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ift-INSTITUTSLEITER PROF. JÖRN LASS 

Die Digitalisierung in der Fensterbranche (IV)

Die eigentliche Montage von Fenstern, Türen und Bauelementen lässt sich nur schwer automatisieren. Zum Einsatz kommen zwar unterschiedliche Hebegeräte (vom Autokran bis zum mobilen Gerät), die aber nicht überall einsetzbar sind. Exoskelette werden in der Industrie und Logistikbranche schon erfolgreich eingesetzt und sind nun auch für die Fensterbranche in der Probephase. Erhebliche Effizienzsteigerungen sind durch EDV-Programme bei der Montage­planung, der Logistik, beim Schnittstellenmanagement und bei der Dokumentation möglich.

Montageplanung und Logistik

Jede gute Montage beginnt mit einer professionellen Planung, bei der die individuellen Gegebenheiten von Auftrag, Fenster und Baukörperanschluss berücksichtigt werden. Der kostenlose Online-Montageplaner des ift unterstützt bei der fachgerechten Planung des Baukörperanschlusses hinsichtlich Bauphysik, Befestigung und Abdichtung. Nach der Auswahl von Wandaufbau/-material, Fenstermaterial/-profil, Abdichtungs-/Befestigungssystem sowie der Eingabe der Abmessungen werden in Echtzeit eine bauphysikalische Berechnung des Bauköperanschlusses (WinIso) sowie die statische Berechnung durchgeführt. Das Programm steht in einer produktneutralen ift-Version und als firmen­spezifische Version zur Verfügung (Würth, BTI Befestigungstechnik, Deflex Dichtsysteme, ISO-Chemie, Nüßing, SFS intec).

Auswählbare Produkte verfügen über die notwendigen Prüfungen zur dauerhaften Gebrauchstauglichkeit. Bei den Firmenversionen kann gleich ein passendes Montagekit bestellt werden, inkl. der Verarbeitungs­hinweise.

Nützliche Aufmaßtools

Ein genaues Aufmaß ist Voraussetzung für eine fachgerechte Leistung. Neben Breite und Höhe sind Unebenheiten, die Winkeligkeit, die Beschaffenheit des Baukörperanschlusses u. v.m. zu prüfen. Hier helfen digitale Checklisten aus dem Montageleitfaden oder dem Montageplaner.

Bei Bestandsbauten sind häufig keine aktuellen Pläne vorhanden, aus denen sich Maße ermitteln lassen. Hier helfen digitale Aufmaßtools, die anhand von Fotos die Bestimmung der Fenstergröße ermöglichen. Die Genauigkeit liegt bei ca. +/-10 mm und ist damit für die Angebotsphase ausreichend. Je größer das Referenzmaß ist (bspw. Gebäudebreite oder -höhe), desto besser ist die Genauigkeit. Eine fotogrammetrische Korrektur sorgt für die Kompensation der perspektivischen Verzerrung, beispielsweise von unten schräg fotografierte Fassaden oder schwer zugängliche Gebäudebereiche.

Viele Programme haben eine Exportfunktion, mit der sich die Maße in ein Kalkulationsprogramm oder die Fensterbausoftware integrieren lassen. Manche Programme können einen CAD-Plan des Gebäudes/Raumes erstellen oder die Bauleistung per Aufmaß normgerecht nach VOB/C abrechnen. Als Einstieg sind solche Programme interessant, aber eine integrierte Lösung bringt mehr Vorteile.

An den Rückbau denken

Der Bau- und Immobilienbereich verbraucht große Mengen an Energie und Rohstoffen für die Herstellung (graue Energie) und Nutzung von Gebäuden. Bei der Novellierung der Bauproduktenverordnung (BauPVO) wurde folgerichtig als siebte „wesentliche Anforderung (essential requirement)“ die „nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ aufgenommen. „[…] Das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abriss recycelt werden können“ […] Für das Bauwerk müssen umweltfreundliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe
verwendet werden.“

Die Verordnung sieht vor, eine Bewertung durch eine EPD (Umweltproduktdeklaration) vorzunehmen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Zertifizierungssystemen für nachhaltiges Bauen (LEED, BREEAM sowie BNB, DGNB) immer weiter zu. Deshalb sind Hersteller von Bauelementen gut beraten, die notwendigen Daten und Produktinformationen zu ermitteln und an den Gebäudenutzer zu übergeben, der diese Daten für die Nutzungszeit, Umbauten oder den Rückbau braucht. Auch hier ist eine effiziente Datenaufbereitung der notwendigen Informationen sinnvoll.

Mit modernen digitalen Aufmaß-Tools können Fotos von Fassaden optimal für die Angebotsphase genutzt werden. Eine fotogrammetrische Korrektur sorgt für die Kompensation der perspektivischen Verzerrung.

