Dünnes 3-fach-ISO mit einer ultradünnen Mittelscheibe (0,5 mm) hat sich zum viel beachteten Thema sowie zur interessanten Alternative gegenüber Standard-3-fach-Isolierglas entwickelt. Was zu dieser neuen Entwicklung geführt hat, was bei der Verarbeitung zu beachten ist und wie die Zukunft aussehen könnte, das wollte die GW von Hegla Geschäftsführer Bernhard Hötger wissen. Der Maschinenspezialist bietet seit über 30 Jahren Schneidanlagen für Dünn- und Spezialgläser an, und das ab 0,1 mm Glasdicke.
GW – Das 3-fach-Isolierglas mit Dünnglas zieht seit der glasstec 2024 immer mehr Beachtung auf sich. Was ist der Grund dafür?
Bernhard Hötger – Wir waren im Vorfeld der glasstec von einer gesteigerten Aufmerksamkeit ausgegangen. Doch mit welcher Wucht das Interesse dann kam, damit hatten wir nicht gerechnet. Schlankes und leichtes Isolierglas trifft einfach den Nerv der Zeit und bietet eine Lösung für zuvor schwere und breit aufgebaute Fenster. Zudem öffnet es einen neuen Markt für die Glasindustrie. Durch die geringe Dicke der ISO-Einheit ist es mit nur wenig Aufwand möglich, alte 2-fach-Gläser eines bestehenden Rahmens gegen ein besser dämmendes 3-fach-lSO auszutauschen. Zum großen Interesse hat sicherlich auch beigetragen, dass mit Corning, Glaston und Hegla drei erfahrene Unternehmen ihre jeweiligen Kompetenzen als Glaslieferant, Schneidanlagen-Spezialist und lsolierglaslinien-Hersteller einbringen und eine durchgängige Lösung anbieten können.
Dünnes 3-fach-ISO ist bei uns eher ein Produkt für den Sanierungsmarkt, in südlichen und westlichen EU-Ländern mehr für den Neubau
GW – Wie sehen Sie bei Dünnglas bzw. dünnem 3-fach-ISO die weitere Entwicklung?
Hötger – Mit dem Dünnglas in der Mitte kann ein 3-fach-Isolierglas mit TPS auf gleicher Breite aufgebaut werden, wie ein konventionelles 2-fach-Glas. Damit ist der bestehende Fensterrahmen weiter nutzbar und die Scheibe erzielt einen deutlich besseren U-Wert als zuvor. Dazu kommt, der Wechsel der lSO-Einheit ist erheblich günstiger als der Austausch eines kompletten Fensters und so stehen Kosten und Nutzen in einem besseren Verhältnis. Der potenzielle Absatz ist gewaltig. Eine Studie von VFF und BF von 2023 besagt, dass 168 Mio. Fenster in Deutschland noch mit unbeschichtetem Isolierglas ausgestattet sind. Zusätzlich profitiert die Umwelt: Energie wird gespart, CO2 reduziert und Ressourcen geschont.
Neben der Sanierung von Fenstern besteht vor allem im EU-Ausland ein Bedarf an leichtem 3-fach-Isolierglas bei Neubauten. Die Fassade wird mit weniger Gewicht belastet als bei Standard-3-fach-Aufbauten, somit müssen weder Wand noch Fenster stärker ausgelegt werden.
GW –Es gab in der Vergangenheit Versuche, 3-fach-Isolierglas mit Folie als Mittellage zu fertigen. Der Ansatz scheint ähnlich wie Dümmglas-ISO, hat sich aber nicht durchgesetzt. Warum?
Hötger – Ob Folie oder Dünnglas, die Wärmedämmung würde sich bei der 3-fach-Einheit im Vergleich zum 2-fach-Glas verbessern und das Gewicht bleibt dennoch gering. Einerseits ist jedoch die Verarbeitung des Werkstoffs Glas einfacher. Während eine Folie auf Spannung gehalten werden muss, ist das Dünnglas durch seine Eigenschaften einfacher zu verarbeiten. Andererseits wird die Durchsicht und Optik einer Folie nur in den seltensten Fällen der eines Glas entsprechen, das spricht für 3-fach-ISO mit Dünnglas.
GW – Dünnglas ist bei Glasverarbeitern eher ein Randprodukt. Was besonderes ist zu beachten?
Hötger – Aus chemischer Sicht ist das Dünnglas ein Borosilikatglas. Unsere Kundinnen und Kunden setzen es bislang vor allem für technische Produkte, etwa für Displays, ein. In seinen Eigenschaften ist es bruchfester und wärmebeständiger. Die Herstellung und Verarbeitung von sehr dünnem Glas wird damit überhaupt erst möglich. Zugleich steigen durch die geringe Materialstärke die Anforderungen an das Handling, den Weitertransport und die Kantenqualität im Zuschnitt. Der Hegla Sensitiv-Schneidkopf erzeugt hierzu eine homogene Ritzkontur, die so eine hohe Kantenfestigkeit realisiert. Automation macht die weiteren Abläufe prozesssicher, angefangen von der automatischen Beschickung über die Verarbeitung auf der Schneidanlage bis zur automatischen Übergabe in den Fächerwagen. An der TPS-Anlage von Glaston werden die Scheiben dann bedienerlos übergeben und zusammen mit dem Floatglas zu einer 3-fach-Einheit zusammengefügt. Mit entsprechender Anlagentechnik (www.hegla.com) lässt sich das Dünnglas gut neben VSG und Float in die Fertigung integrieren.
GW –Wie bewerten Sie die Marktchancen?
Hötger – Dort, wo es bisher kein 3-fach-Isolierglas gibt, d. h. Europa westlich von Deutschland, in UK, den USA und in Asia Pazifik, dürfte es ein sehr großes Potential geben. In diesen Ländern lassen sich mit Standard 2-fach-Isoliergläsern die Vorgaben zur Energieeinsparung nicht mehr realisieren, diese Länder sind zum Handeln gezwungen. Hier dürfte dünnes 3-fach-Isolierglas gleich mehrere Problemstellungen auf einmal lösen. In Mittel- und Osteuropa, inklusive DACH-Region, wo das „dicke“ 3-fach-Isolierglas etabliert ist, sehe ich der Renovation ein richtig großes Potential, deutlich mehr aktuell, als im Neubau.
Das Interview führte Matthias Rehberger
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