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Die Chronik des Glases

Glas, ein alter, neuer Baustoff für die Zukunft

Saint-Gobain ist nicht nur der Name einer der heute größten Flachglasherstellers auf dem europäischen Kontinent, sondern auch Ursprungsort des Walzglasverfahrens. Bei diesem Verfahren wird eine zähfließende Glasmasse auf den Walztisch gegossen, darauf verteilt und schließlich zu Flachglasplatten gewalzt.

Dieses Verfahren taucht in den Quellen der Gemeinde Saint-Gobain in Nordfrankreich erstmals Ende des 17. Jahrhunderts auf und hält sich bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Nach mehreren Zwischenschritten – schon 1929 / 1930 – bringt Saint-Gobain, zwei Jahre nach dem Sicherheitsglas Securit, das in erster Linie für die Automobilindustrie entwickelt wurde, dann das sogenannte Einscheiben-Sicherheitsglas auf den Markt, heute unter dem Kürzel ESG bekannt.

Noch vor der Gründung der NEUEN GLASERZEITUNG (1948) als Vorgänger der GLASWELT (GW) hatte der Deutsche Max Bicheroux die Gussglas-Herstellung dergestalt vorangebracht, dass keine Glastafeln mehr aus der Schmelze gezogen wurden, sondern die flüssige Glasmasse zwischen den gekühlten Walzen zu einem Glasband geformt wurde. Das Ergebnis: Erstmals ließen sich Scheiben mit einer Breite von bis zu viereinhalb Meter produzieren!

Das Verfahren, das den weltweiten Siegeszug von Glas triggerte

Doch die Entwicklung bei der Herstellung von Flachglas-Tafeln ging weiter: Ende der 1950er, Anfang der 1960er-Jahre gelingt es Sir Alastair Pilkington die zunächst gewaltigen technischen Anforderungen der Floatglas-Fertigung zu lösen und diese auf einen industriellen Produktionsmaßstab zu übertragen.

Sir Alastair Pilkington, der Vater des ­industriellen Floatglasverfahrens

Bild: Pilkington

Sir Alastair Pilkington, der Vater des ­industriellen Floatglasverfahrens

Die Idee, Glas auf einem flüssigen Metall aufzubringen, anstatt es zu ziehen oder zu walzen, wie das bis in die 1950er-Jahre üblich war, gab es an sich schon länger. Doch Sir Pilkington gelang die Umsetzung in einen revolutionären Fertigungsprozess, von dem damals noch nicht abzusehen war, dass er die Welt verändern sollte.

Der Siegeszug von Floatglas

Bis in die 1970er-Jahre schließlich drängte das Verfahren mit seinen großen Floatwannen alle anderen Herstellungsvarianten zurück.

Denn im Gegensatz zu den bisherigen Herstellungsverfahren von Glas, war es nun möglich, Glasplatten präzise und mit planparallelen Oberflächen zu erzeugen, und das in riesige Mengen und in einem konstanten Prozess (24/7). Darüber hinaus zeichneten sich die neuen Floatgläser durch eine sehr hohe optische Qualität aus. Flachglas war nun also als industrielles Massenprodukt erhältlich.

Damit fiel auch gleichzeitig der Startschuss für großflächige Glasfassaden, von denen bereits die Architekten des Modernismus seit den 1920er-Jahren träumten, allen voran der wegweisende Architekt Mies van der Rohe, der bereits im Jahr 1921 an einem Wettbewerb für ein Bürohochhaus an der Friedrichstraße in Berlin teilnahm, dessen Fassade vollständig verglast war. Von den Auslobern des Wettbewerbs wurde sein Beitrag nicht ernst genommen, da er zu ungewöhnlich war. Heute sind solche Glasfassaden ein weltweiter Standard.

Das Floatverfahren revolutionierte Ende der 1950er die Herstellung von Basisglas. Dadurch konnte man nun Architekturglas als industrielles Massenprodukt fertigen, was wiederum der Startschuss für die Konstruktion von großflächigen Glasfassaden war.

