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Rosenheimer Fenstertage: Gestärkt aus der Krise hervorgehen

Jedenfalls war von einer Jubiläumsveranstaltung mit umfangreichen Rückblicken anfangs nicht viel zu spüren – vielmehr richtete Institutsleiter Prof. Jörn Lass gleich den Blick in die Zukunft: Der Klimawandel führt zu immer spürbareren Auswirkungen auf unsere Umwelt und immer häufiger zu Wetterextremen. Die Bauindustrie trägt gleichzeitig erheblich zur Umweltbelastung bei, sei es durch den Ressourcen- und Energieverbrauch während des Bauprozesses, die Lebenszyklus-Emissionen der Gebäude bis hin zur Nachnutzungsphase mit Abfall, die nicht in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden.

So helfen nachhaltige Bauprodukte, den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren und tragen zur Erreichung unserer Klimaziele bei. „Dies wird den Klimawandel nicht sofort stoppen, doch, wenn wir jetzt nicht handeln, müssen wir uns in der Zukunft mit noch heftigeren Klimaextremen auseinandersetzen, die dann kaum noch beherrschbar sind. Was tun wir, wenn das Wasser an unsere Haustür kommt, was tun wir, wenn der Hagel an unsere Fenster klopft – die Branche hat die Rezepte und Produkte, sich dagegen zu wappnen. Bauelemente müssen in Zukunft immer mehr vor Unwetter schützen und nicht nur eine Barriere für die Wärmeenergie bilden.“

Klima.Sicher.Bauen: Das neue Label des ift Rosenheim für klimaresiliente Bauprodukte

Prof. Lass setzte sich in seinem Vortrag mit der Fragestellung auseinander, wie Nachhaltigkeit und Klimaresilienz zu bewerten ist. Dabei verwies er auf die Forderung der EU: Um ein Greenwashing einzudämmen, sollten neutrale Stellen Labels entwickeln. Auch das ift Rosenheim fühlt sich deshalb berufen und will das neue Label Klima.Sicher.Bauen etablieren. Das würde objektive Informationen über das betreffende Bauprodukt glaubwürdig und vertriebsunterstützend vermitteln. Dabei geht es um 100 Bewertungskriterien über das Produkt selbst, aber auch über das Unternehmen im Hintergrund.

Institusleiter Jörn P. Lass stellte in Rosenheim das neue Label Klima.Sicher.Bauen vor.

Daniel Mund / GW

Institusleiter Jörn P. Lass stellte in Rosenheim das neue Label Klima.Sicher.Bauen vor.

Merkmale von klimasicheren Bauelementen nach ift-Richtlinie klima.sicher.bauen

ift Roseheim

Pflicht:

  • sehr gute Wärmedämmung
  • adaptierbarer Sonnenschutz
  • Starkregen und Sturm resilient
  • langlebig, reparatur- und recyclingfreundlich
  • erfüllen Mindestanforderungen
  • Optional:

  • klimaresiliente Produkte (Hagel, Hochwasser, Hurrikane, hohe Temperaturen, …)
  • Sein Fazit: klimasichere Bauelemente sind energieneutral im Winter und schützen vor Überhitzung im Sommer. Aber er sagt auch: Die eierlegende Wollmilchsau wird es nicht geben.

    Natürlich wurde die ift-Initiative gleich in der Programmpause intensiv diskutiert. Kritisch sehen viele dabei die Prozentangabe im Label. Dabei komme ein Produkt selten auf Werte, die dem Verbraucher einen positiven Eindruck vermitteln könnten. Auch wurde bezweifelt, dass ein ift-Label beim Endkunden tatsächlich ein entscheidendes Kaufargument wäre, denn es sei anzuzweifeln, dass das Fensterinstitut – das unbestritten in der Branche eine feste Größe darstellt – auch beim Endkunden bekannt sei. 

    Was auf die Branche zukommt

    Martin Langen:

    Daniel Mund / GW

    Martin Langen: "Auch die Sanierungsaktivitäten fallen in diesem Jahr deutlich unter den Erwartungen zurück"

    Der Branchenanalyst Martin Langen holte im Anschluss die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Boden der Tatsachen und schwachen Aussichten zurück: Seine Kernbotschaft: Wir haben es aktuell mit rückläufigen Auftragsmengen und rückläufigen Preisen zu tun. Auch die Sanierungsaktivitäten fallen in diesem Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurück – man könnte quasi von einem „verlorenen Sanierungsjahr“ sprechen. Langen glaubt zudem, dass das nächste Jahr noch schwieriger werden wird. „Der Auftragsbestand ist eigentlich noch riesengroß – aktuell jammern wir auf sehr hohem Niveau.“ Die Bauunternehmen hätten einen Auftragsbestand, der noch deutlich über dem Niveau der Vor-Corona-Jahre liegen würde.

    Plötzlich macht es ein Unterschied, ob ein Haus energetisch saniert ist oder nicht

    Dass die Branche thematisch sehr schlagkräftige Argumente in der Hand halte, sei klar. Der Green Deal und die damit verbundene erzwungene Emmissionsreduktion werden zwangsläufig greifen. Schon allein eine jährliche Sanierung von min. 3% der Gesamtfläche aller öffentlicher Gebäude sei geplant. Zusätzlich werden ab 2030 sogar Vermietungs- und Verkaufsverbote für unsanierte Wohnungen gesetzlich möglich. Das bedeutet: Wenn man in einem Gebäude neue Fenster einbaut, ist das Objekt gleich 10 Prozent mehr wert – gute Aussichten also für neue energieeffiziente Fenster.

