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Im Gespräch mit Prozess-Berater Richard Bruckner

„Der Roboter schläft nie“

Produktionsberater Richard Bruckner

Foto: Denver

Produktionsberater Richard Bruckner

Glaswelt – Herr Bruckner, warum macht es überhaupt für Glasverarbeiter Sinn, auf Robotertechnik zu setzen?

Richard Bruckner – Der Einsatz von Robotern ist aus vielen anderen Industrien nicht mehr wegzudenken, ein Trend oder besser gesagt eine Notwendigkeit, welche sich auch immer mehr in der Glasbranche etabliert. Der Fachkräftemangel beschleunigt die Implementierung von Robotern und anderen automatisierten Handlinggeräten speziell in Bereichen, in denen wiederkehrende Tätigkeiten den Arbeitsalltag bestimmen, beispielsweise beim Be- und Entladen von Gläsern auf Bearbeitungslinien. Zudem werden Roboter gerade auch in Produktionsbereichen eingesetzt, in denen möglichst unterbrechungsfrei produziert werden muss.

GLASWELT – Mit Blick auf das Ganze, weshalb ist für Sie die Optimierung der Produktion im Glassegment gerade heute so wichtig?

Bruckner – Der Ressourcenmangel, egal ob Fachkräfte, Rohmaterialien, Energie und in weiterer Folge die Ressourcenschonung sind präsenter als je zu vor. Speziell in der Glasbranche treffen viele dieser Ressourcenthemen aufeinander und verschlimmern die Situation. Umso wichtiger ist es, die zur Verfügung stehenden Mittel optimal zu nutzen. Das geht in Richtung automatisierte Auftragseingabe, Arbeitsvorbereitung, Produktionsplanung bis hin zum Optimieren des Durchlaufprozesses in der Fertigung. Die Steigerung der Produktionseffizienz durch Optimierungen zu erzielen ist einfacher, kostengünstiger und lässt sich kurzfristig umsetzen.

GLASWELT – Und wo sehen Sie dabei den Roboter?

Bruckner – Der Roboter an sich ist nicht das Allheilmittel um alle unsere Probleme in der Industrie zu lösen, es ist entscheidend genau hinzusehen, wo ein Roboter wirklich Sinn macht und wo eventuell mit einer einfacheren Lösung auch schon Abhilfe verschafft werden kann. Der Roboter sollte an Stellen eingesetzt werden, an denen für den Mitarbeiter Verletzungsgefahr besteht oder die Tätigkeit sehr eintönig bzw. körperlich belastend ist.

Glaswelt – An welchen Stationen macht es Sinn, Robotik einzusetzen?

Bruckner – Der Vorteil der Roboter ist, dass diese durch einen überschaubaren Programmieraufwand sehr flexibel in den unterschiedlichsten Bereichen der Produktion eingesetzt werden können. Somit ist nicht in Stein gemeißelt, dass ein Roboter, welcher heute die Beladung einer Isolierglas­linie durchführt, nicht in Zukunft Scheiben von einem Brechtisch abnehmen kann. Bei automatisierten Handlinggeräten, wie z. B. kleinere Portalbeschickungen vor einer Bearbeitungslinie, ist die Flexibilität doch schon um einiges eingeschränkter, im Gegenzug sind aber auch die Investitionskosten deutlich geringer.

Glaswelt – Können Sie das bitte anhand von Beispielen näher ­erläutern.

Bruckner – Bei einem unserer Kunden in Italien wird eine horizontale Schleiflinie mittels einer kostengünstigen Portalbeschickung beladen. Die Anforderungen an das Handlingsystem in Bezug auf die Komplexität der auszuführenden Bewegung waren für eine Portalbeschickung prädestiniert, ein Roboter wäre in diesem Fall „unterfordert“ und in Bezug auf Investitionskosten nicht sinnvoll gewesen.

Glaswelt – Und ein weiteres Beispiel

Bruckner – An einer anderen Stelle im Betrieb waren die Anforderungen jedoch um einiges komplexer und die Wahl fiel auf einen 6-Achs-Roboter. Dieser nimmt die fertig geschnittenen und aufgebrochenen Gläser am horizontalen Auslauf der Brechlinie auf und stapelt diese dann auf unterschiedlichen A-Böcken sortiert ab.

GLASWELT – Wie beeinflusst die Betriebsgröße die Nutzung von Robotik?

