Mythos 1: „Mehr Schrauben sorgen automatisch für mehr Halt.“
Antwort: Klingt logisch – ist aber nicht immer richtig! Die Annahme, dass mehr Schrauben automatisch zu einer besseren Befestigung von Fenstern führen, hält sich hartnäckig auf Baustellen. Doch dieser Ansatz greift zu kurz. Entscheidend für eine sichere Montage ist nicht die bloße Anzahl der Befestigungspunkte, sondern ihre fachgerechte Positionierung, die Auswahl des passenden Befestigungssystems und die genaue Kenntnis des vorhandenen Untergrunds.
Im Holz zum Beispiel kann eine Verschraubung ohne Vorbohren schnell zum Splittern oder Reißen führen. Statt Halt zu erzeugen, schwächt man den Werkstoff – und riskiert Risse oder Ausbrüche, die später die Stabilität beeinträchtigen. Hier ist ein abgestimmtes Schraubenbild mit korrekt gesetzten Vorbohrungen essenziell.
Komplexer wird es im massiven Mauerwerk. Je nach Baustoff – ob Kalksandstein, Porenbeton oder Ziegel – variiert das Tragverhalten deutlich. Eine Befestigung, die im Beton sicher hält, kann im Hochlochziegel wirkungslos sein. Es lohnt sich Literatur wie die „DAfM-Richtlinie Heft 4 – (Dübel-) Versuche am Bauwerk in Mauerwerk“ anzuschaffen. Diese Richtline liefert hierzu wertvolle Hinweise, wie geeignete Dübeltypen gewählt und richtig bemessen werden. Denn falsch gesetzte oder überdosierte Befestigungen führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern gefährden im schlimmsten Fall die gesamte Konstruktion. Randabstände sind zur Mauerwerksaußenkante sind hier ebenfalls extrem wichtig.
Richtig ist: Eine Reduzierung der Befestigungsabstände kann die Lastaufnahme verbessern – aber nur dann, wenn das System auf den jeweiligen Untergrund abgestimmt ist. Pauschale Lösungen führen schnell zu Fehlmontagen.
Fazit: Sicherheit entsteht nicht durch „mehr“, sondern durch „richtig“. Nur wer die Werkstoffeigenschaften kennt, die Befestigungspunkte fachgerecht plant und geeignete Systeme auswählt, sorgt für eine dauerhaft sichere und regelkonforme Fenstermontage.
Mythos 2: „PU-Schaum reicht als alleinige Abdichtung völlig aus.“
Antwort: Auf vielen Baustellen gehört er zum gewohnten Bild: PU-Schaum. Schnell verarbeitet, preiswert und auf den ersten Blick zuverlässig. Doch wer Fenster ausschließlich mit Schaum montiert, ignoriert zentrale bauphysikalische und technische Anforderungen – und riskiert langfristige Schäden!
Denn: Klassischer PU Schaum für die Fenstermontage ist nicht UV-beständig. Wird er der Sonnenstrahlung ausgesetzt – etwa durch offene Fugen oder nicht abgeschlossene Bauphasen – beginnt er, sich zu zersetzen. Die Folge sind Undichtigkeiten und schleichende Schäden an der Konstruktion.
Zwar gibt es inzwischen flexible Schäume, die sich bei richtiger Fugendimensionierung Bewegungen im Baukörper anpassen können, doch deren Verarbeitung widerspricht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Eine alleinige Abdichtung mit Schaum – flexibel oder nicht – bleibt daher kritisch zu sehen.
Hinzu kommt: PU-Schaum erfüllt keine statische Funktion. Er ersetzt weder eine fachgerechte Befestigung noch eine dauerhafte, witterungsgeschützte Abdichtung. Die Fenstermontage muss drei Ebenen berücksichtigen: außen schlagregendicht, innen luftdicht und dazwischen wärmedämmend – das lässt sich mit Schaum allein nicht realisieren.
Fazit: PU-Schaum kann ein Baustein im Montagekonzept sein – aber nie die alleinige Lösung. Nur im Zusammenspiel mit geprüften Dichtsystemen und einer mechanischen Befestigung lässt sich derzeit eine dauerhaft sichere und regelkonforme Fensterkonstruktion gewährleisten.