    Auch Langen macht – wie übrigens viele Redner auf den Fenstertagen – klar: Es gelte, jetzt noch stärker auf den Sonnenschutz zu setzen. Dieses Thema dürfe man nicht mehr außer Acht lassen. Kurzfristig müssen sich Unternehmen angesichts eines schwachen Marktes aber nach „Überwinterungsstrategien“ umschauen. Es müsse beispielsweise darum gehen, wie man seine Kosten runterfahren könne.

    Matthias Horx – Epochenwandel

    Futurist Matthias Horx

    Daniel Mund / GW

    Futurist Matthias Horx

    Einen ganz anderen Blick in die Zukunft (des Bauens und des Lebens) lieferte am Ende des ersten Veranstaltungstages der Futurist Matthias Horx. Sein Ansatz: Die Gesellschaft müsse aufhören mit dem Jammerismus und der Forderung, dass die Politik alles richten muss.

    Wie wäre es, wenn wir uns die künftige Welt aus der Zukunft heraus betrachten? Also immer wieder die Frage stellen, was uns die Herausforderungen der Gegenwart in der Zukunft bringen. Horx hat dafür auch einen neuen Begriff geprägt: „Mit der ‚Regnose‘ projizieren wir uns selbst in die Zukunft. Wir beobachten uns beim Beobachten und schauen zurück. Dabei entsteht ein dynamisches Zukunftsbewusstsein: Wir erkennen, dass unsere innere Dimension die Zukunft in uns selbst erzeugt – dass wir selbst die Zukunft sind.“

    Weiter blickt er auf mögliche Wohnungs- und Lebenskonzepte in der Zukunft: Wir brauchen energetische Architektur („urban Farming“) und das neue Bauen wird bestimmt von der Solararchitektur.

    Die wichtigen Pausengespräche

    Daniel Mund / GW

    Generell werden die Fenstertage auch für den regen Austausch untereinander genutzt – schließlich kommen sonst nirgendwo so viele Experten zusammen. Dieses Mal war das beherrschende Thema die wirtschaftliche (Abwärts-)Situation. Dabei wurde die Preiskette diskutiert – angefangen bei den Rohstoffen, den Vorprodukten, den Fenster und Türen an sich und den Angebotspreisen beim Endkunden. Die Preise fallen, wo fallen Sie zuerst? – so könnte man das verkürzt darstellen.

    Was ist von der Politik zu erwarten

    im „Berliner Talk“ diskutierten Frank Lange (VFF), Thomas Drinkuth (Repräsentanz Transparente Gebäudehülle, RTG) und Jochen Grönegräs (Bundesverband Flachglas, BF) über aktuelle Themen aus der Politik und deren Auswirkungen auf die Branche.

    „Berliner Talk

    Daniel Mund / GW

    „Berliner Talk" mit Frank Lange (VFF), Thomas Drinkuth (Repräsentanz Transparente Gebäudehülle, RTG) und Jochen Grönegräs (Bundesverband Flachglas, BF) und Teilnehmerumfrage: Die Hälfte der Besucher der Fenstertage erwarten für 2024 einen Rückgang von mehr als 10 Prozent für die Branche.

    Eine Teilnehmerumfrage zeichnete dabei genau das Bild, was auch die Verbandsgeschäftsführer bereits befürchten: Die Hälfte der Besucher der Fenstertage erwarten für 2024 einen Rückgang von mehr als 10 Prozent für die Branche. Eine weitere große Anzahl glaubt, dass sich die Rückgänge auf unter 10 Prozent einpendeln werden. Auf die Frage des Moderators, ob die Lage auch in Berlin angekommen sei, antwortete Drinkuth, dass die Politik verstanden hätte. Er befürchte aber, dass Habeck und Co. immer noch davon ausgehen, dass sich der Bau – auch durch das neue 14-Punkte-Programm – rasch beleben werde.

    Was muss man also machen, um die Krise in den Griff zu bekommen? Frank Lange: Es gelte sich jetzt fit zu machen für den Aufschwung der in 2 Jahren kommt, das Unternehmen also noch mal ‚neu denken‘. Auch verweist Lange gebetsmühlenartig, dass man doch die 30 Prozent-Förderung nutzen solle, das Angebot nutze noch keiner in der Branche. Da bietet der Verband richtig viel Unterstützung.

    Abschließend liefert Drinkuth noch eine Antworte auf die Frage, was das Lobbying in Berlin erreichen kann: Gegen die DNA von Politikern jedenfalls könne man nicht argumentieren, die Grünen seien nun einmal verliebt in erneuerbare Energien. Da würde die Energieeffizienz in der Gebäudehülle eher eine sekundäre Rolle spielen.

    Und Lange und Grönegras antworten unisono, was denn ihr größter Wunsch an diese Regierung sei: Planbarkeit, Planbarkeit, Planbarkeit – wir müssen uns wieder auf die Regierung und ihre Förderpolitik verlassen können. „Ein Fahrplan bis 2045 wäre toll.“ Auch Drinkuth wünscht sich einen Masterplan für die energetische Gebäudesanierung. „Da muss jetzt mal etwas Substanzielles hinterlegt werden.“

    Chefredakteur Daniel Mund
    Mein Fazit: Das Branchenherz schlägt im Herbst in Rosenheim. Nirgendwo sonst kann man so konzentriert die Branchenstimmung in Deutschland erfassen und stößt gleichfalls auf interessante Ansätze für zukünftiges Wirtschaften. Der Mix aus Praxisbeiträgen (Power-Workshops), Fachbeiträgen und Diskussionen hat die Attraktivität der Fenstertage noch einmal deutlich aufgewertet. Schön, dass die Branche mit dem bayrischen Abend in der Inntalhalle auch zum zünftigen Feiern zusammenkommt.