Bild: Pilkington

Das Floatverfahren revolutionierte Ende der 1950er die Herstellung von Basisglas. Dadurch konnte man nun Architekturglas als industrielles Massenprodukt fertigen, was wiederum der Startschuss für die Konstruktion von großflächigen Glasfassaden war.

Bild: GW Archiv

Der Wahnsinn mit der Wanne

Eine Floatwanne – die erste in Deutschland, die Saint-Gobain im Jahr 1966 in Betrieb nimmt – verschlingt Unmengen an Kapital. Dadurch bleibt der Kreis der Unternehmen, die in diese ewig und im Dauerbetrieb laufenden Großanlagen investieren können, überschaubar.

Zwar gibt es heute auch Unternehmen in Familienbesitz, wie beispielsweise Trösch oder Arnold Glas, die alleine oder in Kooperation den Zugang zur Glasherstellung erhielten.

Doch die Großen, wie Saint-Gobain, Asahi, NSG und Guardian Glass, weisen bis heute allesamt Konzernstrukturen auf.

Ein weiterer Aspekt der Floatglas-Herstellung, den es zu erwähnen gilt, ist die Gleichartigkeit des resultierenden Produkts. Denn Flachglas ist ein klassisches Commodity, was – verbunden mit der extrem hohen Hürde des gigantischen Invests von bis zu 700 000 Euro je 10 Meter Floatlinie – Bestrebungen zur Differenzierung im Markt nicht begünstigte.

An dieser Stelle sei auch noch angemerkt, dass selbst die großen internationalen Floatglashersteller teilweise bei ihren Wettbewerbern Floatglas einkaufen, wenn sie einmal selbst nicht den eigenen Bedarf decken können. Dies belegt letztendlich wie austauschbar Basisglas ist.

Wobei es heute dennoch Unterschiede gibt. So unterscheiden sich selbstverständlich eisenarme Floatgläser von Standard-Float, oder mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen, hin zu einem steigenden Angebot an CO2 reduzierten Floatgläsern, die sich ebenfalls von herkömmlichen Standard-Floatgläsern unterscheiden.

Isolierglas, eine weitere gläserne Revolution im Bauwesen

Mit der Einführung und Etablierung des Mehrscheiben-Isolierglases seit den 1950er-Jahren durch das heute noch vielen Brancheninsidern bekannte Thermopane fanden viele Gläser dieser Marke im deutschen Sprachraum eine große Verbreitung. Der Name wurde zeitweilig zum Synonym für Zweischeiben-Isolierglas.

Thermopane, der ISO-Klassiker aus den USA

Thermopane wurde in Deutschland zuerst von der Glas- und Spiegel-Manufaktur A.G. vertrieben, die 1950 eine Lizenz der Libbey-Owens-Ford Glass Company aus den USA erworben hatte, wo acht Jahre zuvor der gelötete Randverbund für diese Isoliergläser im 2-fach-Aufbau entwickelt worden war.

Thermopane-Gläser wurden dann in Deutschland vielfach zum Synonym für Isolierglas. „Ein Haus mit Thermopane-Fenstern“, so schrieb die GLASWELT vor fünf Jahren in ihrer Ausgabe zum 70-jährigen Bestehen, „galt als Inbegriff für modernes Wohnen, für Wärmedämmung und für Wohn­komfort.“

Und auf der Werbeanzeige in der GLASWELT der „Thermopane Verkaufsgesellschaft Gelsenkirchen“ aus dem Jahr 1959 (!) steht mit den Attributen „Wärmeisolierend, schalldämmend, kondensationsfrei“ neben dem „einfachen Einsetzen“ und „geringen Reinigungskosten“ noch immer eine Menge von dem, was unverändert zum kleinen Einmaleins der Branche gehört.

Doch die Entwicklung ging auch bei den Isoliergläsern weiter, der gelötete Randverbund wurde abgelöst durch die Erfindung des elastischen Randverbunds (wie wir ihn heute noch nutzen) .