Foto: LLH Software GmbH

Mit modernen digitalen Aufmaß-Tools können Fotos von Fassaden optimal für die Angebotsphase genutzt werden. Eine fotogrammetrische Korrektur sorgt für die Kompensation der perspektivischen Verzerrung.

Produktpass Nachhaltigkeit

Damit Planer, Bauherren und Investoren nachhaltigkeitsrelevante Kriterien einfacher bewerten können, hat das ift den Nachhaltigkeits-Produktpass (NHPP) entwickelt. Dieser enthält die notwendigen Kennwerte für Zertifizierungssysteme wie DGNB, BNB, LEED oder BREEAM. Dazu gehören ein Ökobilanzbericht, eine Umweltproduktdeklaration (EPD), gültige REACH-Herstellererklärungen, gesundheitsrelevante Nachweise (z. B. VOC-Nachweise), Nachweise zur Nachhaltigkeit (z. B. PEFC, FSC oder Cradle-to-cradle), Deklaration des Recyclinganteils, Managementzertifizierung oder CSR-Berichte (Corporate Social Responsibility). Als akkreditierter Programmhalter für EPDs kann das ift diese notwendigen Nachweise erstellen. Der Nachhaltigkeits-Produktpass des ift unterstützt „Stakeholder“ wie Bauherren, Investoren, Gebäudenutzer, Architekten, Planer und Gebäudezertifizierer, Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter mit einer übersichtlichen Darstellung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Kennwerte.

Automatisierte EPD-Erstellung

Die Erstellung einer Umweltproduktdeklaration (EPD) gleicht einem Mosaik, für das viele Daten aus unterschiedlichen Bereichen ermittelt werden müssen, beispielsweise die verwendeten Materialien (Rahmen, Dichtungen, Beschläge, Glas etc.), Fertigung, Transport und Montage. Damit sind dann Aussagen zu den Umweltwirkungen eines Produktes möglich, beispielsweise zu Energie-/Wasserverbrauch oder Treibhausgas (CO2). Um Herstellern von Fenstern, Fassaden, Türen, Toren etc. bei der Erstellung produktspezifischer EPDs zu unterstützen, hat das ift ein EPD-Tool entwickelt. Auf Basis produkt- bzw. projektspezifischer Daten können per Mausklick individuelle EPDs für Hersteller, Produkte und Projekte erstellt werden.

Digitale Wartung und Recycling

Fenster, Türen und Toren sind bewegliche Teile, deren Funktion und Lebensdauer von einer regelmäßigen Wartung beeinflusst werden. Die Belastung ist abhängig von der Anzahl der Öffnungszyklen und den Kräften, die bei der Benutzung auftreten. Daher ist es intelligenter, die Wartungszyklen nicht nach der Zeitspanne, sondern nach der Nutzungszeit festzulegen. Dies wird möglich, wenn im Beschlag oder dem Fenster ein Sensor sitzt, der nach einer definierten Zyklenanzahl selbstständig eine Info an den Betreiber einer Immobilie sendet oder besser gleich an einen Servicebetrieb.

Für eine effiziente Wartung ist es sinnvoll, wenn das Wartungspersonal bereits online alle Informationen zum Fenster zur Verfügung hat, z. B. zum Fenstertyp/-profil, zu den Verschraubungen, Beschlägen und Antrieben. So können alle notwendigen Ersatzteile mitgenommen und die Wartung oder Reparatur schnell ausgeführt werden.

Die Bauproduktenverordnung, das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die europ. Abfallrahmenrichtlinie fordern alle Recycling vor Abfall. Einzelne Hersteller von Fensterprofilen und Fenstern speichern daher schon Daten zum Produkt sowie Informationen zur Nutzung, Pflege und Wartung auf Chips (NFC, RFID), die direkt im Produkt eingebaut sind. Diese digitalen Informationen machen die Wartung und das Facilitymanagement wesentlich einfacher und effizienter. Wichtig ist, dass die Auslesbarkeit einfach und dauerhaft erfolgt.

Informationen zur Bewertung nachhaltiger Kriterien unterschiedlicher Zertifizierungs­systeme

Foto: ift Rosenheim

Informationen zur Bewertung nachhaltiger Kriterien unterschiedlicher Zertifizierungs­systeme

Die Autoren

Prof. Jörn P. Lass ist ift-Institutsleiter
Als Glaser und Fensterbauer und Holzbauingenieur war er in leitenden Funktionen bei einem Systemgeber, Fenster- und Fassadenherstellern sowie im ift in den Bereichen Forschung, Prüfung, Güteüberwachung, Normung und Zertifizierung tätig. Die letzten Jahre ­leitete er als Professor an der TH Rosenheim die Studienrichtung „Gebäude­hülle“ und ist seit 2020 ift-Institutsleiter.

Foto: ift Rosenheim

Jürgen Benitz-Wildenburg
leitet im ift den ­Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbau­ingenieur und Marketingexperte ist er seit 34 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig.

Foto: ift Rosenheim