Ulrich Hermens zur neuen Richtlinie: „Wir haben festgestellt, dass unsere bestehenden nationalen und internationalen Normen zur Einbruchhemmung von Fassaden, Fenstern, Türen und Toren nicht auf durch Vandalismus verursachte spontane Zerstörungen wie Besetzung, Beschädigung, Plünderung oder Brandstiftung von Gebäuden oder Gebäudeteilen anwendbar sind.“

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Und Hermens weiter: „Hier galt es, auf Grundlage der bestehenden Normen Grund- und Zusatzklassen für vandalismushemmende Bauteile zu definieren.“
Dabei sei es wichtig gewesen, dass in der Expertengruppe nicht nur die prüftechnische Seite vertreten war. „Wir hatten auch Vertreter der Polizei, der Fensterbauer, der Systemhersteller von Gebäudehüllen, des Zentralrats der Juden und eben Hersteller von Hochsicherheitsgläsern mit am Tisch“, betont Hermens.
Was ist der Unterschied zwischen „Einbrechern“ und „Vandalen“
Ulrich Hermens: „Anders als bei Einbrechern, die während ihrer Tat unerkannt bleiben wollen, eher leise handeln und möglichst schnell vom Tatort verschwinden, ist es für sogenannte ‚Vandalen‘ unerheblich, ob sie erkannt, gefilmt oder festgesetzt werden.“ Gewaltbereite Demonstrierende innerhalb friedlicher Kundgebungen üben, so Hermens, „spontane Gewalt gegen Gegenstände und Gebäude aus mit zum Beispiel Kanaldeckeln, Eisenstangen, Pflastersteinen, Schildern, Rammen und auch Molotowcocktails.“
Was unterscheidet eine Richtlinie von einer Norm?
Im Gegensatz zu einer rechtskräftigen Norm ist eine Richtlinie ja eine Handlungsanweisung oder Empfehlung, um bestimmte Vorgehensweisen zu regeln oder zu standardisieren.
Die ift-Richtlinie EI-06/1 sei „branchenspezifisch und beschreibt Prüfverfahren und Anforderungen für die Klassifizierung von Bauteilen hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Vandalismus.“ Damit seien „Vandalismusangriffe nachvollziehbarer klassifiziert.“ Für Hersteller von Hochsicherheitsgläsern sei die Richtlinie „eine Handlungsempfehlung für die Herstellung von vandalismushemmenden Produkten und für die Beratung von Kunden, die von Vandalismus betroffen sein könnten.“
Welche Rolle spielen die Gläser?
Als Beratungsgrundlage richtet sich die Richtlinie an eine sehr konkrete Zielgruppe. „Es geht ja um den Schutz von Geschäften und der Menschen, die sich während einer gewaltsamen Demonstration im Gebäude aufhalten“, erklärt Hermens. „Wir können die Geschäftsinhaber zunächst nur zum Produkt Glas beraten und einen Vorschlag machen – basierend auf den in der Richtlinie formulierten Tabellen.“ Getestet werde aber immer das Gesamtsystem: „Rahmen, Beschaffenheit der Wand, des Mauerwerks, der Schließanlage usw.“
Dabei gehe es auch um Lage und Risikoeinschätzung. „Liegt ein Geschäft für hochwertige Elektronikgeräte in einer ruhigen Nebenstraße oder an einer exponierten Stelle in der Fußgängerzone einer Großstadt?“ fragt Hermens. Daraus lasse sich „die erwartete Tätergruppe und die Höhe des erwarteten Schadensausmaßes ableiten.“
Besonders riskant sei „ein Elektronikgeschäft in der Fußgängerzone, dazu noch mit großen Schaufenstern – für die Öffentlichkeit leicht zugänglich, so dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für Vandalismusangriffe deutlich höher ist.“ Auch die Gefahr von Brandsätzen müsse berücksichtigt werden: „Ist sie hoch bis sehr hoch, sollte das Bauelement Sicherheitsglas sicher sein gegen das Einbringen von Brandkörpern.“ Am Ende entscheide jedoch der Geschäftsinhaber. „Es ist auch eine Kostenfrage, ein Abwägen zwischen dem Produktpreis und den durch Vandalismus möglicherweise anfallenden Kosten für die Schadensbeseitigung“, so Hermens.
Mit Blick auf zukünftige Produktlösungen stellt er klar: „Wir können ja keine eigenen Vandalismus-Gläser entwickeln und prüfen, da immer das Gesamtsystem getestet werden muss und nicht nur das Glas singulär.“ Vielmehr werde „immer zusammen mit den Rahmenherstellern eine auf das System abgestimmte Glaslösung entwickelt.“ Erste Anfragen gebe es bereits: „Die ift-Richtlinie EI-06/1 hilft auf jeden Fall sowohl in der Beratung als dann auch später bei der Produktentwicklung des Gesamtsystems.“

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