Die Idee der elastischen Verbindung der beiden Scheiben einer ISO-Einheit stammte von Alfred Arnold, dem Tüftler aus dem Schwabenland, der bereits eingangs genannt wurde.

Im Jahr 1959 begann er für den ISO-Randverbund ein elastisches, geklebtes System mit Aluminiumschienen zu entwickeln, statt starrer, gelöteter Verbindungen wie bisher. Dies machte die Isolierglas-Einheit belastbarer und vor allem auch langlebiger.

Der Ölpreis-Schock Anfang der 1970er-Jahre gab der Verbreitung von Isoliergläsern einen wahnsinnigen Schub.

Bild: GW Archiv

Der Ölpreis-Schock Anfang der 1970er-Jahre gab der Verbreitung von Isoliergläsern einen wahnsinnigen Schub.

Von solchen Märkten träumen wir heute

Zeitzeugen erinnern sich noch, dass in den frühen Isolierglas-Zeiten „das ISO zugeteilt wurde.“ Damals war der Glasmarkt in Deutschland noch ein klassischer „Verteilermarkt“, aufgrund der knappen Verfügbarkeit des Werkstoffs.

Die Weiterverarbeiter konnten nicht wie heute die gewünschte Menge an Basisgläsern bestellen, nein sondern ganz im Gegenteil, diese wurde ihnen von den Glashestellern zugeteilt.

Was sich dann natürlich auch in entsprechend hohen Basis- und Handelspreisen niederschlug (auch gegenüber den Endkunden).

Mit Blick auf heute oftmals auftretende Überkapazitäten und dem entsprechenden Preisniveau, können die Hersteller und Glasverarbeiter von solchen Zeiten nur noch träumen.

Schallmauer geknackt: Interpane ­ent­wickelte erstmals ein ISO mit einem  damals sehr guten K-Wert von 1,4

Bild:  GV Archiv

Schallmauer geknackt: Interpane ­ent­wickelte erstmals ein ISO mit einem  damals sehr guten K-Wert von 1,4

Der Ölpreis-Schock gibt der Glasbranche einen Schub

Die Geschicke der Glasbranche sind häufig eng mit gesetzlichen Vorgaben und der Energiepolitik verknüpft. Als sich am 17. Oktober 1973 der Preis für ein Barrel Rohöl um 70 Prozent erhöht – von 3 auf 5 US-Dollar – findet dieser veritable Ölpreis-Schock nachhaltig Widerhall nicht nur in der Glasindustrie, sondern bis in den Deutschen Bundestag.

Die erste Wärmeschutzverordnung, die 1977 in Kraft tritt, ist also nicht in erster Linie getriggert durch die Schonung natürlicher Ressourcen und eine Absenkung der CO2-Emissionen. Vielmehr ist Energie – damals zuallererst Wirtschaftspolitik.

Tatsächlich ist für die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Geschichte von Glas und Fenster die gesetzliche Regelung ein Booster, was sich auch an den rasanten Fortschritten bis hin zum – bereits erwähnten und von Interpane postulierten – K-Wert von 1,4 W/m²K ablesen lässt.

Noch bis in die 1970er-Jahre dominieren in Deutschland einfach verglaste Fenster sowie Kasten- und Verbundfenster mit je zwei unbeschichteten Einzelscheiben.

Sogar frühes 3-fach-Isolierglas war, in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre bei den Mitgliedern der Isolar-Gruppe erhältlich. Parallel dazu vermarktete Interpane unter dem Namen Ipaphon ein erstes Schallschutzglas, für das der Hersteller eine Schalldämmung von 45 dB reklamierte.

Überall entstanden nun Betriebe zur Fertigung von Isolierglas, um der hohen Nachfrage beizukommen. Und so wurde auch Isolierglas zum Massenprodukt: So war damals zu lesen, dass mit den 2500 m2 Isolierglas, die bei Interpane täglich vom Band liefen, jede Woche 650 Zweifamilienhäuser in Deutschland verglast wurden.

