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Wie geht die Beschlagsbranche mit Home-Office und der Arbeitsorganisation um?

Der Fachverband Schloss- und Beschlagindustrie (FVSB) hat seine Mitglieder Fragen zur Arbeitsorganisation gestellt und dabei interessante Informationen erhalten.

Es zeigte sich, dass viele Firmen noch keine klare Regelung für sich gefunden haben und noch nach einer Lösung suchen. Andere haben dagegen schon einen eingespielten Ablauf. Eines haben jedoch nahezu alle Unternehmen festgestellt: Was vor der Pandemie selten möglich war und teilweise sogar abgelehnt wurde, ist heute normal, sogar erforderlich. „Vor Corona war das Thema mobiles Arbeiten nicht gern gesehen. Es herrschte die Befürchtung, dass die Mitarbeiter daheim nicht so effektiv arbeiten würden wie im Büro. Durch Corona waren wir gezwungen, umzudenken und die Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken beziehungsweise mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Und so wurden wir eines Besseren belehrt: Das Unternehmen läuft, auch wenn die Mitarbeiter von zu Hause arbeiten“, berichtet Kerstin Griebek-Gänßle, Personalleiterin bei esco Metallbausysteme in Ditzingen offen und beschreibt damit einen Prozess, der sich bei sehr vielen Firmen abgespielt hat.

Positive Auswirkungen: geringere Krankheitsquote

Mit dieser Entwicklung gingen oft noch weitere Erkenntnisse einher: „Zum einen konnte man die Krankenquote in der Verwaltung reduzieren und auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigern. Bei der Personalrekrutierung haben wir ebenfalls gemerkt, dass es für viele Arbeitnehmer ein Must-have geworden ist“, sagt Nadine Nowacki, Personalleiterin bei Schulte-Schlagbaum (SAG) in Velbert. Und aus diesen Einsichten heraus, ist bei den Antwortenden unter den Befragten das mobile Arbeiten zur Normalität geworden.

Doch es gibt weitere Gründe für den Wandel: „In Zukunft werden wir gerade in der IT-Branche noch flexibler werden müssen, da dort sehr oft zu 100 Prozent Remote gewünscht wird und aufgrund der Wohnorte auch notwendig sein wird“, attestiert Nowacki und spricht damit den Fachkräftemangel an, der unter anderem in der IT-Branche stark ausgeprägt ist. Die Mitarbeiter, die es auf dem Arbeitsmarkt in diesem Bereich noch gibt, können aufgrund ihrer Rarität die Konditionen bestimmen, zu denen sie arbeiten. Es ist das alte Spiel der Preisbildung – es ist alles eine Frage von Angebot und Nachfrage.

So wird das Arbeiten im Office wieder attraktiver

Hinzu kommen weitere Herausforderungen aufgrund dieser Entwicklung. Was kann man tun, damit nicht alle nur noch im Homeoffice arbeiten und Firmenzentralen verwaisen? Je nach Unternehmensgröße könnte es erforderlich sein, die Zahl der Homeoffice-Tage zu begrenzen oder feste Bürotage zu verabreden. Aber die Umfrage zeigt, dass kaum jemand vertragliche Vereinbarungen mit ihren Mitarbeitern getroffen oder Vorschriften eingeführt haben. „In der Regel gewähren wir zwei bis drei Tage pro Woche. Diese Option bieten wir unseren Mitarbeitenden auf freiwilliger Basis an und haben auf eine diesbezügliche vertragliche Regelung verzichtet. Feste Bürotage, an denen generell alle Betriebsangehörigen oder sämtliche Mitglieder einer Abteilung vor Ort sein müssen, gibt es nicht. Wir organisieren uns vielmehr äußerst eigenständig und flexibel“, beschreibt Oliver Küppers, Head of Sales/Site Manager der SFS Group Germany, die Lage im Unternehmen. Lediglich feste Geschäftszeiten seien einzuhalten, um den Kunden einen direkten Ansprechpartner gewährleisten zu können. Dass diese Vorgehensweise gut funktionieren kann, weiß das Unternehmen nicht erst seit der Pandemie. Das Produktmanagement bei SFS ist bereits mehr als zehn Jahren nicht an den Standort gebunden.