Foto: Daniel Mund / GW
Mythos 3: „Die Einbauanleitung des Herstellers ist optional“
Antwort: Ein gefährlicher Irrtum mit weitreichenden Folgen! Leider wird gerade bei Zeitdruck auf der Baustelle die Einbauanleitung oft als überflüssig abgetan – mit dem Hinweis: „Das haben wir schon hundertmal gemacht.“ Doch besonders bei Funktionsbauteilen wie zertifizierten Sicherheitsfenstern, Brandschutzfenstern, absturzsichernden Elementen oder Fluchttüren ist diese Haltung nicht nur falsch, sondern auch brandgefährlich – im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Montageanleitungen für solche Sonderelemente sind kein netter Hinweis, sondern elementarer Bestandteil des Prüfverfahrens. Sie definieren exakt, wie das Bauteil auf Basis der geprüften Materialien und Montagemittel eingebaut werden muss, um die zertifizierte Funktion zu gewährleisten. Schon kleine Änderungen – etwa der Tausch von zugelassenem Mörtel gegen PU-Schaum – können die Funktion massiv beeinträchtigen. Wird eine Brandschutztüre beispielsweise mit Schaum statt der vorgeschriebenen Hintermörtelung eingebaut, kann die Widerstandsdauer im Brandfall drastisch sinken – mit potenziell lebensbedrohlichen Folgen.
Besonders heikel: Eine Abweichung von der Einbauanleitung bedeutet automatisch den Verlust der Zertifizierung – und somit auch den Verlust der Produkthaftung durch den Hersteller. Die Verantwortung liegt dann allein beim Montagebetrieb. Und dieser haftet nicht nur während der Gewährleistungsdauer, sondern – vor allem bei sicherheitsrelevanten Bauteilen – im schlimmsten Fall darüber hinaus, etwa bei Personenschäden.
Fazit: Die Montageanleitung ist bei Funktionsbauteilen nicht verhandelbar. Wer hier abweicht, verändert ein geprüftes Gesamtsystem und übernimmt die volle Verantwortung – technisch wie rechtlich. Montagebetriebe müssen sich dieser Tragweite bewusst sein, denn hier geht es nicht nur um Material und Technik, sondern um die Sicherheit von Menschenleben.

Foto: MB Fensterbau Beelitz
Mythos 4: „Fenstermontage-Planung ist Aufgabe des Fachbetriebs.“
Antwort: In der Baupraxis ist es längst gängige Realität: Die Planung der Fenstermontage wird häufig stillschweigend dem ausführenden Handwerksbetrieb überlassen – besonders im Neubau, obwohl dort meist ein Architekt oder Bauplaner beauftragt ist. Dabei ist klar geregelt: Ist ein Planer involviert, so obliegt ihm auch die Verantwortung für die Anschluss- und Montagedetails. Schließlich wird er vom Bauherrn genau dafür bezahlt.
Doch was im Neubau schon fragwürdig ist, wird im Sanierungsfall zur Regel: Wenn Familie Müller ihren Fensterbauer direkt beauftragt, ist kein Planer im Spiel. Der Handwerker steht dann allein in der Pflicht – und zwar nicht nur für die Ausführung, sondern für die gesamte technische Planung. Dazu gehört weit mehr als das bloße Aufmaß: die Beurteilung der Tragfähigkeit des Mauerwerks, die Berücksichtigung absturzsichernder Anforderungen, den Hinweis auf das Einhalten von Lüftungskonzepten nach DIN 1946-6, die Verschiebung von Isothermen oder die Vermeidung von Bauschäden durch falsche Einbausituation.
Diese planerischen Leistungen werden in der Praxis häufig unentgeltlich erbracht – ein Missstand, der fachlich und wirtschaftlich nicht tragbar ist. Denn was hier geleistet wird, ist qualifizierte Planungsarbeit, die aus Sicht des Sachverständigen honoriert gehört.