Heute fertigen Mittelständler wie Glas Herzog (siehe Seite 44) täglich bis zu 1000 ISO-Einheiten täglich (im Zweischicht-Betrieb).

Hegla fuhr damals eine Anzeigen­kampagne mit sehr speziellen Fahrzeugen.

Bild:  GLASWELT Archiv/Hegla

Hegla fuhr damals eine Anzeigen­kampagne mit sehr speziellen Fahrzeugen.
Der Glaser war in der 1970er- Jahren ein cooler Beruf, mit lässiger Arbeitskleidung.

Bild: GV Archiv

Der Glaser war in der 1970er- Jahren ein cooler Beruf, mit lässiger Arbeitskleidung.

War das die Blütezeit der heimischen Glasbranche?

Jedenfalls herrscht in den 1970er-Jahren in Sachen Isolierglas fast eine Goldgräberstimmung. Das Handwerk war damals ein sehr gefragter Arbeitgeber, es konnte ein gesichertes Auskommen bieten und es war, zur Freude der Unternehmer weit weniger reguliert als dies heute der Fall ist. Vielleicht war das die Blütezeit der Branche bis heute.

Schon damals beginnt das „Größer, Weiter, Höher“ der Scheibenformate, was Herausforderungen in der Einbau- und Produktionslogistik mit sich bringt. Vor allem das „Schwerer“, welches mit den Mehrscheibenaufbauten einhergeht, führt zwangsweise dazu, dass sich die Betriebe über das Scheibenhandling Gedanken machten.

In den 1980er-Jahren bringt Hegla unter dem Namen „David“ einen mit einem Sauggerät ausgerüsteten Kran auf den Markt. Formate bis 800 kg Scheibengewicht nahm der Monteur damit vom Glasreff und schwenkte diese prozesssicher „in völlig ruckfreien Bewegungen vor die zu verglasende Öffnung, um nahtlos direkt in die Glasfalz einzufahren“.

Damals Hightech-Fahrzeuge, heute Oldtimer-Klassiker. ­Dennoch, das Prinzip des Glasreffs sowie das von Branchenfahrzeugen mit Hebe­technik als Lade- und Montagehilfe ist auch heute zeitgemäß.

Bild: PAnnkoke

Damals Hightech-Fahrzeuge, heute Oldtimer-Klassiker. ­Dennoch, das Prinzip des Glasreffs sowie das von Branchenfahrzeugen mit Hebe­technik als Lade- und Montagehilfe ist auch heute zeitgemäß.

Solche Hebetechnik sollte sich über die Jahrzehnte mehr und mehr durchsetzen, und zwar nicht nur in der Produktion, sondern insbesondere auch auf der Baustelle. Denn über die Jahre wurden die Glas- und Fensterelemente immer größer und schwerer, so dass sich sich nur aufwendig und unter hohem Personaleinsatz handhaben lassen. Heute lassen sich großformatige Bauelemente mithilfe von Hebegeräten sicher und millimetergenau einbauen, die nur einen Bediener benötigen.

Und was sich damals kaum jemand vorstellen konnte: Auch auf der Baustelle lässt sich heute das Tragen von Lasten bis zu 2 t, inklusive Glasreffs, durch mobile Elektrotransporter (mit Raupenantrieb) erledigen, es sind sogar Geräte am Markt, die auch voll beladen unter Last Treppen steigen können, damals war so etwas unvorstellbar.

Ein Schock für die Glasbranche: Plexiglas-Platten ersetzen das Drathglas am Dach des Kölner Hauptbahnhofs.

Foto: GW Archiv

Ein Schock für die Glasbranche: Plexiglas-Platten ersetzen das Drathglas am Dach des Kölner Hauptbahnhofs.

