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Rosenheimer Fenstertage

Gestärkt aus der Krise hervorgehen

Von einer Jubiläumsveranstaltung mit umfangreichen Rückblicken war anfangs nur wenig zu spüren – vielmehr richtete Institutsleiter Prof. Jörn Lass gleich den Blick in die Zukunft: Der Klimawandel führt zu spürbaren Auswirkungen auf unsere Umwelt und immer häufiger zu Wetterextremen. Die Bauindustrie trägt gleichzeitig erheblich zur Umweltbelastung bei, sei es durch den Ressourcen- und Energieverbrauch während des Bauprozesses, die Lebenszyklus-Emissionen der Gebäude bis hin zur Nachnutzungsphase mit Abfall, der nicht in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt wird. Nachhaltige Bauprodukte helfen, den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren und tragen zur Erreichung unserer Klimaziele bei.

Das neue Label des ift

Prof. Lass setzte sich mit der Fragestellung auseinander, wie Nachhaltigkeit und Klimaresilienz zu bewerten sind. Er verwies dabei auf die Forderung der EU, neutrale Stellen sollten Labels entwickeln, um ein Greenwashing einzudämmen. Das ift fühlt sich deshalb berufen und will das Label „Klima.Sicher.Bauen“ etablieren. Das würde objektive Informationen über das Bauprodukt glaubwürdig und vertriebsunterstützend vermitteln. Dabei geht es um 100 Bewertungskriterien über das Produkt selbst, aber auch über das Unternehmen im Hintergrund. Sein Fazit: klimasichere Bauelemente sind energieneutral und schützen vor Überhitzung. Aber er sagt auch: Die eierlegende Wollmilchsau wird es nicht geben.

Natürlich wurde die ift-Initiative gleich in der Programmpause intensiv diskutiert. Kritisch sehen viele die Prozentangabe im Label. Dabei kommt wohl ein Produkt selten auf Werte, die dem Verbraucher einen positiven Eindruck vermitteln könnten. Auch wurde bezweifelt, dass ein ift-Label tatsächlich ein entscheidendes Kaufargument wäre, denn es sei anzuzweifeln, dass das Fensterinstitut – das ohne Frage in der Branche eine feste Größe darstellt – auch beim Endkunden bekannt sei.

Was auf die Branche zukommt

Der Branchenanalyst Martin Langen holte im Anschluss die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Boden der Tatsachen und schwachen Aussichten zurück: Seine Botschaft: Wir haben es aktuell mit rückläufigen Auftragsmengen und rückläufigen Preisen zu tun. Auch die Sanierungsaktivitäten fallen in diesem Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurück – er spricht von einem „verlorenen Sanierungsjahr“. Langen glaubt zudem, dass das nächste Jahr noch schwieriger werden wird. „Der Auftragsbestand ist eigentlich sehr hoch – aktuell jammern wir auf sehr hohem Niveau.“

Jetzt macht es einen Unterschied, ob neue Fenster drin sind

Dass die Branche thematisch sehr schlagkräftige Argumente in der Hand halte, sei klar. Der Green Deal und die damit verbundene erzwungene Emmissionsreduktion werden zwangsläufig greifen. Schon allein eine jährliche Sanierung von min. 3  Prozent der Gesamtfläche aller öffentlicher Gebäude sei geplant. Zusätzlich werden ab 2030 Vermietungs- und Verkaufsverbote für unsanierte Wohnungen gesetzlich möglich. Das bedeutet: Wenn man in einem Gebäude neue Fenster einbaut, ist das Objekt gleich 10 Prozent mehr wert – gute Aussichten also für neue energieeffiziente Fenster. Kurzfristig müssen sich Unternehmen angesichts eines schwachen Marktes aber nach „Überwinterungsstrategien“ umschauen. Es müsse beispielsweise darum gehen, wie man seine Kosten runterfahren könne.

Matthias Horx – Epochenwandel

Einen ganz anderen Blick in die Zukunft (des Bauens und des Lebens) lieferte am Ende des ersten Veranstaltungstages der Futurist Matthias Horx. Sein Ansatz: Die Gesellschaft müsse aufhören mit dem Jammerismus und der Forderung, dass die Politik alles richten muss.

Wie wäre es, wenn wir uns die künftige Welt aus der Zukunft heraus betrachten? Also immer wieder die Frage stellen, was uns die Herausforderungen der Gegenwart in der Zukunft bringen. Horx hat dafür auch einen neuen Begriff geprägt: „Mit der ‚Regnose’ projizieren wir uns selbst in die Zukunft. Wir beobachten uns beim Beobachten und schauen zurück. Dabei entsteht ein dynamisches Zukunftsbewusstsein: Wir erkennen, dass unsere innere Dimension die Zukunft in uns selbst erzeugt – dass wir selbst die Zukunft sind.“

Weiter blickt er auf mögliche Wohnungs- und Lebenskonzepte in der Zukunft: Wir brauchen energetische Architektur („urban Farming“) und das neue Bauen wird bestimmt von der Solararchitektur.

Die wichtigen Pausengespräche

Generell werden die Fenstertage auch für den regen Austausch untereinander genutzt – schließlich kommen sonst nirgendwo so viele Experten zusammen. Dieses Mal war das beherrschende Thema die wirtschaftliche (Abwärts-)Situation. Dabei wurde auch die Preiskette diskutiert – angefangen bei den Rohstoffen, den Vorprodukten, den Fenster und Türen an sich und den Angebotspreisen beim Endkunden. Die Preise fallen, wo fallen sie zuerst? – so könnte man das verkürzt darstellen.