Viele Handwerker sind sich unsicher und meiden die Planungsleistung. Hilfsmittel wie der ift-Montageplaner können hier eine große Unterstützung sein. Sie liefern strukturierte Planungshilfen, definieren geeignete Befestigungspunkte und berücksichtigen bauphysikalische Zusammenhänge. Für absturzsichernde Elemente bietet z. B. Würth eine Softwarelösung an, die auf Basis geprüfter Mauerwerksversuche Statiken erstellt – vom Prüfstatiker nur noch zu bestätigen. So wird komplexe Planung einfach, rechtssicher und effizient.
Und wenn es im Einzelfall doch zu kompliziert wird? Dann ist der Griff zum Sachverständigen nicht nur legitim, sondern klug. Denn wer fachgerecht plant, schützt sich – technisch, rechtlich und wirtschaftlich.
Die Fenstermontage ist kein Handgriff, sondern ein Planungsprozess. Wer diese Leistung erbringt, sollte dafür nicht nur Verantwortung tragen – sondern auch fair bezahlt werden.

Foto: Iso-Chemie
Mythos 5: „Fenster und Türen können jederzeit eingebaut werden?“
Antwort: Ja – mit dem richtigen System. Lange galt es als unumstößliche Regel: Fenster und Türen gehören vor dem Innenputz und Estrich eingebaut – Doch diese Reihenfolge ist nicht mehr zwingend. Dank moderner Montagezargen-Systeme kann heute in nahezu jedem Bauabschnitt montiert werden – flexibel, effizient und bauschadensfrei.
Die Idee dahinter: Die Montagezarge wird bereits in der Rohbauphase gesetzt – noch vor den feuchteintensiven Gewerken wie Putz und Estrich. Sie bildet den passgenauen, geschützten Rahmen für den späteren Fenstereinbau. So lassen sich etwa Bodeneinstände schon frühzeitig herstellen und in die Dämmebene einbinden, ohne dass z.B. Holz- oder Holz-Alufenster der Baufeuchte ausgesetzt sind. Besonders diese Materialien reagieren sensibel auf die hohen Luftfeuchten beim Trocknungsprozess von Estrich und Putz.
Trotz der technischen Vorteile schreitet der zweistufige Einbauprozess im Fensterbau nur langsam voran. Dabei liegen die Benefits für Handwerker, Bauherren und Planer klar auf der Hand: flexiblere Bauzeitplanung, geringere Reklamationsquoten und ein insgesamt kontrollierter Montageprozess. Die Vorfertigung gewinnt an Bedeutung – und mit ihr auch die Chance, die Fenster erst dann zu montieren, wenn der Bau wirklich bereit dafür ist.
Ein nach wie vor sensibles Thema in diesem Zusammenhang ist die Absturzsicherung bei den zweistufigen Zargenlösungen. Doch auch hier tut sich einiges: Hersteller arbeiten mit Hochdruck an sicheren, geprüften Lösungen, die das System komplettieren werden.
Wer das System der Montagezargen einmal verstanden hat, erkennt schnell, welches Potenzial es bietet – technisch, wirtschaftlich und organisatorisch. Also traut euch – die Zukunft der Fenstermontage ist zweistufig. Und sie beginnt genau jetzt, grade bei hochwertigen Fenstersystemen.—

Foto: Finstral
Der Fakten-Checker
Marc Schütt ist Schreinermeister und von der Handwerkskammer Südwestfalen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Tischlerhandwerk. Mit seinem Sachverständigenbüro in Werdohl (NRW) bietet er umfassende Dienstleistungen rund um Fenster, Türen, Wintergärten und Baubegleitung an. Schütt ist bekannt für seine praxisnahe Expertise und seine Fähigkeit, komplexe handwerkliche Themen verständlich zu erklären. Neben der Erstellung von Gerichts- und Privatgutachten engagiert er sich in der Weiterbildung von Handwerkern und Planern durch Fachvorträge und Schulungen. Darüber hinaus nutzt er Social Media Kanäle wie LinkedIn, Instagram und Facebook, um sein Wissen zu teilen und junge Talente zu fördern. www.sv-schuett.de