Die erfolgreiche Umsetzung des mobilen Arbeitens erfordert in vielen Unternehmen eine effektive Abstimmung und klare Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. „Die Gewährung von mobilem Arbeiten ist nicht auf eine feste Anzahl von Tagen festgelegt. Vielmehr variiert diese Zahl abhängig vom spezifischen Tätigkeitsbereich und der Art der Aufgaben. Die Entscheidung darüber, wie oft und in welchem Umfang mobiles Arbeiten gewährt wird, erfolgt in enger Abstimmung mit der jeweiligen direkten Führungskraft. Diese individuelle Herangehensweise ermöglicht es, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit den Anforderungen des Unternehmens in Einklang zu bringen“, sagt Hans-Georg Kämpfer, Leiter Personalmanagement der Siegenia Gruppe. Eine solche Arbeitskultur erfordert von Firmenlenkern vor allem eines: Vertrauen in seine Mitarbeiter.

Vertrauen und Verantwortung

Die Führungskräfte tragen in dieser Konstellation die Verantwortung dafür, dass ihr Team nicht zerfällt, obwohl es sich unter Umständen nicht mehr so oft in Präsenz trifft wie in Vor-Pandemie-Zeiten. Und auch der Kontakt zu anderen Abteilungen ist aufgrund der geringer gewordenen Vor-Ort-Arbeit ebenso wenig durch den Gang über den Flur aufrecht zu erhalten wie der informative Plausch in der Teeküche. Dass aber eben jener Austausch wichtig ist, darüber berichtete jüngst die „Süddeutsche Zeitung“ im Artikel „Der Wert des Ablästerns“ unter Berufung auf verschiedene fundierte Studien. Ohne persönliche Begegnung würden demnach die beruflichen Netzwerke inner-halb des Unternehmens statischer und isolierter, Abteilungsgrenzen undurchlässiger. Zudem würden Menschen, die mit anderen im Büro säßen, sich schneller neue Fähigkeiten aneignen als allein im Homeoffice, heißt es im Bericht.

„Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten ist ein gutes Instrument, wenn Mitarbeiter und Vorgesetzte damit umgehen können. Es stellt aber auch eine Herausforderung für die Führungskräfte dar, ihre Teams zusammenzuhalten“, weiß Frank Jedamski, Geschäftsführer bei der Hautau GmbH

Matthias Rehberger / GLASWELT

„Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten ist ein gutes Instrument, wenn Mitarbeiter und Vorgesetzte damit umgehen können. Es stellt aber auch eine Herausforderung für die Führungskräfte dar, ihre Teams zusammenzuhalten“, weiß Frank Jedamski, Geschäftsführer bei der Hautau GmbH

Verlieren also derzeit die Mitarbeiter der Schloss- und Beschlaghersteller ihre Kreativität? Keinesfalls, denn gerade aufgrund dieser neuen Herausforderung finden die Unternehmen neue Lösungen, um den Zusammenhalt in der Belegschaft zu fördern. Dass dies eine besondere Aufgabe ist, wird nicht bestritten: „Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten ist ein gutes Instrument, wenn Mitarbeiter und Vorgesetzte damit umgehen können. Es stellt aber auch eine Herausforderung für die Führungskräfte dar, ihre Teams zusammenzuhalten“, weiß Frank Jedamski, Geschäftsführer bei der Hautau GmbH im niedersächsischen Helpsen. So haben beispielsweise bei esco die „entsprechenden Führungskräfte auch ein Auge darauf, dass regelmäßige Teammeetings, in Präsenz aller Kollegen, stattfinden“, sagt Griebek-Gänßle. Bei Siegenia gibt es neben den individuellen Regelungen in den jeweiligen Abteilungen Maßnahmen, um das Teamgefühl zu stärken. „Dazu gehören zum Beispiel nicht nur Freizeitevents außerhalb der Arbeitszeit, sondern auch gezielte Aktivitäten innerhalb der Abteilungen“, berichtet Kämpfer.