Was ist von der Politik zu erwarten

Im „Berliner Talk“ diskutierten Frank Lange (VFF), Thomas Drinkuth (Repräsentanz Transparente Gebäudehülle, RTG) und Jochen Grönegräs (Bundesverband Flachglas, BF) über aktuelle Themen aus der Politik und deren Auswirkungen auf die Branche.

Eine Teilnehmerumfrage zeichnete dabei genau das Bild, was auch die Verbandsgeschäftsführer bereits beklagten: Die Hälfte der Besucher der Fenstertage erwarten für 2024 einen Rückgang von mehr als 10 Prozent für die Branche. Eine weitere große Anzahl glaubt, dass sich die Rückgänge auf unter 10 Prozent einpendeln werden. Auf die Frage des Moderators Christian Anders, ob die Lage auch in Berlin angekommen sei, antwortete Drinkuth, dass die Politik sehrwohl verstanden hätte. Er befürchte aber, dass Habeck und Co immer noch davon ausgehen, dass sich der Bau – auch durch das neue 14-Punkte-Programm – rasch beleben werde.

Was muss man also machen, um die Krise in den Griff zu bekommen? Frank Lange: Es gelte, sich jetzt fit zu machen für den Aufschwung der in 2 Jahren kommt, das Unternehmen also noch mal „neu denken“. Auch verweist Lange gebetsmühlenartig darauf, dass man doch die 30 Prozent-Förderung nutzen solle, das Angebot nutze noch keiner in der Branche. „Da bietet der Verband richtig viel Unterstützung.“

Abschließend liefert Drinkuth noch eine Antworte auf die Frage, was das Lobbying in Berlin erreichen kann: Gegen die DNA von Politikern jedenfalls könne man nicht argumentieren, die Grünen seien nun einmal verliebt in erneuerbare Energien. Da würde die Energieeffizienz in der Gebäudehülle eher eine sekundäre Rolle spielen.

Und Lange und Grönegras antworten unisono, was denn ihr größter Wunsch an diese Regierung sei: Planbarkeit, Planbarkeit, Planbarkeit – wir müssen uns wieder auf die Regierung und ihre Förderpolitik verlassen können. „Ein Fahrplan bis 2045 wäre toll.“ Auch Drinkuth wünscht sich einen Masterplan für die energetische Gebäudesanierung. „Da muss jetzt mal etwas Substanzielles hinterlegt werden.“

Ein Rückblick von Chefredakteur Daniel Mund

ift-Institutsleiter Prof. Jörn Lass stellte das neue Label Klima.Sicher.Bauen vor.

Foto: Daniel Mund / ​GW

ift-Institutsleiter Prof. Jörn Lass stellte das neue Label Klima.Sicher.Bauen vor.
Martin Langen: „Auch die Sanierungsaktivitäten fallen in diesem Jahr deutlich unter den Erwartungen zurück“.

Foto: Daniel Mund / ​GW

Martin Langen: „Auch die Sanierungsaktivitäten fallen in diesem Jahr deutlich unter den Erwartungen zurück“.
Futurist Matthias Horx: „Die Gesellschaft muss aufhören mit dem Jammerismus.“

Foto: Daniel Mund / ​GW

Futurist Matthias Horx: „Die Gesellschaft muss aufhören mit dem Jammerismus.“
700 Teilnehmer kamen Anfang Oktober zu den Rosenheimer Fenstertagen. Für viele war die Präsenz der Fensterhersteller aber immer noch zu schwach. Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer rekrutierte sich aus dem Kreis der Zulieferindustrien.

Foto: Daniel Mund / ​GW

700 Teilnehmer kamen Anfang Oktober zu den Rosenheimer Fenstertagen. Für viele war die Präsenz der Fensterhersteller aber immer noch zu schwach. Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer rekrutierte sich aus dem Kreis der Zulieferindustrien.

Podiumsdiskussion Klima.Sicher.Bauen

Natürlich könnte man jetzt die Frage stellen, warum gibt es mit dem Label „Klima.Sicher.Bauen.“ noch ein Produktlabel mehr? Vor allem in einem Spannungsfeld, in dem es schon sehr viele Label unterschiedlichster Art existieren. Klimasichere Produkte sicher kennzeichnen soll die Devise sein. Durch die öffentliche Diskussion und die zukünftige Bauproduktenverordnung sowie den Green Deal der EU sind Hersteller gefordert, Informationen zur Nachhaltigkeit Ihrer Produkte anzugeben. Also lautet die einfache Frage: Wie können Hersteller in der Zukunft die Nachhaltigkeit und Resilienz Ihrer Produkte für Konsumenten sichtbarer machen? Und spätestens hier schließt sich der Kreis für „ein Produktlabel“, um Klarheit zu schaffen. Man könnte auch konstatieren, dass es viele geben wird, denn letztlich wird hier auch Geld verdient, also ein Topf an dem möglichst viele partizipieren wollen. Ob das ift den richtigen ­Move gemacht hat? Wir werden es spätestens nächstes Jahr auf den Fenstertagen erfahren. Aber bei allen Labels – wer kann sich nachhaltiges und sicheres Wohnen in der Zukunft noch leisten? Hier muss auch auf bezahlbare Lösungen und damit auf die Baukosten geachtet werden.
Olaf Vögele

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