Glasbeschichtungen

Seite den 1980er-Jahren traten beschichtete Gläser ihren Siegeszug an; heute gibt es quasi kein Fassadenglas mehr, das nicht beschichtet ist. Sie tragen zur Verbesserung der Energieeffizienz, des Komforts und der Sicherheit von Gebäuden bei und finden Anwendung in einer Vielzahl von Branchen wie Architektur.

Glasbeschichtungen bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Licht- und Energiedurchlässigkeit in modernen Isoliergläsern zu beeinflussen und zu optimieren und haben so die Leistungsfähigkeit von Isoliergläsern deutlich gesteigert. Durch gezielte Beschichtungen können spezifischen Werte exakt auf die jeweilige Anwendung, wie Wärme- oder Sonnenschutz, abgestimmt werden.

Das Hochvakuum-Magnetron-Verfahren hat sich weltweit als führende Beschichtungstechnologie etabliert. Dabei werden die unterschiedlichen Beschichtungen auf die Oberfläche des Floatglases aufgebracht. Dieser Prozess erfolgt heute vielfach in Beschichtungsanlagen, die direkt an die Float-Produktion anschließen.

Mit der Wasserstrahl-Technik lassen sich auch ­komplexe Formen aus Glas schneiden.

Foto: GW Archiv

Mit der Wasserstrahl-Technik lassen sich auch ­komplexe Formen aus Glas schneiden.

Es gibt eine Vielzahl von Anwendungen für Glasbeschichtungen. Ein wichtiger Bereich ist die Wärmedämmung, bei der spezielle Beschichtungen dazu beitragen, den Wärmeverlust durch das Glas zu minimieren und die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern, ebenso werden heute vielfach Sonnenschutzbeschichtungen bei Fassadengläsern gewünscht. Dabei lassen sich Wärme- und Sonnenschutzbeschichtungen kombinieren.

Wasserabweisende Beschichtungen für Duschwände, die Wasser abperlen lassen und so die Reinigung erleichtern, sowie selbstreinigende Beschichtungen, die Schmutz und Staub abweisen und bei Fassadengläsern zum Einsatz kommen runden heute das Angebot an Glasbeschichtungen ab.

Die Einführung der EnEV und die neuen Energieausweise waren ein weiterer Schritt zur energetischen Verbesserung von Gebäuden.

Foto: GW Archiv

Die Einführung der EnEV und die neuen Energieausweise waren ein weiterer Schritt zur energetischen Verbesserung von Gebäuden.

So helfen die gesetzlichen Regelungen der Branche

Zu Beginn der 2000er-Jahre trat am 1. Februar 2002 die Energieeinsparverordnung (EnEV) in Kraft – welche die Wärmeschutzverordnung aus den 1970er-Jahren ersetzte. Wieder einmal waren die Auswirkungen auf die Branche signifikant.

Darüber hinaus markierte auch in anderer Hinsicht die EnEV eine Zeitenwende, wurde doch so ein einheitlicher EU-Standard eingeführt.

Mit den immer weiter steigenden Verschärfungen der Anforderungen in Sachen Wärmeschutz waren 2-fach-Isoliergläser oftmals nicht oder kaum noch in der Lage, die Wärmeschutzanforderungen zu erfüllen. Das war letztendlich mit der Startpunkt für die weit gefächerte Einführung von 3-fach-Isoliergläsern. Heute machen Isoliergläser im 3-fach-Aufbau bei uns in Deutschland weit über 50 Prozent aller verkauften ISO-Einheiten aus.

Der Glasbau nimmt Fahrt auf

In den 1980er-Jahren belegten spannende Anwendungen im Objektbau die Leistungsfähigkeit von Glas und langsam nahm der konstruktive Einsatz des Werkstoffs an Fahrt auf. So erfreuen sich gläserne Treppen zunehmend größerer Beliebtheit, aus den 90er-Jahren stammt mit dem Münchner
Flughafenhotel Kempinski eine anspruchsvolle Referenz von BGT Bischoff Glastechnik, Bretten.