Dass es auch andere Fälle gibt, zeigt das Unternehmen Bartels Systembeschläge GmbH, kurz Basys, in Kalletal. Dort kommt bei circa 100 Mitarbeitern aufgrund des Tätigkeitsbereiches nur für 14 Angestellte Homeoffice überhaupt in Frage. Lediglich zwei nutzen diese Möglichkeit alternierend. „Regelungen bestehen dafür nicht. Grundsätzlich kommen die Mitarbeiter, die es nutzen könnten, gern in den Betrieb, um den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen zu halten und sich auszutauschen“, berichtet Jürgen Bartels, Geschäftsführer des Familienunternehmens.

Kein Homeoffice für die Produktion

Dieser Fall zeigt, dass es sich auch anders fügen kann. Er verdeutlicht aber auch, dass es einen nicht unerheblichen Teil in der Belegschaft produzierender Firmen gibt, die aufgrund ihrer Tätigkeit gar nicht von zuhause ihre Arbeit leisten können. In der Produktion oder der Logistik ist die Anwesenheit der Angestellten zwingend erforderlich. Doch von Ungemach keine Spur. „Die Belegschaft beschwert sich darüber nicht“, sagt Vera Beier, Personalreferentin und Ausbildungsleiterin bei Wilka in Velbert. Eine weitere Stimme aus der Branche, die lieber anonym bleiben möchte, bestätigt: „Für die Kollegenschaft in Produktionsbereichen und Logistik besteht keine Möglichkeit für mobiles Arbeiten und es gibt dafür auch keine Kompensation. Großen Unmut habe ich daraus noch nicht wahrgenommen. Aber es ist natürlich ungerecht.“

Im Gegenzug müssen jene, die mobil arbeiten können, in einigen Unternehmen ihren festen Arbeitsplatz aufgeben. Zwar behalten derzeit noch viele Hersteller die bisherige Ordnung bei, aber es gibt auch Überlegungen, den klassischen Schreibtisch zu flexibilisieren. So wird es im neuen Werk von Wilka nicht mehr einen Arbeitsplatz pro Mitarbeiter geben, sondern mit einer festen Quote für mobiles Arbeiten geplant. „In manchen Büros ist es jetzt schon so, dass sich zum Beispiel die Auszubildenden an den Arbeitsplatz der Kollegen setzen müssen, die mobil arbeiten“, berichtet Beier. Siegenia hat drei Pilotprojekte ins Leben gerufen, um neue Arbeitsplatzkonzepte zu testen. Diese konzentrieren sich auf ein flexibles Share-Desk-Konzept, das in ausgewählten Bereichen eingeführt wurde. Dort sind sämtliche Arbeitsplätze gleichwertig ausgestattet. Zudem bietet ein Projektraum die Möglichkeit für kollaboratives Arbeiten und Teammeetings, Einzelbüros stehen für vertrauliche Gespräche und konzentriertes Arbeiten zur Verfügung.

Auch wenn die Corona-Pandemie eine durchaus anstrengende Zeit war, so hat sie eins gezeigt: Herausforderungen zu meistern, kann (Arbeits-)Welten verändern.

Unterschied zwischen Homeoffice und mobilem Arbeiten

Obwohl Homeoffice nicht gesetzlich definiert ist, hat sich der Begriff für das Arbeiten am heimischen Schreibtisch eingebürgert. Durch den Gesetzgeber geregelt ist lediglich der Begriff Telearbeit: Diese erfolgt an einem fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz außerhalb des Betriebes, zu festen Arbeitszeiten in der Regel zuhause beim Arbeitnehmenden.

Detailliertere Regelungen zur Durchführung des Homeoffice können sich auch aus dem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. Erfolgt die Arbeit teilweise im Betrieb und teilweise von zu Hause, ist von alternierender Telearbeit die Rede. In diesem Fall erbringt der oder die Beschäftigte mobile Arbeit nicht an einem festen Ort, die Arbeit wird stattdessen zum Beispiel im Zug, beim Kunden oder an einem anderen, nicht festgelegten Ort erbracht, aber auch im Betrieb.

Silke Koppers
ist Referentin für Kommunikation und Projektmanagement im Fachverband Schloss und Beschlag. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Chefredakteurin eines Fachtitels der Schloss- und Beschlagsbranche verfügt sie über gute Branchenkenntnisse und umfassendes Hintergrundwissen.

FVSB