Bruckner – Natürlich sieht man den Einsatz von Robotern in großen Unternehmen häufiger als in kleinen Manufakturen. Dies hängt einerseits mit den daran geknüpften Investitionskosten zusammen, aber andererseits auch mit der Tatsache, dass jede Automatisierung von Arbeitsschritten die bis dato gelebte Flexibilität speziell in manch kleineren Betrieb einschränkt. Auf Zuruf wird der Roboter seine Arbeitsweise nicht ändern, der Mitarbeiter aber vielleicht doch die Vorreihung dringender Produkte durchführen. Die Integration eines Roboters in eine Produktion ist daher immer gesamtheitlich zum Automatisierungsgrad des Betriebes zu betrachten.

Glaswelt – Welche Hilfestellung bieten Sie an, wenn es um die Entscheidung pro oder contra Roboter geht?

Bruckner – Wir unterstützen Verarbeiter in erster Linie bei der Identifizierung von Optimierungspotenzialen (www.bruckner-engineering.com). Die Erstellung von Materialflussplanungen und technischen Lastenheften dienen als Entscheidungsgrundlage, welche Technologie im Endeffekt die richtige und effizienteste ist. Wir unterstützen und beraten unsere Kunden auch bei der Auswahl des passenden Automatisierungspartner und übernehmen die Projektkoordination und Schnittstellenplanung bis hin zur finalen Abnahme.

GLASWELT – Der Robotereinsatz ändert die innerbetrieblichen Abläufe, wie tragen die Mitarbeiter solche Umstellungen mit?

Bruckner – Eines ist klar, ohne den Einsatz und das Engagement der Mitarbeiter läuft selbst eine hochautomatisierte Fabrik nicht. Der Einsatz von Robotern wird im Einzelfall auch Mitarbeiter ersetzen, Fakt ist aber auch, dass Roboter vermehrt dort zum Einsatz kommen, wo es für Unternehmen immer schwieriger wird überhaupt Mitarbeiter zu finden.

GLASWELT – Was braucht es noch, damit der Roboter im Produktionsfluss rund läuft?

Bruckner – Die Effizienz eines Roboters und der Gesamtnutzen für ein Unternehmen wird unter anderem durch die Qualität der Daten bestimmt, die einem Roboter zur Verfügung gestellt werden können. Deshalb muss die Digitalisierung der Abläufe im Unternehmen (vorab) in Angriff genommen werden, damit die Anschaffung eines Roboters den optimalen Nutzen bringt.

Glaswelt – Ihr Fazit zum Einsatz von Robotern in der Produktion?

Bruckner – Die Technologie speziell auf dem Sektor der Robotik entwickelt sich sehr schnell weiter. Wir werden uns an ein Zusammenspiel zwischen Mensch und Roboter auch in der Glasverarbeitung gewöhnen müssen, diese Technologie wird Produktionsprozesse effizienter gestalten und Mitarbeiter entlasten. Die Entscheidung, ob ein Roboter wirklich die richtige Lösung für das Problem ist, trägt – Gott sei Dank – weiterhin immer noch der Mensch.

Das Interview führte Matthias Rehberger.

Denver: Gemischte Bearbeitungsprozesse in automatischen Fertigungszellen mit CNC-Kantenbearbeitung – WaterJet – Roboter

Foto: Denver

Denver: Gemischte Bearbeitungsprozesse in automatischen Fertigungszellen mit CNC-Kantenbearbeitung – WaterJet – Roboter
Die Beladung über Roboter mit mehreren Stellplätzen für die Glasböcke ist einfach und rasch umsetzbar.

Foto: Systron

Die Beladung über Roboter mit mehreren Stellplätzen für die Glasböcke ist einfach und rasch umsetzbar.
Sacilese Industriale Vetraria Srl: Diese Roboterentladung ist mit der Zuschnittlinie gekoppelt. Bei einem solchen hochautomatisierten Einsatz von Robotern ist eine Umhausung der Fertigungsstation unumgänglich.

Foto: Sacilese Industriale Vetraria Srl:

Sacilese Industriale Vetraria Srl: Diese Roboterentladung ist mit der Zuschnittlinie gekoppelt. Bei einem solchen hochautomatisierten Einsatz von Robotern ist eine Umhausung der Fertigungsstation unumgänglich.

Foto: Universal Robots

Nein, der Roboter allein ist kein Allheilmittel…
Der Roboter hält - mit Erfolg - immer mehr Einzug in die Glasbranche. Dabei ist er vielfach eine perfekte Ergänzung und wichtiger Teil der Prozess-Automatisierung in der Glasverarbeitung und Veredlung. Aber er ist kein  Allheilmittel für jedes Problem. Um Robotik wirklich sinnvoll und effizient einsetzen zu können, sollten bzw. müssen alle beteiligten Prozesse entsprechend automatisiert sein. Und was kleine Roboterarme leisten, sehen Sie auf Seite 24.

Matthias Rehberger

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