Meilensteine im konstruktiven Glasbau

Nicht nur auf der glasstec in Düsseldorf ging die Inszenierung der Leistungsfähigkeit des Werkstoffs indes weiter. Immer wieder geht es beim Glas um den vermeintlichen Widerspruch der durch die Transparenz ausgedrückten Leichtigkeit, wie sie in filigranen architektonischen Formen durchscheint. Und der erstaunlichen Stabilität des Werkstoffs.

Stellvertretend zu erwähnen ist der Grand Canyon Skywalk, seit 2007 eine der spektakulärsten Aussichtsplattformen der Welt, die 21 Meter über die weltberühmte Schlucht ragt. Saint-Gobain Glass (Kinon Porz, Köln) fertigte die Original-Bodengläser; die Brüstung steuerte Döring Glas aus Berlin bei.

Viel mehr Engineering geht kaum: So hält das Glas eine Belastung von beinahe 750 kg/m2 aus und trotzt Erdbeben der Stärke 7 sowie Sturmgeschwindigkeiten bis 160 Stundenkilometer.

Glaskonstruktion am Limit: Diese hochfiligrane Glasbrücke war ein Highlight auf der glasstec Innovationschau glass technology live.

Foto: sedak / Messe Düsseldorf

Glaskonstruktion am Limit: Diese hochfiligrane Glasbrücke war ein Highlight auf der glasstec Innovationschau glass technology live.
Allen Kosten zum Trotz, die Elbphilharmonie der ­Architekten Herzog & de Meuro hat­ Hamburg zu ­einer Weltstadt gemacht. Und die doppelt gekrümmten Fassaden­gläser sind weltweit einmalig

Foto: Oliver Heissner www.oliverheissn

Allen Kosten zum Trotz, die Elbphilharmonie der ­Architekten Herzog & de Meuro hat­ Hamburg zu ­einer Weltstadt gemacht. Und die doppelt gekrümmten Fassaden­gläser sind weltweit einmalig

Mit ZiE und Pioniergeist

Nicht zuletzt diese Eyecatcher aus dem konstruktiven Glasbau spielten eine wichtige Rolle, was die Akzeptanz des Glaswerkstoffs in sicherheitsrelevanten Anwendungen angeht.

Tatsächlich ist für die Impulse in Planung und Gestaltung die Wirkung solcher öffentlichen Inszenierungen, wie auf der Innovationsschau Glass Technology Live in den Düsseldorfer Messehallen immer wieder zu sehen, nicht hoch genug einzuschätzen.

Gerade auch schubsteife Verbünde durch Folien, Laminationsverfahren und Klebeverbindungen sorgten dafür, wie Firmen wie sedak schon zu Beginn des Jahrzehnts zeigten, dass sich die Grenzen des Machbaren mit Glas immer weiter nach vorne verschoben.

Dies beeinflusste nach und nach auch die technischen Ausführungsbestimmungen, wenngleich Pionierleistungen häufig zunächst über Zulassungen im Einzelfall (ZiE) und begünstigt durch mutige Planungsbüros dann auch den Weg in die gebaute Wirklichkeit ­fanden.

Vakuumglas, ein Geist haucht durch die Branche

Die Weiterentwicklung von Isolierglas erfuhr mit Vakuumgläsern einen weiteren Sprung nach vorne. Die geringeren Scheibendicken machen Vakuumisoliergläser zu einer leichteren Alternative gegenüber 3-fach-Gläsern. Obwohl es seit einer Reihe von Jahren in der Diskussion ist, erfährt Vakuum-Isolierglas seit ein, zwei Jahren immer mehr Akzeptanz am Markt. Fortschritte in der Technologie und insbesondere bei der Herstellung haben dazu geführt, dass es nun kommerziell verfügbar ist. Die Vakuum-Scheiben bestehen im Standardaufbau aus zwei Gläsern, welche durch einen Scheibenzwischenraum von nur 0,1 mm getrennt sind.

