ersten beiden Jahre keine Wartung, im dritten Jahr wird einmal Öl nachgefüllt und nach fünf Jahren muss vielleicht ein Riemen gewechselt werden. Damit sprechen wir von Wartungskosten von 1500 bis 5000 Euro im Jahr.

GW – Beim Bohren ist Ihnen jüngst eine neue Entwicklung gelungen, welche genau?

Günther – Hier geht es um Taktzeiten. Wir sind nun so weit, dass wir die Bohrköpfe gleichzeitig in Eingriff bringen können. Auch hier generieren wir den entscheidenden Vorteil durch die Verkettung mit weiteren Prozessschritten. Wie schon beim Kantenschleifen, wo wir intensiv mit Maschinenanbieter Lattuada zusammenarbeiten.

Insalata – Obwohl wir selbst auch Schleiftechnik konstruieren, haben wir uns entschieden, unsere Ressourcen im Bereich der Automatisierungstechnik verstärkt einzusetzen, da wir hier für uns die größeren Vorteile sehen. Deshalb macht für uns diese strategische Partnerschaft viel Sinn.

GW – Wenn wir über die Perspektiven sprechen, wo sehen Sie weitere Wachstumschancen – quantitativ, weil immer mehr Glasveredler für sich Vorteile in der Prozessautomation erkennen; oder auch qualitativ, weil es noch mehr Arbeitsschritte gibt, die sich mit dem Einsatz spezifisch programmierter Roboter optimieren lassen?

Günther – Ich denke, dass wir uns noch immer im ersten Drittel befinden, was die Durchsetzung der Automatisierungsmöglichkeiten im Segment Architekturglas angeht. Wir arbeiten an Modellen, die für die Zukunft – gerade in der Verkettung von Prozessen – sehr große Potenziale bereithalten. Da wird also noch einiges kommen. Lassen Sie sich überraschen.

Das Interview führten Matthias Rehberger und Reinhold Kober

Knittel bietet heute für die Glasverarbeitung abgestimmte Roboter-Lösungen an. Diese werden mit den Kunden genau an die jeweiligen Anforderungen und Wünsche des Betriebs angepasst.

Foto: Video glas strack innovations GmbH / Screenshot Book Your Video GmbH

Knittel bietet heute für die Glasverarbeitung abgestimmte Roboter-Lösungen an. Diese werden mit den Kunden genau an die jeweiligen Anforderungen und Wünsche des Betriebs angepasst.

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