Die deutsche Fensterbaubranche befindet sich in einer paradoxen Situation: Während die Auftragsbücher gut gefüllt sind, erodieren die Margen. "In der Fensterbaubranche sind laut ifo-Institut die Bruttomargen seit 2019 um vier Prozentpunkte gefallen – das bedeutet für die Praxis einen erheblichen Rückgang", erklärt Mike Kersting, Vorstand der SMK Group, in seinem Gastbeitrag zur wirtschaftlichen Lage des Mittelstands.
Besonders problematisch: Während die Materialpreise in manchen Bereichen um 30 bis 40% gestiegen sind, konnten die Preise gegenüber Kunden oft nur um zehn bis fünfzehn Prozent angehoben werden. Gleichzeitig kämpfen viele Betriebe mit Lieferengpässen. "Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks berichten 65% der Betriebe von massiven Lieferschwierigkeiten bei Profilen, Glas oder Beschlägen", so Kersting.
Die Analyse der SMK Group aus über 150 Unternehmensprojekten zeigt: In vielen Betrieben schlummern erhebliche Einsparpotenziale. "Zwischen 20 und 30% der laufenden Kosten sind in vielen Betrieben reduzierbar – ohne einen einzigen Arbeitsplatz abzubauen", betont Kersting. Ein wesentlicher Hebel sei dabei ein systematisches Risikomanagement, das in vielen Handwerksbetrieben noch fehle.
Versicherungskosten oft unnötig hoch
Die erste Kostenfalle entsteht durch "Risikoblindheit im Alltag". Viele Betriebe verlassen sich auf historische Versicherungspolicen oder gewachsene Beziehungen, ohne ihre tatsächlichen Risiken systematisch zu analysieren. Die Folge: hohe Prämien für irrelevante Risiken bei gleichzeitiger Unterversicherung bei echten Gefahren. Ein Praxisbeispiel zeigt, wie ein Fensterbaubetrieb mit 95 Mitarbeitenden nach einer unabhängigen Portfolioanalyse seine jährlichen Versicherungsprämien von 100.000 Euro auf 70.000 Euro senken konnte – bei gleichzeitig besserer Absicherung existenzieller Risiken.
Kritische Abhängigkeiten unter der Lupe
Die zweite Kostenfalle liegt in kritischen Abhängigkeiten. Laut ZDH gaben über 65 % der holzverarbeitenden Handwerksbetriebe an, dass sie 2023 starke bis sehr starke Lieferschwierigkeiten bei Profilen, Glas oder Beschlägen hatten. Hinzu kommen IT-Monolithen und personelle Schlüsselabhängigkeiten. Ein Fensterbaubetrieb mit 55 Mitarbeitenden konnte durch die Migration von einer lokalen Serverlösung zu einer cloudbasierten ERP-Struktur mit Lieferantenportal seine Produktionsstillstände um 90 % reduzieren und 22.000 Euro/Jahr an Nacharbeit und Eilzuschlägen einsparen.
Mitarbeiter-Fluktuation unbedingt eindämmen
Die dritte Kostenfalle besteht in kurzfristigen Entscheidungen, die langfristige Verluste verursachen. Besonders bei der Mitarbeiterbindung und strategischen Finanzierung setzen viele Betriebe falsche Prioritäten. Die Studie zeigt, dass ein Unternehmen mit 80 Mitarbeitenden durch eine Fluktuation von zehn Mitarbeitenden pro Jahr etwa 250.000 Euro an Kosten verursacht. Nach Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle und gezielter Weiterbildung sank die Fluktuation um 60 %. Zusammen mit einer Refinanzierung von Betriebsmittelkrediten von 7 % auf 4,2 % Zins konnte das Unternehmen 120.000 Euro jährlich einsparen.
Digitale Risiken werden unterschätzt
Neben den klassischen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen stellen digitale Risiken eine wachsende Bedrohung dar. Laut Bitkom wurden 2023 über die Hälfte der mittelständischen Industrieunternehmen Opfer eines Cybervorfalls. Die Folgen können verheerend sein: Betriebsunterbrechungen mit Ausfällen von bis zu 30.000 Euro – pro Tag. Dennoch verfügen viele Betriebe über keine ausgereiften Notfallpläne oder Datensicherungen außerhalb der Produktionsumgebung.
Fünf Schritte zu mehr Resilienz
Um die wirtschaftliche Stabilität zu verbessern, empfiehlt Kersting einen systematischen Ansatz:
"Jetzt ist der Moment für entschlossenes Handeln. Nicht für hektischen Aktionismus, sondern für kluge Steuerung", fasst Kersting zusammen. "Wer heute versteht, wo Risiken entstehen, kann morgen souverän entscheiden. Der Mittelstand hat die Substanz – er braucht nur den Mut, seine Struktur neu auszurichten."