Ein Schritt nach vorne: Hier ein nur 6 mm dickes Fineo Vakuum-Isolierglas

Foto: Fineo Glass

Ein Schritt nach vorne: Hier ein nur 6 mm dickes Fineo Vakuum-Isolierglas

In diesem SZR herrscht ein Vakuum, statt einer Füllung mit Edelgas. Zudem lassen sich noch leistungsfähigere energetische Scheibenaufbauten umsetzen, bei denen ein Vakuumglas zusammen mit einem Monoglas zu einer Isolierglas-Einheit verbunden werden. Vakuumgläser gibt es z. B. von Anbieter Fineo ab 6 mm Scheibendicke (aus 2 × 3 mm ESG). Damit eigenen sich solche Gläser sehr gut für Sanierungen von denkmalgeschützten Gebäuden, wo bestehende Fenster ertüchtigt werden sollen, und zeitgemäße, leistungsfähige Isoliergläser gewünscht sind.

Im Neubau können Vakuumgläser helfen, die Fassade schlank zu halten, was sich insbesondere bei Hochhäusern auszahlt, die dadurch mehr verfügbare Nutzfläche ­erhalten.

Fineo ist bei uns nicht das einzige Vakuumglas, das erste markttaugliche Vakuumglas war Pilkington Spacia, das heute über den Flachglas MarkenKreis vertrieben wird.

Und wenn die Entwicklung so weiter geht, insbesondere auch hin zu größeren Formaten, ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass die Vakuum-Isoliergläser sich von ihrem Nischen-Dasein verabschieden.

In diesem Gebäude sind die 4 größten Isoliergläser der Welt im Format 19,2 × 3,04 m verbaut, gefertigt wurden sie von sedak.

Foto: sedak

In diesem Gebäude sind die 4 größten Isoliergläser der Welt im Format 19,2 × 3,04 m verbaut, gefertigt wurden sie von sedak.

Foto: Matthias Rehberger / GW

Mit ISO ans Limit, so gehen die Entwicklungen weiter

Das 2010 auf der glasstec vorgestellte 3-fach-Isolierglas mit 18 × 3,3 m bedeutete nicht nur einen neuen Weltrekord. Es krönte auch das jahrzehntelange Schaffen des Branchenpioniers Dietmar Henze und wurde auf der glasstec in Düsseldorf vorgestellt.

Tatsächlich war es in den 2000er-Jahren keinesfalls einfach, Basisglas zu bekommen, welches das Format von 6 mal 3,21 m überschritt. Firmenchef Dietmar Henze hatte buchstäblich rund um den Globus nach einem Floatglasproduzenten gesucht, um passende Floatgläser zu finden.

Erst gut 10 Jahre später wurde diese Bestmarke von sedak getoppt: Isoliergläser im Format 19,2 × 3,04 m fertigte sedak für das neue „Wagner Design Lab“ (s. o.) des Sitzmöbelherstellers Wagner in Langenneuf. Die Längsseiten des Showrooms bestehen aus jeweils zwei 3-fach-Isoliergläsern.

Weitere wichtige Entwicklungen der letzten Jahre waren die Markteinführung schaltbarer Gläser sowie die Einführung der Laserbearbeitung, was zu neuen Glasanwendungen geführt hat.

Die zunehmende Verbreitung von schaltbaren Sonnenschutzgläsern mit variablem g-Wert leitete zudem die Digitalisierung von Fassaden- und Interieurgläsern ein. Diese Technologie ermöglicht es, den Grad der Lichtdurchlässigkeit und den Wärmeeintrag in Gebäude flexibel zu kontrollieren. Basierend auf speziellen Beschichtungen oder einem dünnen Film zwischen den Scheiben, lässt sich auf Knopfdruck oder per Gebäudesteuerung sowie via Smartphone die Transparenz solcher Gläser verändern und anpassen.

Gleichzeitig funktionieren solche Systeme witterungsunabhängig, denn sie sind sicher in der Glaseinheit positioniert. Wind, Regen und Sturm haben somit keinen Einfluss auf die Sonnenschutzfunktion.

Neben dem Einsatz in der Gebäudehülle werden schaltbare Gläser zunehmen auch im Interieur eingebaut, z. B. bei Trennwänden und Glastüren, wo sie zwischen transparent und opak (undurchsichtig) geschaltet werden können, etwa um Privatheit für Büros oder Besprechungsräume zu schaffen.

Design und Funktion, der Laser in der Glasbearbeitung

Ebenfalls in den letzten Jahren hat sich die Laserbearbeitung/-gravur zu einer beliebten und vielseitigen Technik entwickelt, um Flachglas zu bearbeiten. Mit Hilfe eines Laserstrahls lassen sich präzise Muster, Designs und Texte auf oder in Gläser eingravieren. Diese Methode bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten Designgläser zu fertigen und eröffnet beeindruckende Gestaltungsoptionen für verschiedene Glasarten.

Ein wesentlicher Vorteil der Lasergravur ist ihre Präzision. Der Laserstrahl kann feinste Details und komplexe Muster auf oder auch in Glas gravieren. Zudem können auch Spiegel und Glasplatten mit Beschichtungen graviert werden. Damit kommen wir zu technischen Optimierungen von Glas mittels Laser. Dazu zählen die Entschichtung des Glasrands oder das Einlasern von Glasmarkierungen zur Kennzeichnung des Einzelprodukts. Weiter kann der Laser beschichtete Fassadengläser so „entschichten“, dass ein besserer Mobilfunkempfang im Raum möglich ist, um ein Beispiel zu ­nennen.

Auf dem Weg zur CO2-neutralen Produktion: Im Jahr 2022 hat Saint-Gobain Glass eine Woche lang Floatglas carbon-frei gefertigt.

Foto: Saint-Gobain

Auf dem Weg zur CO2-neutralen Produktion: Im Jahr 2022 hat Saint-Gobain Glass eine Woche lang Floatglas carbon-frei gefertigt.

Recycling und optimierte Glasproduktion

Nicht nur Carbon-reduzierte Gläser beherrschen heute die Diskussion, auch die Carbon-neutrale Floatglasproduktion steht im Fokus der Glasbranche. Einhergehend damit werden aktuell Wege gesucht, den Recyclinganteil von Glasscherben bei der Basisglasherstellung zu erhöhen.

In 2022 hat der Glashersteller Saint-Gobain Glass erstmals weltweit in einem seiner Float-Werke über eine Woche hinweg „kohlenstoff-frei“ Glas gefertigt. Hier erfahren Sie, wie das umgesetzt wurde, inklusive Video. Diese technologische Leistung wurde durch die Verwendung von 100 Prozent recyceltem Glas (Scherben) und 100 Prozent grüner Energie, aus Biogas und dekarbonisiertem Strom, erreicht. Weiter arbeiten die Floathersteller an Verfahren zur Glasherstellung mit Unterstützung von Wasserstoff statt Erdgas sowie mit Hybridwannen, die auch Strom einsetzen.

Aufgrund steigender Rohstoff- und Energiepreise sowie mit Blick auf die Carbon-Neutralität wird das Recycling von alten Flachgläsern immer wichtiger, denn nur knapp 10 Prozent finden ihren Weg zum Recycler. Die Steigerung dieser Rate ist aktuell eine wichtige Herausforderung für die Glasbranche, um hier den Materialkreislauf zu schließen.

Tropfen auf den heißen Stein: Bis zu 20 000 t rück­gebautes Fassadenglas pro Jahr will Saint-Gobain Glass mit dem Re­cycling Partner Ragn-Sells in die Produktion von CO2-reduziertem Glas einfließen lassen.

Foto: Saint-Gobain Glass

Tropfen auf den heißen Stein: Bis zu 20 000 t rück­gebautes Fassadenglas pro Jahr will Saint-Gobain Glass mit dem Re­cycling Partner Ragn-Sells in die Produktion von CO2-reduziertem Glas einfließen lassen.

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